Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Steuerfreiheit von Arbeitgeberbeiträgen für freie Mitarbeiter; kumulative Begründung; keine Vergleichbarkeit mit der steuerrechtlichen Behandlung bei Arbeitnehmer-Kommanditisten
Leitsatz (NV)
1. Ist ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt worden, so muss hinsichtlich jeder, das Urteil allein tragenden Begründung mindestens ein Zulassungsgrund substantiiert dargetan werden und tatsächlich auch vorliegen.
2. Entsprechend dem Grundsatz der so genannten Tatbestandswirkung hat die Finanzverwaltung die Behandlung von Arbeitgeberanteilen durch den Sozialversicherungsträger solange zu beachten, wie diese nicht offensichtlich rechtswidrig ist.
3. Für die steuerrechtliche Behandlung von Sozialversicherungsbeiträgen fehlt - im Gegensatz zur Behandlung von Arbeitnehmer-Kommanditisten - eine Umqualifizierungsnorm für die Einkunftsart nach § 18 EStG.
4. Für eine Divergenz reichen weder eine Abweichung in der Würdigung von Tatsachen noch eine angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 62, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 12.07.2007; Aktenzeichen 4 K 3887/05) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 2. Alternative FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse.
Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (BFH-Beschlüsse vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293; vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.).
b) Das FA macht sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Rechtsfrage geltend, ob eine sozialversicherungsrechtliche Einordnung als Arbeitnehmer unmittelbare Rechtswirkung im Sinne einer sog. Tatbestandswirkung auch für das Besteuerungsverfahren entfalten könne mit der Folge, dass von dritter Seite für einen steuerrechtlich als Selbständigen i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu beurteilenden Steuerpflichtigen gezahlte Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung analog § 3 Nr. 62 EStG als steuerfrei zu behandeln und bei dem Steuerpflichtigen auch nicht als Betriebseinnahmen zu erfassen seien.
Indes hat das Finanzgericht (FG) das angefochtene Urteil auf zwei, seine Entscheidung eigenständig tragende Gründe gestützt, nämlich zum einen darauf, dass die …-Anstalt für den Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) als sog. festen freien Mitarbeiter in Erfüllung einer eigenen, ihr unmittelbar auferlegten öffentlich-rechtlichen Verpflichtung die vorgenannten Leistungen an den Sozialversicherungsträger erbracht habe, so dass es sich nach den Maßstäben des BFH-Urteils vom 6. Juni 2002 VI R 178/97 (BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34) nicht um Arbeitslohn gehandelt habe. Zum anderen wäre, sofern es an der erforderlichen gesetzlichen Verpflichtung gefehlt hätte, jedenfalls § 3 Nr. 62 EStG wegen der Besonderheiten des Streitfalles und aus gleichheitsrechtlichen Gründen entsprechend anzuwenden.
Ist ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt worden, so muss hinsichtlich jeder, das Urteil allein tragenden Begründung mindestens ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO substantiiert dargetan werden und tatsächlich auch vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 18. April 2006 VIII B 141/05, BFH/NV 2006, 1465; vom 27. März 2007 VIII B 25/06, juris, m.w.N.).
Das FA wendet sich indes ausschließlich gegen die Argumentation des FG zur zweiten Begründung, ohne indes insoweit allerdings einen weiteren Klärungsbedarf hinreichend herauszuarbeiten.
Das FG hat nämlich genau die vom VI. Senat des BFH im Urteil in BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34 dargelegten Rechtsgrundsätze seiner zweiten Begründung zugrunde gelegt, insbesondere hinsichtlich der von der Finanzverwaltung zu respektierenden sog. Tatbestandwirkung, sofern die Behandlung durch den Sozialversicherungsträger nicht offensichtlich rechtswidrig sei, was das FG im Streitfall verneint hat.
Der Rechtsauffassung des VI. Senats des BFH hinsichtlich der Behandlung gesetzlich geschuldeter Arbeitgeberanteile hat sich im Übrigen ausdrücklich auch der IX. Senat des BFH im Urteil vom 27. Juni 2006 IX R 77/01 (BFH/NV 2006, 2242) angeschlossen.
Sollte das FG rechtsfehlerhaft im Rahmen seiner Erstbegründung eine hinreichende gesetzliche Verpflichtung i.S. des § 3 Nr. 62 EStG angenommen haben, so handelte es sich allenfalls um einen schlichten Subsumtionsfehler, der grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
Soweit das FA hinsichtlich der zweiten Begründung des FG Einwendungen aus der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Behandlung des Arbeitnehmer-Kommanditisten heranzieht, übersieht es dabei, dass bereits der Große Senat des BFH im Beschluss vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70 (BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177) eine abweichende steuerrechtliche Behandlung allein aus der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG abgeleitet hat (vgl. grundlegend dazu erneut BFH-Urteil vom 30. August 2007 IV R 14/06, BStBl II 2007, 942, m.umf.N., und zugleich in Abgrenzung zum Urteil des BFH in BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34; ferner Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Januar 2007 B 12 KR 31/06 R, BFH/NV 2008, Beilage 1, 82 zu der insoweit gerechtfertigten unterschiedlichen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Arbeitgeberbeiträgen bei Arbeitnehmer-Kommanditisten).
Eine entsprechende Umqualifizierungsnorm für derartige Sozialversicherungsbeiträge ist im Einkommensteuerrecht hingegen für die Einkunftsart gemäß § 18 EStG nicht vorhanden.
2. Divergenz
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom 17. Februar 2005 X B 185/03, BFH/NV 2005, 1060; vom 25. September 2002 IX B 14/02, BFH/NV 2003, 191).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.
Das FA benennt als vermeintliche Divergenzentscheidung das Urteil des BFH vom 8. April 1992 XI R 37/88 (BFHE 167, 522, BStBl II 1992, 812).
Diese Entscheidung betrifft indes ebenfalls die vorstehend erörterte Rechtsfrage der steuerrechtlichen Behandlung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung für den mitarbeitenden Kommanditisten als Tätigkeitsvergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und behandelt damit offensichtlich einen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt.
Fundstellen