Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe von Heizöl zur Verdieselung
Leitsatz (NV)
Zur Frage, ob schon die Abgabe von Heizöl zur Verdieselung ,,zu einem anderen als dem erlaubten Zweck" anzusehen ist.
Normenkette
MinöStDV § 23 Abs. 3 Nr. 2; MinöStG § 15 Abs. 2 Nr. 7
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA -) nahm den Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) durch ,,Steuerhaftungsbescheid" auf Zahlung von Mineralölsteuer mit der Begründung in Anspruch, er habe in der Zeit vom 5. November bis 29. Dezember 1975 Gasöl (steuerbegünstigtes Heizöl) aus dem ihm bewilligten Verteilerverkehr als Dieselkraftstoff ausgeliefert. Danach stehe fest, daß das mit einer bedingten Steuerschuld belastete Gasöl aus dem Verteilerverkehr des Beschwerdeführers zu einem anderen als dem erlaubten Zweck bei der Abgabe bestimmt und später auch verwendet worden sei. Die auf den Beschwerdeführer übergegangene bedingte Steuerschuld sei nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) in der Person des Beschwerdeführers unbedingt und sofort fällig geworden. Durch ,,Änderungsbescheid" verfügte das HZA, daß der ,,Steuerhaftungsbescheid . . . in einen Steuerbescheid geändert" werde. Auf den Einspruch des Beschwerdeführers setzte das HZA die Mineralölsteuer unter Änderung der Mengenberechnung (nach einer anderen Dichte) herab.
Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Klage mit dem Antrag, die festgesetzte Mineralölsteuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung auf null DM herabzusetzen. Außerdem beantragte er, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen.
Diesen Antrag lehnte das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, bei der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung seien keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ,,Mineralölsteuerhaftungsbescheides" in der Fassung der Einspruchsentscheidung gegeben. Bei dieser Prüfung falle entscheidend ins Gewicht, daß der Beschwerdeführer wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden sei und daß der Bundesgerichtshof (BGH) bei der Prüfung des - für die Verurteilung maßgebenden zweiten - Strafurteils keine Rechtsfehler festgestellt habe. Die Feststellungen in dem Strafurteil könnten grundsätzlich auch im finanzgerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden, insbesondere dann, wenn der Beschwerdeführer nichts dazu vortrage, was Zweifel begründen könne. Dem schlichten Bestreiten des Beschwerdeführers, gewußt oder geahnt zu haben, daß das Heizöl als Dieselkraftstoff weiterveräußert worden sei, stehe die ausführliche und detaillierte Beweiswürdigung im - maßgebenden - Strafurteil gegenüber. Die Berufung des Beschwerdeführers auf seine schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse berühre nicht die Rechtmäßigkeit des ,,Steuerhaftungsbescheides".
Der Beschwerdeführer erhob mit folgender Begründung Beschwerde: Das FG sei an die Feststellungen des Strafgerichts nicht gebunden. Der Beschwerdeführer habe nicht sein Verschulden zugegeben. Er habe kein Dieselöl verschoben, und er habe von den Machenschaften der Firma R keine Kenntnis gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Rechtsverfolgung mit der Klage, für die die PKH begehrt wird, hat nach der gegenwärtigen Sachlage hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
a) Die Entscheidung des FG über die Erfolgsaussicht geht schon deshalb fehl, weil das FG offenbar geprüft hat, ob eine Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden aufgrund seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung rechtmäßig sei. Den Ausführungen des FG zur Begründung seiner Entscheidung über den Antrag auf PKH muß entnommen werden, daß es dieser Entscheidung die Frage nach der Rechtmäßigkeit des gegen den Beschwerdeführer zunächst ergangenen Haftungsbescheids zugrunde gelegt hat. Darauf kommt es aber nicht an. Gegenstand des Rechtsstreits ist der durch den Änderungsbescheid des HZA erlassene Steuerbescheid, durch den der Beschwerdeführer als Steuerschuldner in Anspruch genommen worden ist.
b) Nach der bisherigen Sachlage ist die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids im Klageverfahren von der Frage abhängig, ob die Mineralölsteuer für die streitbefangenen Mineralölmengen wegen deren Verwendung ,,zu einem anderen als dem erlaubten Zweck" i.S. des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV in der Person des Beschwerdeführers unbedingt geworden ist, obwohl die Verwendung zu einem solchen Zweck, nämlich als Dieselkraftstoff, erst stattgefunden hat, nachdem der Beschwerdeführer das Mineralöl an andere abgegeben hatte. Denn der Steuerbescheid ist darauf gestützt worden, der Beschwerdeführer habe das nach dem Steuersatz für Heizöl versteuerte Mineralöl als Dieselkraftstoff ausgeliefert, und die Empfänger hätten es als solches verwendet. Die aufgezeigte Frage wird nur dann - mit der Folge eines ungünstigen Ausgangs der Klage für den Kläger - zu bejahen sein, wenn die Auslegung des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV zu dem Ergebnis führt, daß schon die Abgabe von Heizöl zur Verdieselung als Verwendung im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden muß. Ob die Auslegung bei der Entscheidung über die Klage zu diesem Ergebnis führt, erscheint zumindest in dem Sinne zweifelhaft, daß nicht unbeachtliche Gründe dagegen sprechen. Das rechtfertigt die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage.
Gegen die Behandlung der Abgabe zu Zwecken der Verdieselung als Verwendung zu einem anderen als dem erlaubten Zweck spricht zunächst der Inhalt des Verteilererlaubnisscheins nach der gegenwärtigen Fassung des dafür vorgesehenen Formulars (Vordruck 1106, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - V 0495 S. 21). Danach ist dem Verteiler die Abgabe von - nicht vollversteuertem - Heizöl an andere erlaubt, wenn diesem die steuerbegünstigte Verwendung bewilligt ist. Eine Beschränkung der Abgabe zu bestimmten Zwecken ist in dieser Erlaubnis zumindest dem Wortlaut nach nicht enthalten. Unter Beachtung der Auffassung, eine zweckwidrige Verwendung im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV sei jede von der Erlaubnis nicht oder nicht mehr gedeckte Verwendung (Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, 5. Aufl., Stand: April 1988, § 8 MinöStG Tz. 271), ist das bereits als ein beachtlicher Grund anzusehen, der einer Behandlung der Abgabe von Mineralöl zum Verdieseln als Verwendung im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV entgegensteht.
Gegen eine solche Behandlung der Abgabe spricht auch, daß nach dem Wortlaut der Regelung in § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV die Abgabe (an einen Nichtberechtigten) neben der Verwendung (zu einem nicht erlaubten Zweck) einen besonderen Tatbestand für das Unbedingtwerden der bedingten Steuer bildet. Das deutet zumindest darauf hin, daß Verwendung und Abgabe bei der Anwendung des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV als zwei gesondert zu behandelnde Vorgänge angesehen werden sollen.
Für eine solche Trennung spricht auch der Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift in § 15 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG), die Grundlage der Regelung in § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV ist. In dieser Ermächtigungsvorschrift wird zwischen der Abgabe (zu einer anderen als der steuerbegünstigten Zweckbestimmung) und der Zuführung (zu einer solchen Zweckbestimmung) unterschieden. Darin ist zumindest ein nicht unbeachtlicher Anhaltspunkt dafür zu erblicken, daß bei der Regelung des Unbedingtwerdens der Mineralölsteuer durch Rechtsverordnung Abgabe und Zuführung des Mineralöls als zwei voneinander verschiedene Vorgänge anzusehen sind, für die bei der Regelung des Unbedingtwerdens der Mineralölsteuer - aufgrund der Ermächtigungsvorschrift - gesonderte Tatbestände zu schaffen sind. Ist das richtig, so liegt auch darin ein Grund, die Abgabe nicht als Verwendung anzusehen. Diese würde dann lediglich die Zuführung des Mineralöls zu einer Zweckbestimmung im Sinne der Ermächtigungsvorschrift umfassen.
Bei der Frage, ob die Abgabe zu einem nichterlaubten Zweck als Verwendung i.S. des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV zu behandeln ist, wird auch zu berücksichtigen sein, daß eine solche Auslegung zu einer Abhängigkeit der Verwendung von subjektiven Gesichtspunkten führen und die Anwendung der Regelung in § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV dadurch wesentlich erschwert werden dürfte.
c) Nach den Ausführungen des HZA in dem Steuerbescheid und des FG in den Gründen der Vorentscheidung ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß dem Steuerbescheid und der Vorentscheidung die Auffassung zugrunde liegt, die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV seien jedenfalls dann erfüllt, wenn der Beschwerdeführer durch die Abgabe des Mineralöls zu Zwecken der Verdieselung eine Steuerhinterziehung begangen habe, und daß es dann nicht darauf ankommen könne, ob die Empfänger zum Empfang von Heizöl berechtigt seien. Es mag richtig sein, daß eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung - bei Abgabe von Heizöl zur Verwendung als Dieselkraftstoff - auch in den Fällen möglich ist, in denen der Abgebende zur Verteilung und der Empfänger zur Verwendung - und damit zum Bezug - von Heizöl berechtigt ist. Auch wenn das zutrifft, folgt daraus nicht ohne weiteres, daß der Abgebende auch Steuerschuldner bleibt, wenn die Abgabe als Teilnahmehandlung an der Steuerhinterziehung anzusehen ist. Auf die Frage, ob er in solchen Fällen für die Mineralölsteuer haftet, kann es dabei nicht ankommen, da das wohl den Erlaß eines Steuerhaftungsbescheids, nicht aber den Erlaß eines Steuerbescheids rechtfertigen könnte. Auch die Frage, ob ein Haftender auch Steuerschuldner sein kann, wird in diesem Zusammenhang keine Bedeutung erlangen können.
2. Der Senat hält zwar nach dem bisherigen Sachstand eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung durch den Beschwerdeführer für gegeben. Gleichwohl kann er über den Antrag auf PKH nicht abschließend entscheiden, da den Darlegungen des Beschwerdeführers in seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zumindest nicht hinreichend klar entnommen werden kann, ob er die Kosten der Prozeßführung aufbringen kann.
Zweifel daran ergeben sich vor allem aus den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem - beträchtlichen - Grundvermögen. Diese Angaben lassen erkennen, daß dazu Grundstücke gehören, deren Verkehrswert die Belastungen übersteigt. Im übrigen hält der Senat es nicht für gerechtfertigt, die Abgaben des Beschwerdeführers über Verkehrswert und Belastungen ohne nähere Prüfung zur Grundlage einer Entscheidung über die Frage zu machen, ob der Beschwerdeführer i.S. des § 114 ZPO die Kosten der Prozeßführung aufbringen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 416146 |
BFH/NV 1989, 462 |