Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für Zulassung zur Steuerberaterprüfung: 8 000 DM
Leitsatz (NV)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag der beklagten Behörde auf Streitwertfestsetzung ist gegeben, wenn diese kostenpflichtig ist und dem Kläger die Gebühren seines Prozeßbevollmächtigten zu erstatten hat.
2. Der Senat hält gegenwärtig daran fest, daß der Streitwert für Verfahren um die Zulassung zur Steuerberaterprüfung auf 8 000 DM zu bemessen ist.
Normenkette
GKG § 13 Abs. 1 S. 1, § 25 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist als Beamter des höheren Dienstes (Sachgebietsleiter) bei der Finanzverwaltung in Berlin tätig. Seinen Antrag auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1984 lehnte der Zulassungsausschuß für Steuerberater bei dem Senator für Finanzen (Beklagter) ab, weil der Kläger seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis zur Finanzverwaltung nicht beantragt hatte (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -). Mit der von ihm erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst, den Beklagten zu verpflichten, ihn zur Steuerberaterprüfung 1984 zuzulassen. Nachdem die schriftliche Prüfung ohne ihn durchgeführt worden war, beantragte er festzustellen, daß die Entscheidung des Zulassungsausschusses, mit der ihm die Teilnahme an der Steuerberaterprüfung 1984 versagt worden war, rechtswidrig sei. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab dem Feststellungsbegehren statt; es setzte den Streitwert auf 6 000 DM fest.
Der Beklagte legte gegen das Urteil des FG Revision ein. Er beantragte, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen und den Streitwert auf 12 000 DM festzusetzen. Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden hatte, daß es mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sei, wenn bereits die Zulassung von Angehörigen der Finanzverwaltung zur Steuerberaterprüfung davon abhängig gemacht werde, daß der Bewerber vorher seine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst beantragt habe (Beschluß vom 12. März 1985 1 BvL 25/83, 45/83 und 52/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1985, 335), nahm der Beklagte seine Revision zurück und beantragte Streitwertfestsetzung. Der Kläger stimmte der Rücknahme der Revision zu.
Entscheidungsgründe
1. Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt, da der Beklagte die Revision gemäß § 125 FGO zurückgenommen hat.
Nach § 136 Abs. 2 FGO hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenfolge im Falle der Rücknahme eines Rechtsmittels ergibt sich zwar unmittelbar aus dem Gesetz. Der Senat hält aber im Streitfall gemäß § 144 FGO eine Kostenentscheidung für sachgerecht, weil anzunehmen ist, daß der durch Rechtsanwälte vertretene Kläger Kostenerstattung verlangt (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 144 Anm. 4).
2. a) Der Antrag des Beklagten auf Streitwertfestsetzung durch das Gericht ist zulässig.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) wird der Wert des Streitgegenstandes, soweit er nicht bereits als Verfahrensstreitwert nach § 24 GKG festgesetzt worden ist, durch Beschluß des Prozeßgerichts festgesetzt, wenn dies eine Partei, ein Beteiligter oder die Staatskasse beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. Voraussetzung für die Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht auf Antrag eines Beteiligten ist, daß ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die begehrte gerichtliche Entscheidung besteht (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1974 I B 46/74, BFHE 115, 1, BStBl II 1975, 385; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., Vor § 135 FGO Tz. 100; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3 Tz. 10 735). Dieses kann grundsätzlich nicht schon deshalb verneint werden, weil auch der Kostenbeamte beim Kostenansatz (§ 4 GKG) den Streitwert festsetzen könnte oder er ihn bereits festgesetzt hat (Beschluß des erkennenden Senats vom 25. Juli 1978 VII R 69/76, BFHE 125, 353, BStBl II 1978, 599 m. w. N.). Der Wert des Streitgegenstandes ist - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Verfahrensfragen - kostenrechtlich von Bedeutung als Bemessungsgrundlage für die Gerichtskosten (§ 11 GKG) und als Bemessungsgrundlage für die Gebühren des bevollmächtigten Rechtsanwalts (§§ 9 bis 11 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO -, § 139 FGO). Zwar sind im Streitfall gegen den kostenpflichtigen Beklagten keine Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen, § 1 Abs. 1 GKG) festzusetzen, weil die Finanzbehörden des Bundes und der Länder in den Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit von der Zahlung der Kosten befreit sind (§ 2 Abs. 1 GKG). Das Rechtsschutzinteresse des Beklagten an der Streitwertfestsetzung folgt aber daraus, daß die kostenpflichtige Finanzbehörde dem obsiegenden Beteiligten die notwendigen Auslagen, und damit auch die Gebühren seiner Prozeßbevollmächtigten, die sich nach der Höhe des Streitwerts bemessen, erstatten muß (§ 139 Abs. 1 und 3 FGO).
b) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat hat seit 1976 den Streitwert in Verfahren, in denen es um die Zulassung zur Steuerbevollmächtigten- oder Steuerberaterprüfung geht, auf 8 000 DM bemessen (Beschluß vom 3. Februar 1976 VII B 54/75, BFHE 118, 145, BStBl II 1976, 383, und Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459). Dabei hat er berücksichtigt, daß die Frage der Zulassung zur Prüfung auch über die spätere Ausübung des angestrebten Berufs und das daraus erzielbare künftige Einkommen entscheidet, daß aber die Zulassung zum Beruf des Steuerbevollmächtigten oder Steuerberaters erst davon abhängt, daß der Bewerber die Prüfung, zu der er zugelassen werden will, auch besteht (BFHE 118, 145, BStBl II 1976, 383, 384). In Anknüpfung an seine Streitwertbemessung für die Zulassung zur Prüfung hat es das Gericht im Beschluß vom 16. Februar 1983 VII S 31/82 (BFHE 137, 574, BStBl II 1983, 422) für angemessen gehalten, den Streitwert dann, wenn es nicht um die Zulassung zur Prüfung, sondern um das Bestehen der (im Streitfall: Steuerbevollmächtigten-) Prüfung selbst geht, etwas höher, nämlich mit 10 000 DM anzusetzen. Der Senat sieht gegenwärtig keinen Anlaß, den Streitwert für Verfahren, in denen um die Zulassung zur Steuerberaterprüfung gestritten wird, über den bisher angenommenen Wert von 8 000 DM hinaus zu erhöhen.
Der Beklagte, der unter Hinweis auf die allgemeine Preisentwicklung und die angeblich gestiegenen Steuerberatereinkommen für den Streitfall einen Streitwert von 12 000 DM für angemessen hält, übersieht, daß das erzielbare Einkommen eines Steuerberaters nur eine von mehreren Komponenten darstellt, die für die Streitwertbemessung in Streitigkeiten über die Prüfungszulassung von Bedeutung sind. Im Hinblick darauf, daß erst vor zwei Jahren der Wert des Streitgegenstandes für Verfahren über das Bestehen der Prüfung, die unmittelbar zur Zulassung zum Beruf führt, mit 10 000 DM bemessen worden ist, erscheint es angemessen, an dem Streitwert von 8 000 DM für Verfahren über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung festzuhalten.
Der Senat sieht sich andererseits aber auch nicht veranlaßt, den Streitwert im Hinblick darauf niedriger zu bemessen, daß der Kläger im Klageverfahren zu einer Feststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO übergegangen ist. Dadurch änderte sich nichts daran, daß die Beteiligten über die Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung stritten. Bei der Streitwertbemessung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Ermessen des Gerichts können überdies Gesichtspunkte der Pauschalierung und Vereinfachung berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414078 |
BFH/NV 1985, 109 |