Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung eines Verfahrensmangels wegen mangelnder Sachaufklärung
Leitsatz (NV)
1. Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels wegen mangelnder Sachaufklärung.
2. Voraussetzungen des Verlusts des Rechts zur Rüge, das FG habe den Sachverhalt nicht pflichtgemäß aufgeklärt.
3. Zum Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf einer mangelnden Sachaufklärung nach Bezugnahme des FG auf ihm vorgelegte Unterlagen und die Einspruchsentscheidung.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen 1 K 116/05) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben den behaupteten Verfahrensmangel wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Das Vorbringen der Kläger genügt diesen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte --ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Verhandelt der Beteiligte ohne Verfahrensrüge zur Sache, obwohl er den Verfahrensmangel kannte oder kennen musste, so verliert er sein Rügerecht (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2003 VII B 370/02, BFH/NV 2004, 843; vom 17. Dezember 2004 VIII B 152/04, BFH/NV 2005, 1102; vom 26. Juli 2005 VI B 34/05, juris; vom 8. Januar 2009 VIII B 175/07, juris; vom 18. Februar 2009 XI B 90/08 u.a., juris; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 92; jeweils m.w.N.). Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe den Sachverhalt nicht pflichtgemäß aufgeklärt, erfordert daher u.a. den Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich war. Die Kläger haben jedoch weder dargelegt noch ist aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie bzw. ihr fachkundiger Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine derartige Rüge erhoben haben. Gleiches gilt für Umstände, nach denen die Kläger nicht in der Lage gewesen sein könnten, eine solche Rüge zu erheben. Ausweislich des Sitzungsprotokolls ist die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden. Dabei hätte auch Gelegenheit bestanden, auf die Berücksichtigung der von den Klägern für entscheidungserheblich gehaltenen Bescheinigung hinzuwirken. Erst recht hätten die Kläger durch einen entsprechenden Beweisantrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hinwirken können.
Des Weiteren lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung überhaupt auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht bzw. inwiefern dessen Vermeidung zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Das FG hat in seinem Urteil wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger (auch) im Klageverfahren u.a. auf die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Insoweit ist auch das von den Klägern für entscheidungserheblich erachtete, erst nach dem Ergehen der Einspruchsentscheidung und kurz vor Einreichung der Klageschrift erstellte Schreiben der IKK X vom 16. März 2005 von der Bezugnahme des FG umfasst. Soweit sich das FG gleichwohl im Ergebnis mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) auf den Standpunkt gestellt hat, dass zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Kur ein vorderen Antritt ausgestelltes amtsärztliches Attest oder vergleichbare Bescheinigungen hätten vorgelegt werden müssen, kam es auf nachträglich erstellte Bescheinigungen nicht an; Gleiches gilt für die nachträgliche Einholung eines medizinischen Gutachtens. Insoweit genügte im Streitfall die Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung des FA, dabei insbesondere auf die darin verarbeitete finanzgerichtliche Rechtsprechung. Wenn die Kläger dies anders sehen, so rügen sie im Kern Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall. Solche Fehler rechtfertigen für sich gesehen jedoch nicht die Zulassung der Revision (z.B. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2009 VI B 140/07; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Mängel bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG grob willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2007 X B 137/07, juris, m.w.N.). Die Kläger haben aber auch nicht vorgetragen, dass das angefochtene Urteil solche gravierenden Mängel aufweist.
Fundstellen