Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Gegen ein vor dem 1. Januar 1966 ergangenes finanzgerichtliches Urteil ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (§ 115 Abs. 3 FGO) nicht gegeben.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3, § 184 Abs. 2 Ziff. 2; AO § 286; FGO § 115/1; AO § 274 Abs. 4; FGO § 94/1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) verkündete, wie sich aus dem vom Vorsitzenden und vom Schriftführer unterzeichneten Protokoll ergibt, das am 30. November 1965 beschlossene Urteil am gleichen Tage in der mündlichen Verhandlung. Bei diesem Verhandlungstermin waren sowohl das Finanzamt - FA - (Bf.) vertreten als auch der Bg. persönlich anwesend. Am 11. Januar 1966 wurde das Urteil dem Bg. zugestellt. An den Bf. wurde es am 12. Januar 1966 abgesandt. Das FG hob die Einspruchsentscheidung des FA und den der Einspruchsentscheidung zugrunde liegenden Einheitswertbescheid auf. Den Streitwert stellte es mit 104 DM fest. Nach der Rechtsmittelbelehrung ist die Rb. gegeben, wenn der Wert des Streitgegenstandes mehr als 1.000 DM beträgt. über die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde ist in der Rechtsmittelbelehrung nichts gesagt. Im Urteil hat das FG ausdrücklich erklärt, die Rb. nicht zuzulassen.
Am 10. Juni 1966 legte der Bf. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde trägt er vor: Das Urteil sei zwar vor dem 1. Januar 1966 verkündet, aber nach dem 31. Dezember 1965 zugestellt worden. Deshalb sei es erst nach dem 31. Dezember 1965 ergangen. § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO komme daher nicht zum Zuge. Da das FG nicht über die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde belehrt habe, sei die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen.
Der Bg. beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das FG-Urteil sei am 30. November 1965 verkündet worden und deshalb auch an diesem Tage im Sinne von § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO ergangen. Auf den Zeitpunkt der Zustellung komme es nicht an.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
I. -
Nach § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die vor dem Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966, vgl. § 184 Abs. 1 Satz 1 FGO) ergangenen Entscheidungen nach den bisher geltenden Vorschriften. "Ergangen" im Sinne von § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO ist ein Urteil nicht schon, wenn es "beschlossen" und "unterschrieben" ist; es ist dann erst "gefällt". Solange es noch nicht bekanntgegeben ist, ist das Urteil eine innere Angelegenheit des Gerichts, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, daß es vom Gericht noch geändert werden kann (vgl. Urteil des BFH IV 295/59 S vom 21. Februar 1964; BFH 79, 294, BStBl III 1964, 338). Maßgebend für das "Ergehen" einer Entscheidung ist die Bekanntgabe; diese kann durch Zustellung oder - nach vorangegangener mündlicher Verhandlung - durch Verkündigung erfolgen. Von der Zustellung oder Verkündung an ist das Urteil nach außen in Erscheinung getreten. (Vgl. BFH- Urteil VI R 80/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 543, BStBl III 1966, 595; BFH-Beschluß I R 83/66 vom 23. August 1966, BFH 86, 725, BStBl III 1966, 660; Kühn, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Auflage, § 184 Anm. 3; Birkholz, Rechts- und Wirtschaftspraxis (D), FGO II B 5, Einzelfragen S. 23 ff.).
Nach § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein vor dem 1. Januar 1966 ergangenes finanzgerichtliches Urteil nicht gegeben (vgl. Birkholz, a. a. O., insbesondere S. 26). Denn nach den bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Vorschriften war die Rb. nur zulässig, wenn der Streitwert 1.000 DM überstieg oder das FG die Rb. zuließ (§ 286 AO a. F.). Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rb. war dem Steuergerichtsverfahren bis zum 31. Dezember 1965 nicht bekannt.
II. - Nach dem unter I. Ausgeführten ist die Nichtzulassungsbeschwerde im Streitfall nicht statthaft. Das Urteil des FG ist vor dem 1. Januar 1966 ergangen. Es wurde vor diesem Zeitpunkt beschlossen und verkündet. Die Verkündung ist unstreitig vor dem 1. Januar 1966 erfolgt, was durch die Niederschrift ausreichend nachgewiesen ist (vgl. Klinger, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage, § 116 Anm. A 3). Die Niederschrift ist in gehöriger Form vom Vorsitzenden des Gerichts und dem Schriftführer unterzeichnet (§ 274 Abs. 4 AO a. F.).
Fundstellen
Haufe-Index 412491 |
BStBl III 1967, 293 |
BFHE 1967, 109 |
BFHE 88, 109 |