Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladungsbeschränkungen und Veröffentlichungen gemäß § 60a FGO
Leitsatz (NV)
- In Fällen des § 60a FGO müssen Personen, die die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 FGO erfüllen und deren Adressen aktenkundig sind, nicht unabhängig von einem Antrag beigeladen werden.
- Dem Veröffentlichungsgebot des § 60a Satz 4 FGO wird grundsätzlich bereits durch eine Veröffentlichung in überregionalen Tageszeitungen genügt. Eine zusätzliche Veröffentlichung in regional verbreiteten Tageszeitungen ist nur dann geboten, wenn die von der Entscheidung des FG betroffenen Personen klar erkennbar weit überwiegend in einem eng begrenzten Gebiet leben und in diesem Gebiet die überregionalen Tageszeitungen, in denen der Beschluß gemäß § 60a Satz 1 FGO auch veröffentlicht wird, nach Kenntnis des FG nicht verbreitet sind.
Normenkette
FGO §§ 60a, 60 Abs. 3
Gründe
Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt mit der Beschwerde die Zulassung der Revision u.a. mit der Begründung, das Finanzgericht (FG) habe aufgrund einer fehlerhaften Anwendung des § 60a der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendige Beiladungen unterlassen und in diesem Zusammenhang seien folgende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären:
Beschränkt sich die Verpflichtung zur notwendigen Beiladung in Fällen des § 60a FGO auch dann auf die Personen, die dies beantragen, wenn sich aus den beim FG befindlichen Akten die Adressen der nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladenden Personen ergeben?
Genügt die Veröffentlichung des Beschlusses gemäß § 60a Satz 1 FGO in überregionalen Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung und der Zeitung Die Welt dem Veröffentlichungsgebot nach § 60a Satz 4 FGO oder muß der Beschluß auch in regionalen Tageszeitungen abgedruckt werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird?
2. Diese Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lassen sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten.
a) § 60a FGO schränkt seinem Wortlaut nach das Ermessen des FG nicht dahingehend ein, daß das FG unabhängig von einem Antrag stets die Personen notwendig beiladen muß, die die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 FGO erfüllen und deren Adressen aktenkundig sind.
Auch verfassungsrechtlich ist eine derartige Einschränkung nicht geboten. Das ist zwar in der Literatur umstritten (s. z.B. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 60a Rz. 17; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 60a FGO Rz. 34; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60a FGO Rz. 2, 6; s.a. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 1997, § 65 Rz. 27). Es ergibt sich aber aus dem Zweck des § 60a FGO, Rechtsstreite mit einer großen Zahl von notwendig beizuladenden Personen in einem zumutbaren Zeitraum entscheiden zu können.
Verfassungsrechtlich mußte der Gesetzgeber bei Schaffung des § 60a FGO abwägen zwischen dem Anspruch der Kläger und Antragsteller i.S. des § 60a FGO auf Gewährung von Rechtsschutz innerhalb eines angemessenen Zeitraums und dem Anspruch der anderen von der Entscheidung des FG betroffenen Personen auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes). Es ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber bei dieser Abwägung den Interessen der Kläger und Antragsteller i.S. des § 60a FGO Vorrang eingeräumt hat vor denen der anderen Personen, die sich entgegen den Klägern und Antragstellern i.S. des § 60a FGO nicht weiter um die Klärung des dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses gekümmert haben. Hätte der Gesetzgeber sich anders entschieden, würde § 60a FGO weitgehend leerlaufen und das mit ihm verfolgte Ziel in vielen Fällen nicht erreicht. Der Streitfall zeigt dies exemplarisch. Er betrifft Gewinnfeststellungen für die Jahre 1975 bis 1979. Die angefochtenen Bescheide erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) im Jahr 1983. Notwendig beizuladen wären weit mehr als 100 Personen. Die aktenkundigen Adressen der Feststellungsbeteiligten mit Ausnahme der Adresse des Klägers sind weit über 10 Jahre alt. Das Verfahren vor dem FG dauerte bereits ohne Beiladungen fast 14 Jahre.
b) Nach § 60a Sätze 3 und 4 FGO muß der Beschluß gemäß § 60a Satz 1 FGO im Bundesanzeiger bekanntgemacht und außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung des FG voraussichtlich auswirken wird. Daraus ergibt sich eindeutig, daß bei der Auswahl der Tageszeitungen, in denen der Beschluß veröffentlicht wird, die Umstände des konkreten Streitfalls zu berücksichtigen sind.
Eine Veröffentlichung in überregionalen Tageszeitungen und zusätzlich in regional verbreiteten Tageszeitungen wird nur dann geboten sein, wenn die von der Entscheidung des FG betroffenen Personen klar erkennbar weit überwiegend in einem eng begrenzten Gebiet leben und in diesem Gebiet die überregionalen Tageszeitungen, in denen der Beschluß auch veröffentlicht wird, nach Kenntnis des FG nicht verbreitet sind. In Fällen wie dem Streitfall, in denen die Feststellungsbeteiligten nach Aktenlage im gesamten Bundesgebiet und einige wohl auch im Ausland wohnen, reicht eine Veröffentlichung in zwei oder drei auflagenstarken und überregional verbreiteten deutschen Tageszeitungen aus (Gräber/Koch, a.a.O., § 60a Rz. 9; a.A. Spindler, a.a.O., § 60a FGO Rz. 19; s.a. Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 65 Rz. 31, § 56a Rz. 6). Zu berücksichtigen ist auch, daß die Veröffentlichungen in den Tageszeitungen erhebliche Aufwendungen verursachen und das Kostenrisiko der Kläger erhöhen. Die Zahl der Tageszeitungen, in denen der Beschluß veröffentlicht wird, muß deshalb im Interesse der Kläger auf wenige begrenzt bleiben.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522) abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 422642 |
BFH/NV 2000, 334 |