Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen unzureichender Sachaufklärung
Leitsatz (NV)
Zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines Verfahrensmangels infolge unzureichender Sachaufklärung muß der Beschwerdeführer die aufklärungsbedürftigen Tatsachen bezeichnen oder die Umstände angeben, auf Grund derer sich dem FG eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte in den Streitjahren 1987 bis 1991 eine Gaststätte. Die von ihr erklärten Entgelte für die ausgeführten Umsätze lagen nach Ansicht des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) erheblich unter den in vergleichbaren Unternehmen erwirtschafteten Entgelten. Nach einer Außenprüfung setzte das FA in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) höhere als die angemeldeten Steuerbeträge fest, weil es von höheren als den erklärten Entgelten für die Lieferung von Speisen und Getränken ausging. Einspruch und Klage waren erfolglos. In der Vorentscheidung führte das Finanzgericht (FG) u. a. aus, die Hinzuschätzungen des FA aufgrund einer Nachkalkulation der von der Klägerin ausgeführten Leistungen seien dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt. Die dabei angewendeten Rohaufschläge lägen unterhalb der Untergrenzen der amtlichen Richtsätze. Das FG ging ausführlich auf Einwendungen gegen bestimmte Aufschlagsätze für einzelne Warengruppen ein. Es führte u. a. weiter aus, die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß ihre Buchführung nicht vollständig gewesen sei. Es sei unrichtig, daß dem Vertreter der Klägerin die Berechnungsgrundlagen für die Nachkalkulation nicht mitgeteilt worden seien.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten Revision gemäß § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein, die der Senat durch Beschluß vom 22. August 1996 als unzulässig verworfen hat. In demselben Schriftsatz führte die Klägerin aus: "Hilfsweise wird die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten." Als Begründung gibt sie an, es liege ein Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor. Das FG habe die beiden Betriebsprüfer Y und X nicht darüber befragt, weshalb sie bei ihren Prüfungen zu unterschiedlichen Aufschlagsberechnungen gekommen seien. Y habe die steuerlichen Verhältnisse Ende 1986, X habe sie erst 1993 geprüft. Der Abstand zu den Streitjahren 1987 bis 1991 sei somit bei der Prüfung des Y geringer als bei der späteren Prüfung. Y habe auch zu der Bemerkung seines Kollegen X in der mündlichen Verhandlung zur Einkommensteuersache befragt werden sollen, er habe nur "Hausnummern" errechnet, um sich dann weiter herunterhandeln lassen zu können.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Senat kann offenlassen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde, die "hilfsweise" zur Revision eingelegt wurde, als bedingtes Rechtsmittel unzulässig ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. Februar 1988 VII B 157/87, BFH/NV 1988, 586). Sie ist jedenfalls unzulässig, weil die Beschwerdebegründung die Anforderungen nicht erfüllt, die nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO für eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines Verfahrensmangels gefordert werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe angebotene Zeugenvernehmungen nicht durchgeführt, rügt sie die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO). Die nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgebrachten Gründe sind nicht zu berücksichtigen.
Wird als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung geltend gemacht, so sind insbesondere die unaufgeklärt gebliebenen, aber aufklärungsbedürftigen Tatsachen anzugeben oder die Umstände, aus denen sich dem FG die Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, zu bezeichnen. Die Klägerin muß darlegen, daß sie die ihrer Meinung nach mangelhafte Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder daß ihr eine derartige Rüge nicht möglich gewesen war (vgl. BFH-Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Darlegungen dieser Art sind für die Rüge mangelnder Sachaufklärung erforderlich, weil gemäß § 155 FGO i. V. m. §§ 295, 531, 538 der Zivilprozeßordnung (ZPO) die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden kann, wenn der Beteiligte vor dem FG den Mangel nicht gerügt hat, obwohl er dazu Gelegenheit gehabt hätte und ihm der Mangel bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (vgl. BFH-Urteile vom 4. Oktober 1974 III R 127/73, BFHE 113, 470, BStBl II 1975, 302; vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66). Außerdem sind das vermutliche Beweisergebnis und dessen Einfluß auf den Verfahrensausgang dazulegen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschluß vom 4. Februar 1991 V B 94/89, BFH/NV 1992, 668; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 65 i. V. m. § 120 Anm. 37).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin erklärt nicht, weshalb sie die von ihr für erforderlich gehaltene Sachaufklärung nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 9. Januar 1996 beantragt hat und weshalb es sich dem FG nach seiner für die Entscheidung maßgebenden Rechtsauffassung aufdrängen mußte, den Prüfer Y, der die Streitjahre 1987 bis 1991 nicht geprüft, sondern nur bis 1984 aufgeklärt hatte, zu ver nehmen.
Die Anforderungen an die Darlegung einer zulässigen Rüge sind auch nicht erfüllt, soweit die Klägerin Verletzung rechtlichen Gehörs geltend macht. Auch dieser Verfahrensfehler muß vor dem FG gerügt worden sein (§ 155 FGO i. V. m. §§ 295, 531 ZPO; vgl. BFH-Urteile vom 18. April 1972 VIII R 40/66, BFHE 105, 325, BStBl II 1972, 572; vom 26. Februar 1985 VII R 137/81, BFH/NV 1986, 136). Darüber hinaus ist substantiiert darzulegen, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre. Beide Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Fundstellen