Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfortbildung; keine Bindung an die Gesellschaftsbilanz bei Ermittlung eines Auflösungsverlustes; Verfahrensmängel; Berücksichtigung des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung; Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
1. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bislang ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.
2. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Darlegungsanforderungen. Weder reicht das Fehlen einer Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH noch die Behauptung ihrer fehlerhaften Entscheidung durch das FG.
3. Nach der für das Streitjahr 1996 geltenden gefestigten Rechtsprechung des BFH besteht keine Bindung der Körperschaftsteuerfestsetzung für die Einkommensteuerveranlagung.
4. Es ist auch geklärt, dass für die Feststellung eines Auflösungsverlustes zu der Beurteilung auf der Ebene der Gesellschaft die Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene des Gesellschafters hinzutreten muss.
5. Mit der Behauptung einer fehlerhaften Anwendung der Regeln über die Beweislast oder einer unzutreffenden Beweiswürdigung durch das FG wird revisionsrechtlich eine Verletzung des materiellen Rechts und nicht des Verfahrensrechts geltend gemacht.
6. Ebenso wenig wird mit der Beanstandung, das FG habe die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend gewürdigt, eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht dargetan.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 4 S. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.09.2005; Aktenzeichen 1 K 2474/03) |
Gründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative und Nr. 3 FGO nicht gemäß den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan.
1. Rechtsfortbildung
Der Kläger hält es für klärungsbedürftig, ob bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Anteilseigner von den in der Bilanz für die Gesellschaft angesetzten Werten auszugehen sei, zumindest soweit diese in den Steuerbescheiden für die Gesellschaft zugrunde gelegt worden seien.
a) Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem "ob" und ggf. "wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder --für sich allein-- aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das Finanzgericht (FG) sachlich unrichtig entschieden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256; vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Weder setzt sich der Kläger mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH noch mit dem Fachschrifttum auseinander.
Bereits nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 19. April 2005 VIII R 27/03, BFH/NV 2005, 1807; vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569) bestand u.a. für das Streitjahr 1996 keine Bindung der Körperschaftsteuerfestsetzung für die Einkommensteuerveranlagung des Anteilseigners. Der BFH hat, bezogen auf die Behandlung von verdeckten Gewinnausschüttungen, eine Korrespondenz des einkommensteuerlichen und des körperschaftsteuerlichen Besteuerungsverfahrens verneint.
Der Kläger legt bereits nicht dar, weshalb diese Frage für die Bewertung des Aktivvermögens abweichend zu beantworten sein soll.
Im Übrigen ist geklärt, dass zu der Beurteilung auf der Ebene der Gesellschaft die Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene des Gesellschafters hinzutreten muss (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305; BFH-Beschluss vom 18. Mai 2005 VIII B 11/04, BFH/NV 2005, 1810; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 17 Rz 222, m.w.N.).
2. Verfahrensmängel
a) Der Kläger behauptet, das FG habe seine Überzeugung von der Vermögenslosigkeit der GmbH als Voraussetzung für eine zeitlich vorverlagerte Realisation eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz EStG nicht aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung i.S. von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gewonnen.
Indes hat das FG den Vortrag des Klägers zur Werthaltigkeit sowohl der Beteiligung an der X-GmbH als auch hinsichtlich der Forderung Z ausführlich auf S. 5 des Tatbestandes des angefochtenen Urteils wiedergegeben, diesen Vortrag indes abweichend von der Schlussfolgerung des Klägers gewürdigt. Im Kern macht der Kläger eine fehlerhafte Anwendung der Regeln über die Beweislast und eine unzutreffende Beweiswürdigung geltend. Derartige Beanstandungen sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüfbar (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1810).
Ebenso hat das FG das von der GmbH auf den 31. Dezember 1996 bilanzierte Aktivvermögen im Einzelnen festgestellt, indes nicht die vom Kläger begehrten materiell-rechtlichen Schlussfolgerungen hieraus gezogen.
b) Nicht erkennbar ist, welche weiteren, vom Kläger angebotenen Beweise das FG im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO noch hätte erheben sollen. Auch insoweit rügt der Kläger lediglich, das FG habe die unterbreiteten Unterlagen nicht ausreichend und deshalb unzutreffend gewürdigt. Dieser Umstand könnte allenfalls einen materiell-rechtlichen Mangel des angefochtenen Urteils begründen, nicht jedoch zur Zulassung der Revision aufgrund eines Verfahrensmangels führen (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1703560 |
BFH/NV 2007, 912 |