Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
Leitsatz (NV)
Erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte, nicht vom Gericht nachgelassene Schriftsätze sind grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Ob das FG deshalb die mündliche Verhandlung wieder eröffnet, steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Dieses verdichtet sich jedenfalls dann nicht zu einer Rechtspflicht, wenn in dem nachgereichten Schriftsatz keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte angesprochen werden.
Normenkette
FGO § 93 Abs. 3 S. 2, §§ 94, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 119 Nr. 6; EStG § 10e Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 164, 283
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 19.08.2004; Aktenzeichen VII 385/1999) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.
1. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so muss er nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 42).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht gerecht. Sie haben nicht die Abweichung des angefochtenen Urteils von dem BFH-Urteil vom 30. September 2003 III R 51/01 (BFHE 204, 76, BStBl II 2004, 209) schlüssig dargelegt. Es fehlt bereits an der gebotenen Herausarbeitung eines bestimmten abstrakten Rechtssatzes der vorgeblichen Divergenzentscheidung des BFH, von dem das angefochtene Urteil abgewichen sein soll. Ihr Einwand, das FG habe die BFH-Entscheidung verkannt, im Streitfall habe nicht nur eine sanierungs- und instandsetzungsbedürftige Wohnung, sondern ein Vollverschleiß vorgelegen, lässt nicht die Rüge abweichender Rechtssätze erkennen. Sie rügen damit allenfalls eine materiell-rechtlich fehlerhafte Entscheidung, die für sich allein keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO darstellt.
2. Auch ein Verfahrensfehler des FG in der Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Anders als die Beschwerde meint, hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2004 ausweislich der Niederschrift dem Prozessbevollmächtigten der Kläger keine Schriftsatzfrist eingeräumt. Eine entsprechende Ergänzung im Wege der Protokollberichtigung (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4, § 164 der Zivilprozessordnung --ZPO--) haben die Kläger nicht beantragt. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung lediglich die nachträgliche Vorlage der Originalbaupläne angekündigt. Zudem ist weder von der Beschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, dass die Voraussetzungen für das Nachreichen eines Schriftsatzes gemäß § 155 FGO i.V.m. § 283 ZPO gegeben waren. Ebenso wenig bestand für das FG eine Pflicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung; diese stand vielmehr nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO im Ermessen des Gerichts. Dass sich das eingeräumte Ermessen des FG zu einer Rechtspflicht, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, verdichtet hätte (vgl. zu den Voraussetzungen: Gräber/Koch, a.a.O., § 93 Rz. 10), ist im Streitfall weder dargelegt noch sonst erkennbar. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat im Schriftsatz vom 13. September 2004 überwiegend die bereits vorher angeführten und auch in den Feststellungen des FG aufgelisteten Baumaßnahmen bezeichnet. Selbst wenn die Kläger darüber hinaus --wie von ihnen nach der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen-- einzelne Geschossdecken und den Dachstuhl erneuert sowie das Dach neu eingedeckt haben sollten, war die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, da der verspätete Vortrag nicht ausreichend entschuldigt wurde. Zudem erfüllen die erstmals vorgetragenen Baumaßnahmen weder die Anforderungen an eine Neuherstellung, die eine Förderung nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rechtfertigen würde, noch an einen Ausbau i.S. des § 10e Abs. 2 EStG (vgl. z.B. Senatsurteil vom 15. November 1995 X R 102/95, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92).
Fundstellen