Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnungsgesuch; Versagung einer Vertagung; Anforderung der Steuerakten; Verärgerung
Leitsatz (NV)
1. Zum gesetzlichen Richter bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch, wenn die zuständigen Vertreter verhindert sind.
2. Eine Partei verliert ihr Ablehnungsrecht nicht, wenn eine nach § 43 ZPO schädliche Handlung aus technischen Gründen zeitlich vor dem Ablehnungsgesuch beim FG eingeht.
3. Verlegt ein Vorsitzender Richter den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, obgleich Steuerakten erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden sollen, so liegt allein darin noch kein Verfahrensfehler.
4. Gesetzliche Fristen, innerhalb derer das FG die Steuerakten anzufordern hat, bestehen nicht.
5. § 78 FGO begründet kein Recht auf Akteneinsicht auf die dem Gericht vom FA nicht vorgelegten Akten.
6. Aus richtigstellenden oder Unterstellungen zurückweisenden Äußerungen allein läßt sich auf eine Unparteilichkeit eines Richters nicht schließen.
7. Hat ein Richter das nach Sachlage verständliche Gefühl, daß ihm von einer Partei "die Worte im Munde herum gedreht" werden, so ist er nicht schon deswegen befangen, wenn er hierauf in einer den Umständen angemessenen Weise reagiert.
Normenkette
FGO §§ 51, 78; ZPO §§ 42-43, 227
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat beim Finanzgericht (FG) Klage wegen Körperschaftsteuer erhoben, weil ihm die Gemeinnützigkeit aberkannt worden war. Termine zur mündlichen Verhandlung hatte das FG zum 26. März 1996, 14. Mai 1996 und schließlich für den 21. Mai 1996 anberaumt. Einem (erstmaligen) Antrag des Klägers, den Termin zum 21. Mai 1996 abzusetzen, um ihm Einsicht in die Handakten des Betriebsprüfers zu ermöglichen, lehnte der Vorsitzende Richter A -- telefonisch -- ab. Die Frage des Bevollmächtigten des Klägers, ob bei Vorlage der Betriebsprüferhandakten in der mündlichen Verhandlung eine Vertagung in Betracht komme, verneinte er mit dem Bemerken, die Handakten könnten während der mündlichen Verhandlung eingesehen werden. Unter Hinweis auf dieses Telefongespräch lehnte der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 1996, eingegangen beim FG per Fax um 14.51 Uhr, A wegen Besorgnis der Befangenheit ab. In seiner dienstlichen Äußerung bestätigte A die Richtigkeit des im Befangenheitsantrag dargestellten Sachverhalts, hielt sich jedoch aufgrund dessen nicht für befangen.
Der Kläger beantragte ferner mit Schriftsatz vom 20. Mai 1996, per Fax eingegangen beim FG um 10.19 Uhr, den Richter am Finanzgericht B wegen Besorgnis der Befangenheit vom Verfahren auszuschließen, mit der Begründung, daß verschiedene Verhaltensweisen von B auf Seiten des Klägers die Befürchtung rechtfertige, daß B dem Kläger nicht mehr unbefangen gegenüberstehe. So habe B die Anträge des Klägers, den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) zur Vorlage der Betriebsprüfungsakten aufzufordern, ignoriert. Er habe erklärt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Betriebsprüferhandakten. Anläßlich eines erneut gestellten Antrags auf Vorlage sämtlicher Steuerakten habe der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit B ein Telefongespräch geführt, in dem B erklärt habe, daß aufgrund des neuerlichen Antrags auf Aktenvorlage eine Vertagung "selbstverständlich" nicht in Betracht komme. B habe sich auch verärgert dagegen verwahrt, ihm zu unterstellen, daß die Betriebsprüferhandakten nur wegen einer darin vermuteten Weisung des Finanzministeriums angefordert werden sollten. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte auf diesem Vortrag bestanden habe, sei B verärgert gewesen, habe erklärt, das Gespräch beenden zu wollen und habe, ohne dem Prozeßbevollmächtigten die Gelegenheit zur Beendigung des Gesprächs zu geben, den Telefonhörer aufgelegt. Ferner habe er diesen vorher noch darauf hingewiesen, daß dieser keinen Anspruch darauf habe, mit B zu telefonieren. Im übrigen habe B sich auch für den Fall, daß das FA die Prüferhandakten zur mündlichen Verhandlung mitbringen werde, einer Vertagung nicht zugänglich gezeigt. Bei einer Gesamtschau dieser Verhaltensweisen bestehe die Besorgnis der Befangenheit (Verletzung des § 71 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- und des Art. 103 des Grundgesetzes).
In der dienstlichen Äußerung erklärte B, die zur Begründung des Befangenheitsantrages behaupteten Tatsachen seien zum Teil entstellt, zum Teil unwahr.
Der Kläger legte am 20. Mai 1996, eingegangen mit Fax beim FG um 10.06 Uhr, auch Beschwerde "betreffend Aktenvorlage" ein.
Das FG lehnte -- ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter -- die Befangenheitsanträge ab.
Mit seiner Beschwerde beantragt der Kläger, den Beschluß des FG über die Befangenheitsanträge aufzuheben und A und B wegen Besorgnis der Befangenheit vom weiteren Verfahren auszuschließen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Über die Befangenheitsanträge hat das FG unter Mitwirkung der hierfür zuständigen Richter entschieden. Die Anträge richteten sich gegen den Vorsitzenden und einen beisitzenden Richter des I. Senats des FG. Nach dem Geschäftsverteilungsplan 1996 des FG wurde entsprechend des Abs. 1 der Regelung für die "Vertretung der Berufsrichter" der Vorsitzende des I. Senats durch das dienstälteste Mitglied des I. Senats C vertreten. Die beisitzenden Richter des I. Senats (C und B) wurden nach der Vertretungsregelung in Abs. 2 Satz 2 grundsätzlich durch die jeweils dienstjüngsten anwesenden Richter des Senats mit der nächsthöheren Ordnungszahl, also des II. Senats, vertreten. Diese waren zwar am 21. Mai 1996 im FG anwesend. Sie waren jedoch durch eine eigene Sitzung verhindert, an der Beschlußfassung über die Befangenheitsanträge teilzunehmen. Nach Abs. 2 Satz 2 der Vertretungsregelung werden diese nunmehr ihrerseits durch die jeweils dienstjüngsten anwesenden Mitglieder des Senats mit der nächsthöheren Ordnungszahl, hier also des III. Senats des FG, vertreten. Das waren die beisitzenden Richter D und E.
Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über die beiden Befangenheitsanträge in entsprechender Anwendung des § 73 FGO ist ermessensgerecht gewesen.
2. Der Antrag des Klägers, den Richter B wegen Besorgnis der Befangenheit vom weiteren Verfahren auszuschließen, ist zulässig. Entgegen der Auffassung des FA ging das Ablehnungsrecht nicht gemäß § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) deswegen verloren, weil der Kläger am 20. Mai 1996 vor dem Ablehnungsantrag Beschwerde gegen eine Entscheidung des I. Senats des FG eingelegt hat.
Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Senat kann offenlassen, ob die Einlegung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des abgelehnten Richters im Hinblick auf die beantragte Entscheidung über eine Abhilfe zum Verlust des Ablehnungsrechts führt (bejahend z. B. Zöller, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 43 Rdnr. 4; Wieczorek/Schütze, Zivilprozeßordnung, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 6; Oberlandesgericht Koblenz, Beschluß vom 17. September 1985 4 W 527/85, Monatsschrift für Deutsches Recht 1986, 60). Das Ablehnungsrecht geht jedenfalls dann nicht verloren, wenn die Partei gleichzeitig mit der entsprechenden Einlassung oder Antragstellung die Ablehnungsgründe geltend macht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Februar 1995 VII B 182/94, BFH/NV 1995, 898). In einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Partei den ihr bekannten Ablehnungsgrund nicht geltend gemacht haben sollte i. S. des § 43 ZPO.
Der Kläger hat mit zwei getrennten Schriftsätzen jeweils vom 20. Mai 1996 Beschwerde gegen die Entscheidung des I. Senats des FG zur Aktenvorlage eingelegt und beantragt, den Richter B wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Tatsache, daß die Beschwerde mit Fax um 10.06 Uhr (nicht 8.56 Uhr, wie vom FA angenommen), der Ablehnungsantrag mit Fax aber erst um 10.19 Uhr beim FG einging, hindert nicht anzunehmen, daß die Ablehnungsgründe gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung geltend gemacht wurden. Die Sachlage ist keine andere, als wenn beide Schreiben sich in einem Briefumschlag befunden hätten. Auch die Rechtslage darf allein deswegen keine andere sein, weil aus technischen Gründen die einzelnen Seiten der Schriftsätze zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei Gericht eingehen. Da § 43 ZPO die Einlassung bzw. die Antragstellung nicht schlechthin untersagt, kann eine Einlassung bzw. eine Antragstellung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ablehnungsgründen nicht zum Verlust des Rügerechts führen. Der Zweck des § 43 ZPO, nämlich geleistete Richterarbeit nicht nutzlos zu machen (vgl. z. B. Stein/Jonas, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 43 Rdnr. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl., § 43 Rdnr. 2), ist durch den praktisch gleichzeitigen Eingang beim Gericht ausreichend Rechnung getragen.
3. Nach § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 ZPO können die Beteiligten einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Es müssen Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung oder Willkür des Richters vorliegen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich voreingenommen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Partei, die das Ablehnungsgesuch stellt, von ihrem Standpunkt aus bei Anlegung eines objektiven Maßstabs Anlaß hat, Voreingenommenheit zu befürchten (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH- Beschlüsse vom 24. November 1994 X B 146--149/94, BFH/NV 1995, 692, und vom 21. November 1991 VII B 53--54/91, BFH/NV 1992, 526).
Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Sie können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dar getan sind, die dafür sprechen, daß die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ihn ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muß ohne weiteres feststellbar und gravierend sein und auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 692, und vom 29. Oktober 1993 IX B 91/92, BFH/NV 1994, 489). Legt man diese Maßstäbe an, so lassen sich weder im Verhalten des Vorsitzenden Richters A noch des Richters B Gründe für eine Befangenheit feststellen:
a) Verweigerung einer Terminverlegung durch A
Da insoweit schon kein Verfahrensfehler vorliegt, kann sich die Frage nach einer Befangenheit nicht stellen (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 10. August 1993 VII B 120, 121/93, BFH/NV 1994, 327).
Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben werden. Die Tatsache, daß sich die Betriebsprüferhandakte vor der mündlichen Verhandlung noch nicht beim FG befindet, ist kein erheblicher Grund in diesem Sinne. Im Gegenteil erscheint es angebracht zu verhandeln, um festzustellen, aus welchem Grund das FA die Akten bislang nicht vorgelegt hat und gegebenenfalls nach Klärung der Sach- und Rechtslage einen entsprechenden Beweisbeschluß zu erlassen. Für den Fall, daß das Gericht noch mit einer Vorlage der Handakte in der mündlichen Verhandlung rechnete, ist ebenfalls keine Terminverlegung geboten. Zum einen kann die mündliche Verhandlung ergeben, daß die in den Handakten vom Kläger vermuteten Unterlagen dort nicht vorhanden oder daß diese entscheidungsunerheblich sind, oder daß die Richtigkeit der vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen zu seinen Gunsten unterstellt werden kann. Sollte aufgrund der erstmaligen Vorlage der Handakten in der mündlichen Verhandlung ein eingehendes Aktenstudium geboten sein, muß die mündliche Verhandlung zur Ermöglichung von Akteneinsicht unterbrochen werden oder, wenn der Kläger sich trotz Vorbereitung zur sofortigen Stellungnahme außerstande sieht, der Termin vertagt werden. Bei keiner der denkbaren Alternativen erscheint aber eine Verlegung des Termins bereits vor dessen Beginn geboten. Aus der Entscheidung des BFH in BFH/NV 1992, 526 ergibt sich nichts anderes.
b) Verweigerung der Akteneinsicht durch den Vorsitzenden Richter A
Nach § 78 Abs. 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. In die (offizielle) Betriebsprüfungsakte hat der Klägervertreter unstreitig Akteneinsicht genommen. § 78 FGO begründet schon dem Wortlaut nach kein Recht auf Einsicht in die dem Gericht nicht vorgelegten Akten.
c) Fehlende Anforderung der Betriebsprüferhandakten durch Richter B
Insoweit läßt sich ein Verfahrensfehler nicht feststellen. Soweit der Kläger rügt, B habe das FA nicht zur Vorlage von Akten aufgefordert und damit § 76 Abs. 1, § 86 FGO verletzt, kann dem schon aus tatsächlichen Gründen nicht gefolgt werden. Zum einen wurde das FA bereits mit Verfügung vom 23. August 1994 vom FG zur Übersendung der "den Streitfall betreffenden Akten" aufgefordert. Zum anderen hat B, wie seiner dienstlichen Äußerung zu entnehmen ist, der der Kläger insoweit nicht widersprochen hat (s. Schriftsatz vom 20. Mai 1996 betreffend Ablehnung B), das FA telefonisch aufgefordert, die Betriebsprüferhandakte zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Da das Gesetz bestimmte Fristen für die Aufforderung zur Aktenvorlage nicht vorsieht, ist insoweit ein Verfahrensverstoß nicht festzustellen.
d) Verhalten und Äußerungen des Richters B im Zusammenhang mit dem Telefongespräch am 17. Mai 1996
Im allgemeinen bieten barsche, unhöfliche, absurde oder ähnliche Äußerungen eines Richters gegenüber einem Beteiligten durchaus Anlaß, die Unbefangenheit des Richters zu überprüfen. Ob sie allerdings tatsächlich die Annahme der Befangenheit rechtfertigen, ist eine Frage des Einzelfalles. Dabei sind die Gesamtumstände zu berücksichtigen, vor deren Hintergrund sich der Richter in der behauptet unhöflichen Art und Weise geäußert haben soll (vgl. z. B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 51 FGO Tz. 7 h). Aus richtigstellenden oder Unterstellungen zurückweisenden Äußerungen allein läßt sich auf eine Unparteilichkeit des Richters noch nicht schließen. Anderenfalls hätte es eine Partei in der Hand, durch unsachliche Äußerungen oder Unterstellungen oder ähnliches einen ihr nicht genehmen Richter vom Verfahren auszuschließen.
Bezogen auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich daraus folgendes:
Nach den unbestrittenen Ausführungen des Richters B in seiner dienstlichen Äußerung hatte dieser den Eindruck gewonnen, daß ihm der Prozeßbevollmächtigte "das Wort im Munde" herumdrehe. Unter diesem Eindruck erscheint es für einen Richter durchaus ratsam und sachgerecht, ein Telefongespräch zu beenden, nicht zuletzt gerade auch, um einseitige Verärgerungen zu vermeiden. Der Richter ist nicht verpflichtet, unter diesen Umständen ein Telefongespräch fortzuführen. Dies folgt schon daraus, daß Telefongespräche grundsätzlich nur mit einem Beteiligten geführt werden und im Interesse der Unparteilichkeit des Richters ohnehin mit Vorsicht zu führen sind (vgl. z. B. Tipke/Kruse, a. a. O., § 51 FGO Tz. 7 c, m. w. N.). Wenn der Richter daher zur Vermeidung weiterer Mißverständnisse darauf hinweist, daß er das Gespräch zu beenden wünsche, so ist dies noch kein Anlaß, die Unparteilichkeit des Richters in Zweifel zu ziehen. Nichts anderes gilt, wenn im Anschluß hieran das Gespräch tatsächlich einseitig beendet wird.
Allerdings ist auch nicht auszuschließen, daß wiederum in der Form der Beendigung des Telefongesprächs ein Maß an Verärgerung zum Ausdruck kommt (vgl. z. B. BFH- Beschluß vom 8. Dezember 1994 VII B 172/93, BFH/NV 1995, 634), das an der Unparteilichkeit des Richters zweifeln läßt. In diesem Zusammenhang wird im Streitfall bedeutsam, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, mit welchen Worten auch immer (vgl. dienstliche Äußerung des Richters B vom 20. Mai 1996 bzw. Schriftsatz des Klägervertreters vom 20. Mai 1996), B befahl, am Telefonapparat zu bleiben. Wenn der Richter B unter diesen Umständen den Klägervertreter darauf hinwies, daß dieser ihn nicht zur Fortführung des Gespräches zwingen könne, und wenn er sich anschließend zumindest einmal mit persönlicher Anrede verabschiedet und dann den Telefonhörer auflegt, so ist darin eine der Situation angemessene Verhaltensweise zu erblicken. Soweit eine nach Abschluß des Telefongesprächs verbleibende Verärgerung des Richters B nicht auszuschließen sein sollte, so würde sich diese allenfalls auf das Verhalten des Prozeßbevollmächtigten des Klägers beziehen. Ein gespanntes Verhältnis zwischen Richter und Prozeßbevollmächtigtem begründet als solches jedoch grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Partei (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 51 FGO Tz. 7 h, m. w. N.).
e) Widersprüchlichkeit und Ausdrucksweise in den dienstlichen Äußerungen des Richters B vom 20. und 21. Mai 1996
Der Senat vermag eine Widersprüchlichkeit in den beiden dienstlichen Äußerungen nicht zu erkennen, so daß sich schon daraus keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergeben können. In seiner Stellungnahme vom 20. Mai 1996 verwahrt sich der Richter gegen die Unterstellung, behauptet zu haben, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers bislang nie die Vorlage der vollständigen Akten verlangt hätten. In seiner Erklärung vom 21. Mai 1996 vertritt B nunmehr die Auffassung, kein Antrag der Klägerseite enthalte eine Bitte auf Anforderung der vollständigen Akten (einschließlich Betriebsprüferhandakten). Daraus läßt sich nicht entnehmen, daß Richter B eine seiner Äußerung vom 21. Mai 1996 entsprechende Meinung bereits anläßlich des Telefongesprächs am 17. Mai 1996 geäußert habe. Aus der Erklärung vom 21. Mai 1996 läßt sich nur entnehmen, daß Richter B entweder das Telefongespräch am 17. Mai 1996 oder die Stellungnahme des Klägervertreters zur dienstlichen Äußerung vom 20. Mai 1996 zum Anlaß nahm, die diesbezüglich gestellten Anträge anhand der Akten zu überprüfen.
Keine Grund zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Kläger enthält auch die Äußerung des B, die Behauptung des Klägervertreters, er habe am Ende des Telefonats vom 17. Mai 1996 den Hörer einfach eingehängt, sei "krass unwahr". Letztlich geht es hier um die Frage, ob sich Richter B vor Einhängen des Telefonhörers vom Bevollmächtigten des Klägers nur einmal (so Klägervertreter) oder dreimal (so Richter B) verabschiedet habe. Ihre Beantwortung läßt jedoch keine Rückschlüsse auf eine Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger zu. Sie indiziert allenfalls ein gespanntes Verhältnis zwischen dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers und Richter B, was, wie bereits dargestellt, grundsätzlich im Rahmen des § 42 ZPO unerheblich ist.
Fundstellen
Haufe-Index 422065 |
BFH/NV 1997, 671 |