Entscheidungsstichwort (Thema)
„Doppelbesteuerung” bei treuhänderischem Erwerb eines Grundstücks
Leitsatz (redaktionell)
Die „Doppelbesteuerung” bei treuhänderischem Erwerb eines Grundstücks begegnet keinen (verfassungs)rechtlichen Bedenken.
Normenkette
GrEStG HA § 1 Abs. 1 Nr. 2; GrEStG HA § 1 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer zu 2 (Kläger) ist der Schwiegersohn der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Klägerin). Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13.November 1975 erwarben die Kläger als Miteigentümer je zur Hälfte ein 2 241 qm großes bebautes Grundstück. Da die Kläger erklärten, das Grundstück nach Abbruch des Gebäudes innerhalb von fünf Jahren mit einem voll grundsteuerbegünstigten Eigenheim bebauen zu wollen, stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) in zwei Bescheiden vom 5.Dezember 1975 den Erwerbsvorgang hinsichtlich einer Grundstücksteilfläche von 1 500 qm von der Grunderwerbsteuer frei und setzte die auf die Überfläche entfallende Grunderwerbsteuer auf je … DM fest.
Zwischen dem Kläger und der Klägerin bestand schon bei Abschluß des Vertrages ein Treuhandverhältnis dergestalt, daß die Klägerin treuhänderisch für den Kläger erworben hat. Die Treuhandvereinbarung wurde am 30.Dezember 1975 notariell beurkundet. Nachdem das FA von diesem Treuhandverhältnis erfahren hatte, nahm es gegenüber der Klägerin eine Nachversteuerung (§ 13 Abs.2 des Grunderwerbsteuergesetzes –GrEStG HA– vor und setzte mit Bescheid vom 20.Februar 1976 die anteilige Steuer von … DM entsprechend der bisher freigestellten Teilfläche fest mit der Begründung, daß „durch Begründung des Treuhandverhältnisses der steuerbegünstigte Zweck aufgegeben worden” sei.
Wegen Begründung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht hinsichtlich des von der Klägerin als Treuhänderin erworbenen hälftigen Miteigentumsanteils durch den Kläger setzte das FA durch Bescheid vom 4.März 1976 unter Zugrundelegung der anteiligen, auf die Überfläche entfallenden Gegenleistung Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM fest.
Nach erfolglosen Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben und die Aufhebung der beiden Steuerbescheide vom 20.Februar 1976 und 4.März 1976 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 28.Dezember 1979 begehrt sowie hilfsweise beantragt, das Verfahren nch Art.100 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob § 1 Abs.1 Nr.2, Abs.2 GrEStG HA insoweit mit dem GG vereinbar ist, als er die doppelte Heranziehung zur Grunderwerbsteuer im Falle des Erwerbs eines Grundstücks durch einen Treuhänder vorsieht. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Zur Begründung führen sie aus, die „Doppelbesteuerung” des Klägers verstoße gegen die Bindung des Gesetzgebers an das von ihm selbst gewählte System und sei demzufolge verfassungswidrig. Dasselbe gelte hinsichtlich der Besteuerung des treuhänderischen Erwerbers. Darüber hinaus wird die Beschwerde darauf gestützt, daß die Besteuerung nach dem GrEStG im Hinblick auf die weitgehende Aushöhlung durch Befreiungsvorschriften verfassungwidrig geworden sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Keine grundsätzliche Bedeutung kommt der von den Klägern aufgeworfenen Frage der grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen eines Grundstücksbeschaffungsauftrages zu.
Mit dem treuhänderischen Erwerb eines Grundstücks durch den Treuhänder wird der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG HA erfüllt. Gleichzeitig entsteht der dem Beschaffungsverhältnis innewohnende Anspruch des Treugebers als unbedingter Anspruch (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26.März 1980 II R 143/78, BFHE 130, 426, BStBl II 1980, 523; s. auch Urteil vom 7.Juli 1976 II R 151/67, BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12). Der Treugeber erlangt nämlich durch den Herausgabeanspruch die Verwertungsmöglichkeit i.S. des § 1 Abs.2 GrEStG HA. Das Entstehen einer „doppelten” Steuer –wenn auch mit jeweils unterschiedlichen Steuerschuldnern (vgl. § 25 Nr.1 GrEStG HA)– entspricht der Grundwertung der Grunderwerbsteuer, die in erster Linie den Grundstückswechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern besteuert –ohne daß es auf einen wirtschaftlichen Umsatz ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 5.Februar 1969 II R 29/66, BFHE 95, 287, BStBl II 1969, 400)– und daneben den Ersatztatbestand der Einräumung der Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs.2 GrEStG HA für besteuerungswürdig hält. Dabei ist es im Wesen der Grunderwerbsteuer begründet, daß der erlangte Anspruch auf Übereignung (§ 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG HA) auch dann der Steuer unterliegt, wenn dem Erwerber schon vorher Befugnisse i.S. von § 1 Abs.2 GrEStG HA eingeräumt waren (§ 1 Abs.5 Satz 1 GrEStG HA) oder wenn ihm trotz Übereignungsanspruchs diese Befugnisse vorenthalten blieben (§ 1 Abs.5 Satz 2 GrEStG HA). Aus § 1 GrEStG HA folgt auch, daß die Zurechnungsvorschriften (§ 11 des Steueranpassungsgesetzes, vgl. jetzt § 39 der Abgabenordnung) nicht anwendbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 3.April 1974 II 186/65, BFHE 112, 531, BStBl II 1974, 643).
Daß bei einem (treuhänderischen) Erwerb aufgrund Grundstücksbeschaffungsauftrages der Auftragnehmer die dem Auftraggeber entstehenden Aufwendungen zu ersetzen hat, folgt lediglich aus diesem zivilrechtlichen Verhältnis und liegt außerhalb der Besteuerung.
2. Auch den von den Klägern aufgeworfenen Verfassungsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Da die zweifache Erfassung bei treuhänderischem Erwerb nicht –wie die Kläger meinen– systemfremd ist, erhebt sich insofern keine Verfassungsfrage. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grunderwerbsteuer im allgemeinen gelten jedenfalls für den Erwerbszeitpunkt (1975) die Ausführungen des Beschlusses des Senats vom 4.April 1979 II B 48/78 (BFHE 127, 235, BStBl II 1979, 344).
Fundstellen