Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die durch Art. I Ziff. 8 des Gesetzes zur änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 BGBl. S. 95 (ß 7 e Buchst. d EStG 1950) eingeführte Bewertungsfreiheit für nach dem 31. Dezember 1948 erstellte Lagerhäuser findet für den Veranlagungszeitraum 1949 keine Anwendung.
Normenkette
EStG § 7e
Tatbestand
Der Streit geht um die Frage, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) eine Großhandelsfirma, für ein im Jahr 1949 erstelltes Lagerhaus, das die Voraussetzungen des § 7 e Abs. 1 zu d des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 (in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950, Bundesgesetzblatt S. 95, Art. I Ziff. 8) erfüllt, von der Bewertungsfreiheit für den Veranlagungszeitraum 1949 Gebrauch machen kann. Das Finanzamt hat den Antrag der Bfin. abgelehnt unter Verweisung auf § 51 EStG 1950 (Art. V des änderungsgesetzes), der vorschreibt, daß die Bestimmungen - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - erstmalig bei der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1950 Anwendung finden sollen.
Entscheidungsgründe
Das Finanzgericht ist dieser Auffassung beigetreten. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Sie kann zu keinem Erfolg führen. Die Bfin. hat Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Es erscheint angezeigt, einen Vorbescheid zu erlassen.
Das Einkommensteuergesetz in der für 1949 geltenden Fassung sah in § 7 e Bewertungsfreiheit für zwei Kategorien von Gebäuden vor, nämlich
für Fabrikgebäude, das sind nach Buchst. a - c Gebäude, die der Fertigung, der Bearbeitung oder der Wiederherstellung von Wirtschaftsgütern dienen,
für land- und forstwirtschaftliche Betriebsgebäude. Lagerhäuser, die ausschließlich der Lagerung von Waren dienen, die zum Absatz an Wiederverkäufer bestimmt sind oder für fremde Rechnung gelagert werden, gehören unzweifelhaft nicht in die Gruppe der Fabrikgebäude. Für sie war im Einkommensteuergesetz 1949 eine Vergünstigung nicht enthalten. Die Bestimmungen des § 7 e EStG 1949 sind klar und eindeutig. Einer Klarstellung durch eine Ergänzungsbestimmung - wie vielfach behauptet wird - bedurfte es nicht.
Die Begünstigung der Lagerhäuser, die nicht der Produktion, sondern dem Handel und dem Speditionsgewerbe dienen, ist durch das änderungsgesetz vom 29. April 1950 in das Einkommensteuergesetz aufgenommen worden. Damit ist der Kreis der begünstigten Gebäude um eine dritte Kategorie erweitert worden. Daß die Aufnahme eine Erweiterung bedeutet, ergibt sich unmißverständlich aus der Gegenüberstellung der für 1949 und der für 1950 geltenden Fassungen. Dies wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des Art. I Ziff. 8 des änderungsgesetzes. Nach den Bundestagsdrucksachen hat der Berichterstatter des Bundestages in der 42. Sitzung einen "überblick" über die vorgesehenen Bestimmungen des änderungsgesetzes gegeben. Er hat bei § 7 e (Art. I Ziff. 8) ausgeführt:
"Auch § 7 e, der sich bisher auf die steuerbegünstigte Wiederherstellung von Fabrikbauten beschränkt, hat eine Erweiterung in der Form erfahren, daß nunmehr auch Lagerhäuser mit aufgenommen sind. Es hat sich ergeben, daß gerade Lagerhäuser, insbesondere in Hafengeländen, besonders schwer gelitten haben, und daß demgemäß auch die Wiederherstellung dieser Gebäude steuerlich unbedingt begünstigt werden mußte. Die Einschränkung besteht allerdings darin - und das war notwendig, um unnötige Lagerbauten zu vermeiden -, daß die Lagerhäuser ausschließlich der Lagerung von Waren, die zum Absatz an Wiederverkäufer bestimmt sind oder für fremde Rechnung gelagert werden, dienen müssen. In dem Zusammenhang möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Errichtung von Fabriklagern zur Zeit schon im Rahmen des § 7 e steuerbegünstigt war, wenn der Wert unter 20 % des gesamten Areals lag."
Die Bewertungsfreiheit ist also auf Drängen der an der Einbeziehung der Lagerhäuser interessierten Wirtschaftsgruppen erweitert worden.
Danach bleibt zu prüfen, für welchen Veranlagungszeitraum die erweiterte Bewertungsfreiheit Anwendung finden soll. Das änderungsgesetz hat in Art. V (ß 51 EStG 1950) - von Ausnahmen abgesehen - die erstmalig Auswirkung der neuen Bestimmungen für 1950 vorgeschrieben.
Der Bfin. ist zuzugeben, daß die Form, in der die erweiterte Bewertungsfreiheit in das Einkommensteuergesetz aufgenommen worden ist, zu Zweifeln Anlaß geben kann.
Die Fassung, die § 7 e im Einkommensteuergesetz 1950 erhalten hat, mag dazu verführen anzunehmen, daß die Bewertungsfreiheit in gleicher Weise für die nunmehr begünstigten drei Kategorien, sofern die Gebäude nach dem 31. Dezember 1948, aber im Jahre 1949 hergestellt sind, für das Jahr der Herstellung (Veranlagungszeitraum 1949) und das folgende Jahr (Veranlagungszeitraum 1950) Anwendung finden soll.
Der Senat sieht jedoch die Fassung, die der § 7 e im Einkommensteuergesetz 1950 erhalten hat, nicht als entscheidend an, wo sie der ausdrücklichen Vorschrift des § 51 EStG 1950 über das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen widerspricht. Er ist der Auffassung, daß die Auslegung, die er dem § 7 e EStG 1950 gibt, im Zusammenhang mit § 51 EStG 1950 und § 59 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDVO) 1950 dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Die entstandenen Zweifel wären vermieden worden, wenn das änderungsgesetz sich nicht auf die Aufnahme der Lagerhäuser in die überschrift des § 7 e und auf die Einfügung des Buchst. d beschränkt, sondern die Ausdehnung der Bewertungsfreiheit auf Lagerhäuser in einer Zusatzbestimmung, etwa § 7 f, ausgesprochen hatte. § 12 Abs. 2 EStDVO 1950, der vorsieht, daß die Bewertungsfreiheit auch bei Vorliegen mehrerer Zwecke zu gewähren ist, kommt nur zu Raum, wenn die Voraussetzungen für die verschiedenen Arten der Gebäude im gleichen Jahr zusammentreffen. Dies kann für ein im Jahr 1949 erstelltes Gebäude vom Jahr 1950 ab der Fall sein. Die Vorschrift besagt für die hier zur Entscheidung stehenden Frage, in welchem Jahr erstmalig das Zusammenfallen verschiedener begünstigter Zwecke möglich ist, nichts. Der Senat tritt mithin der in den Einkommensteuer-Richtlinien 1950 Abschn. 79 Abs. 3 zum Ausdruck gebrachten Auffassung bei.
Da die angefochtene Entscheidung nicht von Rechtsirrtum beeinflußt ist, unterliegt die Rb. mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung der Zurückweisung.
Auf den Bescheid des Senats vom 1. April 1952 hat die Beschwerdeführerin (Bfin.) erneut mündliche Verhandlung beantragt.
Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung gibt dem Senat keine Veranlassung, von der sich aus dem Bescheide ergebenden Beurteilung abzugehen.
Der Senat hält daran fest, daß es sich bei der Einführung der Bewertungsfreiheit für Lagerhäuser um eine Erweiterung und nicht um eine Klarstellung der bisherigen Bestimmungen (1949) handelt. Wenn eine Novelle bestehende Vorschriften erweitert, dann ist es ihre Aufgabe zu bestimmen, von welchem Zeitpunkt an, d. h. für welchen Veranlagungszeitraum die neuen Bestimmungen Anwendung finden sollen. Dies ist in unmißverständlicher Weise geschehen. Die Bestimmung des § 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 in der Fassung des änderungsgesetzes steht mit dem § 7 e Abs. 1 zu d a. a. O. nicht im Widerspruch: Die Absetzung bis zu je 10 v. H. der Herstellungskosten darf erfolgen für Lagerhäuser, die nach dem 31. Dezember 1948 hergestellt worden sind, und zwar für das Jahr der Herstellung und für das folgende Jahr mit der Einschränkung, daß die Absetzung für 1949 ausscheiden muß, weil die neue Bestimmung erstmalig für den Veranlagungszeitraum 1950 gilt. Diese Auslegung entspricht der in den Einkommensteuer-Richtlinien 1950 Abschn. 79 Abs. 3 vertretenen Auffassung. Abschn. 79 Abs. 3 stellt keine Milderungsvorschrift dar, der es bei richtiger Auslegung des Gesetzes gar nicht bedurft hätte. Nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beschränkung der Bewertungsfreiheit erstmalig auf das Jahr 1950 gegen Treu und Glauben verstoßen soll, wie der Vertreter der Bfin. in der Verhandlung darzutun sich bemüht hat. Ein Steuerpflichtiger kann auf Grund neuer Bestimmungen erst von dem Augenblick an geschäftliche Dispositionen treffen, in dem die endgültige Fassung der Bestimmungen veröffentlicht worden ist. Aus der veröffentlichten Fassung war zu ersehen, daß das änderungsgesetz für die Veranlagung 1949 noch keine Anwendung finden kann. Zur Entscheidung, ob Billigkeitsmaßnahmen gerechtfertigt sind, ist der Senat nicht zuständig.
Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407450 |
BStBl III 1952, 197 |
BFHE 1953, 506 |
BFHE 56, 506 |