Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkludenter Antrag auf mündliche Verhandlung
Leitsatz (NV)
- Rügt ein Revisionskläger, er habe im erstinstanzlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, so daß das FG sein Verfahren nicht gemäß § 94a FGO nach billigem Ermessen habe bestimmen - und ohne mündliche Verhandlung entscheiden - dürfen, macht er (sinngemäß) geltend, er sei i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen.
- Ein Antrag auf mündliche Verhandlung kann auch konkludent gestellt werden. Er kann aber nicht in einem unsubstantiierten Beweisantrag zu einem Beweisthema gesehen werden, das für die vom FG zu treffende Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von Bedeutung sein kann.
Normenkette
FGO §§ 94a, 116 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit Bescheid vom 27. November 1998 einen Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer-Vorauszahlung für August 1998 in Höhe von 130 DM fest, weil die Voranmeldung erst am 2. November 1998 eingegangen war. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 2. Dezember 1998, den festgesetzten Verspätungszuschlag aus Billigkeitsgründen zu erlassen, weil eine --offenbar unzuverlässige-- neueingestellte Mitarbeiterin die Voranmeldung nicht rechtzeitig bearbeitet habe.
Das FA lehnte den Erlaßantrag durch Bescheid vom 23. Dezember 1998 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Daraufhin erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, das FA "zu verurteilen, den Verspätungszuschlag aufzuheben bzw. die Festsetzung als ermessensfehlerhaft anzusehen". Zur Begründung führte er u.a. aus, die Praxis der Finanzverwaltung, Verspätungszuschläge festzusetzen, sei gegenüber den Vorjahren rigoros verschärft worden, was offensichtlich auf Haushaltsdefiziten beruhe. Nach allgemeinen Ausführungen --u.a. über die Arbeitsweise der Finanzverwaltung-- führte der Kläger aus: "Ich beantrage entsprechend die Zeugeneinvernahme der in der Senatsverwaltung für Finanzen, der Oberfinanzdirektion ... und der im Finanzamt ... für diesen Bereich zuständigen Verantwortlichen zwecks Bestätigung der vorgenannten Zahlen und insbesondere auch der veränderten Verfahrensweise."
Das Finanzgericht (FG) übertrug die Klage gemäß § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung. Dieser wies die Klage gemäß § 94a FGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung als unbegründet ab.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision mit der Begründung eingelegt, es liege ein wesentlicher Verfahrensfehler i.S. des § 116 Abs. 1 FGO vor. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 94a FGO dürfe nur dann ergehen, wenn seitens der Beteiligten nicht ausdrücklich mündliche Verhandlung beantragt worden sei. Ausweislich seiner Klageschrift habe er "Zeugeneinvernahme beantragt, was zwangsläufig den Antrag auf mündliche Verhandlung indiziert, d.h. es liegt somit eine hinreichend klare und eindeutige Prozeßerklärung vor".
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig. Sie ist durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
1. Nach § 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Keine dieser Voraussetzungen ist gegeben.
2. Das Rechtsmittel ist auch nicht als zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft.
Mit der Rüge, das FG habe im Anwendungsbereich des § 94a FGO übersehen, daß ein Beteiligter die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, rügt der Kläger (sinngemäß), daß er i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 1996 V R 18/96, BFH/NV 1997, 351, m.w.N.). Diese Rüge ist indessen nicht schlüssig erhoben worden.
Eine schlüssige Verfahrensrüge i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt nur vor, wenn die zur Begründung des Verfahrensmangels vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- den bezeichneten Mangel ergeben. Die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen müssen lückenlos vorgetragen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Mai 1994 V R 12/94, BFH/NV 1995, 399). Daran fehlt es hier.
Nach § 94a Satz 1 FGO kann das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1 000 DM nicht übersteigt. Gemäß § 94a Satz 2 FGO muß auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden.
Der Antrag auf mündliche Verhandlung i.S. des § 94a Satz 2 FGO kann sich zwar auch konkludent aus schriftlichen Äußerungen der Beteiligten ergeben (vgl. Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 94a FGO Rz. 12, m.w.N.). Er kann aber nicht in einem unsubstantiierten Beweisantrag zu einem Beweisthema gesehen werden, das für die vom Gericht zu treffende Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von Bedeutung sein kann. Dies ist hier der Fall. Der "Beweisantrag" des Klägers bezieht sich auf Tatsachen, die allenfalls für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Verspätungszuschlags von Bedeutung sein können, nicht aber im Erlaßverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1995 V R 83/93, BFH/NV 1996, 190).
Fundstellen