Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitserlaß bei rechtswidriger, aber bestandskräftiger (rechtskräftiger) Steuerfestsetzung
Leitsatz (NV)
Eine falsche, in Bestands- oder Rechtskraft erwachsene Steuerfestsetzung kann im Wege eines Billigkeitserlasses beseitigt werden, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines Verhaltens der Finanzverwaltung die Anfechtung des Bescheids unterlassen hat. Ermessensgerecht kann im Einzelfall auch ein Teilerlaß sein.
Normenkette
AO 1977 § 227 Abs. 1
Gründe
Nach der Entscheidung des Gesetzgebers geht die Bestandskraft (Rechtskraft) einer Steuerfestsetzung der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall vor. Dem Steuerpflichtigen wird zugemutet, seine Rechte und Interessen durch fristgerechte Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln zu sichern. Im Wege eines Billigkeitserlasses kann eine falsche, in Bestands- oder Rechtskraft erwachsene Steuerfestsetzung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber ausnahmsweise beseitigt werden, wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines Verhaltens der Finanzverwaltung die Anfechtung des Bescheids unterlassen hat. Bei derartigen Fallgestaltungen erscheint das Festhalten an der falschen Steuerfestsetzung treuwidrig. Jedoch gelten die Grundsätze von Treu und Glauben auch für das Verhalten des Steuerpflichtigen oder der Personen, die er mit der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten beauftragt hat; der Steuerpflichtige muß sich daher ein Verschulden seines Steuerberaters zurechnen lassen.
Bei der Entscheidung über einen Billigkeitserlaß bestandskräftig (rechtskräftig) festgesetzter Steuern sind also verschiedene Rechtsgüter (Rechtssicherheit und Bestandskraft einerseits sowie Rechtsrichtigkeit und Vertrauensschutz andererseits) und Verhaltensweisen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Dies kann dazu führen, daß die falsch festgesetzte Steuer insgesamt zu erlassen oder der Erlaß insgesamt abzulehnen ist. Ermessensgerecht kann aber auch ein Teilerlaß sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut (§ 227 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -; zur Möglichkeit eines Teilerlasses vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. August 1991 V R 78/86, BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906). Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hierin nicht.
Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 423160 |
BFH/NV 1993, 4 |