Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
Eine Aussetzung des Klageverfahrens kommt nicht deshalb in Betracht, weil in einer Parallelsache Verfassungsbeschwerde erhoben worden ist.
Normenkette
FGO § 74; ZPO § 251
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Steuerberatungs-KG, beschäftigte in den Streitjahren ca. . . . Arbeitnehmer. Wegen der Durchführung von ,,Betriebsveranstaltungen" erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid.
Die hiergegen mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) erhob die Klägerin durch Telebrief Revision. Der Telebrief weist rechts oben als Absender die Klägerin aus. Auch unter der Revisionsschrift ist die ,,Steuerberatungsgesellschaft . . . KG" angegeben. In einigem Abstand folgt darunter ,,. . . Steuerberater" mit der entsprechenden Unterschrift. In gleicher Weise ist die ebenfalls mit Telebrief beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Revisionsbegründung unterfertigt.
Nachdem die Klägerin durch die Geschäftsstelle des VI. Senats des BFH auf Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) hingewiesen worden war, meldeten sich die Prozeßbevollmächtigten für die Klägerin. Sie überreichten die Ablichtung einer Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluß des BFH, mit dem eine Revision, die die Klägerin als Prozeßbevollmächtigte des dortigen Verfahrens begründet hatte, wegen Verstoßes gegen Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG i. V. m. § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig verworfen worden war. Gleichzeitig beantragten die Prozeßbevollmächtigten, die von der Geschäftsstelle gesetzte Frist bis zum . . . zu verlängern; erst dann könne entschieden werden, wie die Revision und die gleichzeitig eingelegte Beschwerde weiterbehandelt werden sollten.
Nach entsprechender Fristverlängerung ging ein weiteres Schreiben der Prozeßbevollmächtigten ein, in dem darum gebeten wurde, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision und der Beschwerde bis zum Vorliegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die oben erwähnte Verfassungsbeschwerde zurückzustellen.
Entscheidungsgründe
Das FA hat sich zur Sache nicht geäußert.
Soweit mit der Bitte der Klägerin, das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in der Parallelsache zurückzustellen, ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt worden sein sollte, kann diesem nicht entsprochen werden. § 74 FGO setzt voraus, daß die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne vermag der bloße Umstand, daß wegen der gleichen Rechtsfrage von einem Beteiligten Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, nicht zu begründen. Denn bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich lediglich um die jedermann zustehende Möglichkeit, sich nach Erschöpfung des Rechtswegs wegen behaupteter Verletzung von Grundrechten an das BVerfG zu wenden. Daraus ergibt sich zugleich die Aufeinanderfolge der dem Steuerpflichtigen zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, die durch eine Anwendung des § 74 FGO gestört würde (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1966 I 225/65, BFHE 87, 317, BStBl III 1967, 120 m. w. N.). Eine Aussetzung des Verfahrens kommt deshalb in Fällen dieser Art nicht in Betracht.
Auch das Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i. V. m. § 251 der Zivilprozeßordnung) kann nicht angeordnet werden, da es bereits an einem entsprechenden übereinstimmenden Antrag beider Beteiligten fehlt.Die Revision ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG i. d. F. des Beschleunigungsgesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274, BStBl I, 496) findet die Revision abweichend von § 115 Abs. 1 FGO nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Diese Vorschrift kommt hier zur Anwendung, da die Vorentscheidung nach deren Inkrafttreten am 17. Juli 1985 zugestellt worden ist. Danach ist das Rechtsmittel der Revision, von dem hier nicht vorliegenden Fall einer nach § 116 FGO zulassungsfreien Revision abgesehen, nur noch statthaft, wenn es vom FG oder durch den BFH zugelassen worden ist.
Eine Zulassung durch das FG ist im Streitfall nicht erfolgt. Die von der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist vom Senat durch Beschluß vom heutigen Tage . . . als unzulässig verworfen worden. Das Rechtsmittel ist deshalb nicht statthaft.
Fundstellen
Haufe-Index 414805 |
BFH/NV 1987, 173 |