Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts haben Verfahrensbeteiligte Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen über die Wahl und Heranziehung der ehrenamtlichen Richter. Dieser Anspruch ist gegenüber dem Präsidenten des FG geltend zu machen.
2. Bei der Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf die Senate des FG kann auf deren bisherige Erfahrung zurückgegriffen werden mit der Folge, dass sie bei Wiederwahl auch ihren bisherigen Senaten zugewiesen werden können.
3. Erklärt sich ein ehrenamtlicher Richter unter Angabe eines Grundes für verhindert, so braucht das FG den Hinderungsgrund grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Die Vorschriften über den gesetzlichen Richter sind dagegen nicht gewahrt, wenn ein geschäftsplanmäßig berufener ehrenamtlicher Richter ohne Angabe eines konkreten Hinderungsgrundes nicht an einer Sitzung teilnimmt und sich die Vermutung aufdrängt, dass er den mit dem Richteramt verbundenen Pflichten im Vergleich zu anderen Verpflichtungen nicht die erforderliche Bedeutung beimisst.
4. Nimmt ein ehrenamtlicher Richter ohne hinreichenden Hinderungsgrund einen Sitzungstermin nicht wahr, so führt die hieraus folgende "Verschiebung" der an den nachfolgenden Sitzungen teilnehmenden ehrenamtlichen Richter nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank in diesen Verfahren.
Normenkette
FGO §§ 27, 116 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Nr. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren (1990 und 1991) als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung.
Durch notariellen Kaufvertrag vom 19. September 1990 verkaufte der Kläger 60 200 qm Land an ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) zum Kaufpreis von 2,2 Mio. DM. Dabei entfielen 58 052 qm auf Grundstücke, die zum Betriebsvermögen gehörten, und 2 148 qm auf Unland, das Privatvermögen des Klägers war. Die veräußerten Grundstücke lagen im Kiesabbaugebiet, wurden aber nicht ausgekiest. Über diese Grundstücke führten Hochspannungsfreileitungen, die überwiegend grundbuchlich abgesichert waren. Das EVU erwarb die Grundstücke des Klägers, um hierauf eine Schaltumspannanlage zu errichten.
Nach § 3 des Kaufvertrages sollten von dem Gesamtkaufpreis 5,73 DM auf jeden Quadratmeter erworbene Grundstücksfläche (Ackerkrume) entfallen und der Restkaufpreis auf das mit dem Grundbesitz erworbene Kiesvorkommen. Der Buchwert für die zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksfläche betrug 324 819 DM.
Der Kläger ermittelte den Gewinn seines landwirtschaftlichen Betriebs durch Betriebsvermögensvergleich. Für das Wirtschaftsjahr 1989/90 erklärte er einen Verlust in Höhe von 84 277 DM, für das Wirtschaftsjahr 1990/91 einen Verlust in Höhe von 3 602 DM und für das Wirtschaftsjahr 1991/92 einen Verlust in Höhe von 70 005 DM. Die Veräußerung der Grundstücke wurde hierbei nicht berücksichtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden insoweit zunächst den Angaben der Kläger.
Im Rahmen eines aus anderen, im Klageverfahren nicht mehr streitigen Gründen eingelegten Einspruchs "verböserte" das FA nach vorherigem Hinweis mit Einspruchsentscheidung vom 30. März 1995 die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1990 und 1991. Die "Verböserung" resultierte daraus, dass das FA nunmehr einen geschätzten Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Grundstücke in Höhe von 1 723 016 DM (= Kaufpreis 2 200 000 DM ./. geschätzte Buchwerte 476 984 DM) als zusätzliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erfasste und nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jeweils hälftig mit 861 508 DM auf die Streitjahre 1990 und 1991 verteilte.
Mit der hiergegen erhobenen Klage machten die Kläger geltend, nur die Ackerkrume, nicht dagegen das Kiesvorkommen, sei dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen zuzurechnen. Deshalb sei lediglich ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn in Höhe von 7 818 DM entstanden (58 052 qm x 5,73 DM = 332 637 DM ./. Buchwert in Höhe von 324 819 DM). Das Kiesvorkommen sei als selbständiges Wirtschaftsgut dem Privatvermögen zuzurechnen; der entsprechende Veräußerungserlös aus dessen Verkauf sei demnach nicht steuerpflichtig.
Die Klage wurde abgewiesen, da im Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung kein zum Privatvermögen des Klägers gehörendes selbständiges Wirtschaftsgut Bodenschatz bestanden habe und der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn vom FA nicht zu hoch geschätzt worden sei.
Mit der nicht zugelassenen Revision rügen die Kläger, das Finanzgericht (FG) sei aus drei Gründen nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Erstens sei die Wahl der ehrenamtlichen Richter als fehlerhaft zu behandeln, weil der zuständige Sachbearbeiter des FG dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die erforderliche Einsicht in die Wahlunterlagen verwehrt und somit die Überprüfung dieser Wahl verhindert habe. Zweitens sei die Verteilung der gewählten ehrenamtlichen Richter auf die einzelnen Senate des FG rechtswidrig erfolgt, da die ehrenamtlichen Richter zwar grundsätzlich in der Reihenfolge des Alphabets den Senaten zugewiesen worden seien, jedoch Richter, die zuvor bereits in einem bestimmten Senat tätig gewesen seien, in der Regel wieder in diesem Senat mitgewirkt hätten. Damit bestehe die Gefahr, dass jeweils solche ehrenamtlichen Richter den Senaten zugewiesen würden, die den Berufsrichtern "genehm" seien.
Drittens sei der erkennende Senat des FG deshalb vorschriftswidrig besetzt gewesen, weil die ehrenamtliche Richterin X an der Sitzung vom 17. Februar 2000, in der der Streitfall verhandelt wurde, teilgenommen habe. In der vorangegangenen Sitzung des betreffenden Senats vom 9. Dezember 1999 habe sich der turnusmäßig zuständige ehrenamtliche Richter Y ―Nr. 1 der Liste über die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter― als verhindert erklärt. Daraufhin habe an dieser Sitzung neben dem turnusmäßig berufenen Richter Z ―Nr. 2 der Liste― die ehrenamtliche Richterin W ―Nr. 3 der Liste― mitgewirkt. Aus dem Register über die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ergebe sich, dass Richter Y seit drei Jahren an keiner Sitzung des Senats teilgenommen, sondern sich stets als verhindert erklärt habe, zum Teil sogar ohne Begründung. Das FG wäre verpflichtet gewesen, auf seinem Erscheinen in der Sitzung vom 9. Dezember 1999 zu bestehen; jedenfalls hätte es eine Glaubhaftmachung anzuerkennender Hinderungsgründe verlangen müssen. Bei ordnungsgemäßer Teilnahme des Richters Y an der Sitzung vom 9. Dezember 1999 hätten an der nachfolgenden Sitzung, in der der Streitfall verhandelt wurde, nicht die ehrenamtlichen Richter A und X, sondern die ehrenamtlichen Richter W und A mitgewirkt.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig; sie ist gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
1. Die Zulässigkeit der Revision richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, da das Urteil des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757). Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) fand die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie ausdrücklich zugelassen hatte oder wenn der Fall einer zulassungsfreien Revision nach § 116 der bis zum Jahr 2000 geltenden Fassung der FGO (FGO a.F.) vorlag.
2. Die Revision wurde vom FG nicht zugelassen. Die Zulassung kommt auch nicht mehr in Betracht. Der Senat hat die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision durch Beschluss vom heutigen Tage IV B 53/00 zurückgewiesen.
3. Gründe, die eine zulassungsfreie Revision nach § 116 FGO a.F. gerechtfertigt erscheinen lassen, liegen nicht vor.
a) Verfahrensmängel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO a.F. sind nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO a.F.), ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben, d.h. wenn sie schlüssig vorgetragen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568, und vom 3. September 1999 I R 54/98, BFH/NV 2000, 321, m.w.N.). Die ordnungsgemäße Rüge, das FG sei bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F.), setzt dabei voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Besetzung des FG dargelegt werden (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1974 I R 40/72, BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232). Dazu muss der Kläger ggf. eigene Ermittlungen anstellen und auf der Grundlage der ihm erteilten Auskünfte oder der ihm möglichen Einsicht in die Regelungen über die Geschäftsverteilung Tatsachen darlegen, die seiner Meinung nach den Besetzungsmangel begründen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384, und vom 18. März 1987 V R 96/86, BFH/NV 1987, 591; BFH-Urteile vom 6. November 1980 IV R 181/79, BFHE 132, 377, BStBl II 1981, 400; vom 15. Juli 1987 X R 15/81, BFH/NV 1988, 446, und vom 23. April 1996 VIII R 70/93, BFH/NV 1997, 31).
Außerdem führt die unrichtige Anwendung einer Vorschrift über die Besetzung des Gerichts nur dann auch zu einem Verfahrensfehler i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., 119 Nr. 1 FGO, wenn der Gesetzesverstoß zugleich eine Verletzung des in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) niedergelegten Gebots des gesetzlichen Richters darstellt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. August 1992 VIII R 9/92, BFHE 168, 508, BStBl II 1993, 55, m.w.N., und in BFH/NV 2000, 321).
b) Die Kläger haben keine Tatsachen vorgetragen, aus denen auf eine Verletzung der Vorschriften über den gesetzlichen Richter geschlossen werden könnte.
aa) Soweit die Kläger eventuelle Fehler im Verfahren der Wahl der ehrenamtlichen Richter geltend machen, haben sie keine Tatsachen vorgetragen, die auf einen Fehler im Wahlverfahren schließen lassen. Das Vorbringen, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger sei durch einen Sachbearbeiter des FG der Einblick in die Unterlagen über die Wahl der ehrenamtlichen Richter verwehrt worden, führt nicht zu einer schlüssigen Besetzungsrüge, weil die Kläger insoweit ihre Ermittlungsobliegenheiten nicht erfüllt haben.
(1) Da Fehler bei der Wahl ehrenamtlicher Richter ein Stadium betreffen, das für die Bestimmung des konkret für die jeweilige Entscheidung zuständigen Richters eine nur vorbereitende Bedeutung hat, können Fehler bei der Wahl ehrenamtlicher Richter den Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur berühren, wenn sie entweder so schwer wiegen, dass wegen des Fehlers von einer Wahl im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann, oder wenn der Fehler eine Manipulation der Entscheidungszuständigkeit im Einzelfall befürchten lässt (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 22. Juni 1982 2 BvR 1205/81, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1982, 2368; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 9. Juni 1987 9 CB 36/87, NJW 1988, 219; BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 1989 VIII R 41/86, BFH/NV 1990, 511; in BFHE 168, 508, BStBl II 1993, 55, und vom 10. November 1992 VII R 51/91, BFH/NV 1994, 27, jeweils m.w.N.).
(2) Können (besonders schwerwiegende) Fehler bei der Wahl ehrenamtlicher Richter demnach zu einem Verfahrensverstoß i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., 119 Nr. 1 FGO führen, so haben Kläger, die die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts prüfen wollen, Anspruch darauf, dass ihnen das FG Einblick in die Unterlagen über die Wahl und Heranziehung der ehrenamtlichen Richter gewährt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1994 VII R 83/93, veröffentlicht bei Juristisches Informationssystem ―juris―). Der Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen über die Wahl der ehrenamtlichen Richter ist gegenüber dem Präsidenten des FG geltend zu machen, da dieser als Vorsitzender des Wahlausschusses (§ 23 Abs. 2 Satz 1 FGO) und als der für die Bestimmung der Anzahl der ehrenamtlichen Richter und die Aufstellung der Vorschlagsliste Verantwortliche (§§ 24, 25 FGO) das Verfügungsrecht über die entsprechenden Unterlagen besitzt.
Dabei ist es im Interesse der Verfahrensvereinfachung nicht zu beanstanden, wenn sich ein Verfahrensbeteiligter zur Prüfung der ordnungsmäßigen Besetzung des Gerichts unmittelbar an den im jeweiligen FG für die Wahl der ehrenamtlichen Richter zuständigen Sachbearbeiter wendet. Verweigert dieser aber ―wie die Kläger geltend machen― die Einsichtnahme in die Unterlagen über die Wahl der ehrenamtlichen Richter, da diese "nicht öffentlich" seien, so genügen die Kläger ihren Ermittlungsobliegenheiten nicht, wenn sie sich mit dieser fehlerhaften Auskunft begnügen. Eine Rüge, das erkennende FG sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, kann vielmehr nur entweder auf konkrete Mängel gestützt werden, die die Kläger ermittelt haben, oder auf eine Weigerung des Präsidenten des FG oder der von diesem bestimmten Stelle, durch die den Klägern eine begehrte Einsichtnahme in die Wahlunterlagen nach einem an den Präsidenten des FG gerichteten schriftlichen Einsichtsbegehren zum Zweck einer Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts versagt wurde.
bb) Die Tatsache, dass das Präsidium des FG bei Aufstellung der Liste der ehrenamtlichen Richter nach § 27 FGO solche Richter, die in der vorangegangenen Wahlperiode bereits tätig waren, in der Regel wieder ihrem "alten" Senat zugewiesen hat und im Übrigen die ehrenamtlichen Richter nach alphabetischer Reihenfolge auf die Senate verteilt hat, führt nicht zu einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts.
Das Präsidium bestimmt den Einsatz der ehrenamtlichen Richter gemäß § 27 Abs. 1 FGO vor Beginn des Geschäftsjahres durch eine Liste, die nach pflichtgemäßem Ermessen zu erstellen ist. Die Erstellung dieser Liste bewegt sich ―ebenso wie die Wahl der ehrenamtlichen Richter― noch im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung eines Einzelfalls. Das in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Prinzip der Gesetzlichkeit des Richters im Sinne einer sich für jeden einzelnen Rechtsstreit "blindlings" ergebenden Entscheidungszuständigkeit (vgl. BVerwG in NJW 1988, 219; BFH in BFH/NV 1990, 511, m.w.N.) schließt es nicht aus, bei der Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf deren bisherige Erfahrung in diesem Ehrenamt zurückzugreifen und Richter, die zuvor bereits als ehrenamtliche Richter tätig waren, in der Regel ihrem bisherigen Senat zuzuweisen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Manipulation der zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter, wie sie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verhindern will.
cc) Auch mit der Rüge, die ehrenamtliche Richterin X sei nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zur Teilnahme an der hier maßgebenden Sitzung berufen gewesen, wurden keine Tatsachen vorgetragen, die auf eine Verletzung der Vorschriften über den gesetzlichen Richter schließen lassen.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte braucht ein Gericht den Hinderungsgrund nicht näher nachzuprüfen, wenn sich ein zunächst berufener ehrenamtlicher Richter unter Angabe eines Grundes für verhindert erklärt. Vielmehr darf das Gericht bei den auf gewissenhafte Amtsführung vereidigten ehrenamtlichen Richtern (vgl. § 45 des Deutschen Richtergesetzes ―DRiG―) grundsätzlich davon ausgehen und sich ohne weitere Ermittlungen darauf verlassen, dass sie sich ihrer richterlichen Pflicht nicht ohne triftigen Grund entziehen, sondern nach pflichtgemäßer Abwägung zu dem Ergebnis gelangt sind, verhindert zu sein (vgl. z.B. BVerwG-Urteil vom 12. Dezember 1973 VI C 104.73, BVerwGE 44, 215; BFH-Urteil vom 17. Januar 1989 VII R 187/85, BFH/NV 1989, 532, und BFH-Beschluss vom 18. Juni 1996 IV R 66/95, BFH/NV 1996, 840).
(2) Teilt ein ehrenamtlicher Richter dagegen (wiederholt) mit, er sei an der Wahrnehmung des Richteramts gehindert, ohne einen konkreten Hinderungsgrund zu benennen, so kann dies Zweifel daran begründen, ob er den Verpflichtungen als ehrenamtlicher Richter in Abwägung mit anderweitigen Pflichten hinreichendes Gewicht zukommen lässt. In einem solchen Fall kann für den Vorsitzenden des betroffenen Senats die Verpflichtung bestehen, auf Teilnahme des ehrenamtlichen Richters an der Sitzung oder auf Glaubhaftmachung eines hinreichenden Verhinderungsgrundes zu drängen. Ebenso wie die Vorschriften über den gesetzlichen Richter verletzt sind, wenn ein ehrenamtlicher Richter aufgrund eines vorher geäußerten Wunsches nur dann zu einer Sitzung geladen wird, wenn der Sitzungstermin geraume Zeit vorher feststeht (vgl. BVerwG-Urteil in BVerwGE 44, 215), sind die Vorschriften über den gesetzlichen Richter auch dann nicht gewahrt, wenn ein geschäftsplanmäßig berufener ehrenamtlicher Richter ohne Angabe eines konkreten Hinderungsgrundes nicht an einer Sitzung teilnimmt und sich nach den Umständen die Vermutung aufdrängt, dass er den mit dem Richteramt verbundenen Pflichten im Vergleich zu anderen Verpflichtungen nicht die hinreichende Bedeutung zukommen lässt.
(3) Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der erkennende Senat des FG nach diesen Grundsätzen in der Sitzung vom 9. Dezember 1999 vorschriftsmäßig besetzt war. Selbst wenn die Besetzung in dieser Sitzung möglicherweise gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstieß, da der ehrenamtliche Richter Y nicht an der Sitzung teilnahm, ohne dass ein hinreichender Hinderungsgrund feststeht, so hat dies nicht zur Folge, dass auch die nachfolgende Sitzung des FG, die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2000, auf die das hier angefochtene Urteil erging, vorschriftswidrig besetzt gewesen wäre.
Bestimmt das Präsidium des FG ―wie im Streitfall― nach § 27 FGO, dass für die gesamte Wahlperiode von vier Jahren die ehrenamtlichen Richter in der Weise zu den Sitzungen herangezogen werden, dass die zuständigen Richter jeweils in der Reihenfolge einer Liste zu bestimmen sind und ―unabhängig von einem Jahreswechsel― nach der letzten Ziffer dieser Liste wieder mit der Nr. 1 zu beginnen ist, so führen Fehler in der Besetzung einer Sitzung dazu, dass bei allen nachfolgenden Sitzungen bis zum Ende der Wahlperiode sich die nach Maßgabe der Liste berufenen ehrenamtlichen Richter "verschieben". Nehmen z.B. an einer Sitzung des Senats die ehrenamtlichen Richter Nr. 2 und 3 der Liste teil, weil Richter Nr. 1 ohne hinreichenden Entschuldigungsgrund seine Teilnahme an der Sitzung "abgesagt" hatte, so hat dies notwendigerweise zur Folge, dass an der nachfolgenden Sitzung nicht die (an sich) geschäftsplanmäßig berufenen Richter Nr. 3 und 4 der Liste, sondern ―da Richter Nr. 3 bereits an der vorangegangenen Sitzung teilgenommen hat― die Richter Nr. 4 und 5 der Liste teilnehmen. Diese "Verschiebung" setzt sich bei allen nachfolgenden Sitzungsterminen des erkennenden Senats solange fort, bis eine neue Wahl der ehrenamtlichen Richter erfolgt.
Eine derartige "Verschiebung" der ehrenamtlichen Richter aufgrund einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank in einem anderen Verfahren führt nicht dazu, dass in den späteren Verfahren das Gericht i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., 119 Nr. 1 FGO ebenfalls nicht vorschriftsmäßig besetzt wäre.
Wie oben zu 3. a dargelegt, führt eine unrichtige Anwendung einer Vorschrift, die die Besetzung des Gerichts betrifft, nach übereinstimmender Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte nur dann zu einem Verfahrensfehler i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., wenn sich der Gesetzesverstoß zugleich als Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist. Von Willkür kann nur die Rede sein, wenn die Entscheidung sich so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. November 1998 V R 67/97, BFH/NV 1999, 643, und in BFH/NV 2000, 321). Ein solcher Willkürvorwurf kann nicht erhoben werden, wenn die Teilnahme der ehrenamtlichen Richter in der Reihenfolge der Liste gemäß § 27 FGO erfolgt und es lediglich wegen einer vorschriftswidrigen Besetzung in einer vorangegangenen Sitzung des Senats zu einer "Verschiebung" der zur Entscheidung berufenen ehrenamtlichen Richter gekommen ist.
Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass bei der Anwendung der Vorschriften über den gesetzlichen Richter auch auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit abzustellen ist, der ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit ist (vgl. BVerfG-Vorprüfungsausschuss in NJW 1982, 2368). Das Gebot der Rechtssicherheit würde verletzt, wenn ein einmaliger Verstoß gegen §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., 119 Nr. 1 FGO durch fehlerhafte Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zur Folge hätte, dass die hierdurch bewirkte "Verschiebung" der ehrenamtlichen Richter in allen nachfolgenden Verfahren ebenfalls zu einer vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts führen würde.
Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., 119 Nr. 1 FGO nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur im Rahmen einer ordnungsgemäß vorgetragenen Revisionsrüge. Wird keine derartige Revisionsrüge erhoben, so erwächst die Entscheidung trotz der fehlerhaften Besetzung der Richterbank in Rechtskraft. Dieser Befriedungsfunktion eines rechtskräftigen Urteils würde es zuwiderlaufen, wenn eine vorschriftswidrige Besetzung der Richterbank zwar nicht mehr von den unmittelbar Betroffenen gerügt werden könnte, aber bei allen nachfolgenden Senatsentscheidungen ―bis zu einer Neuwahl der ehrenamtlichen Richter― zu einem Revisionsgrund i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F., 119 Nr. 1 FGO führen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 601259 |
BFH/NV 2001, 1189 |
BStBl II 2001, 651 |
BFHE 194, 346 |
BFHE 2002, 346 |
BB 2001, 1568 |
DB 2001, 1542 |
DStRE 2001, 1181 |
DStZ 2001, 680 |
HFR 2001, 873 |
StE 2001, 439 |