Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung des Vorwegabzugs bei Bezug von Übergangsgebührnissen
Leitsatz (NV)
1. Der Vorwegabzug ist auch aufgrund von Arbeitslohn zu kürzen, der nach Beendigung eines Dienstverhältnisses i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG in einem späteren Veranlagungszeitraum vereinbarungsgemäß gezahlt wird, in dem keine Alterversorgungsansprüche i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG mehr entstehen (Rechtsprechung).
2. Übergangsgebührnisse i.S. des § 11 Abs. 1 SVG sind nachträgliche Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, jedoch keine Versorgungsbezüge i.S.d. § 19 Abs. 2 EStG. Sie sind dem früheren sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis zuzurechnen, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige einige Versorgungsanwartschaften erworben hat bzw. von seinem Dienstherrn in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden ist.
3. Der Vorwegabzug gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG ist bei Beziehern sog. Übergangsgebührnisse, die zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG gehören, zu kürzen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 1, § 10c Abs. 3 Nr. 1, § 19 Abs. 2, § 24 Nr. 2; SVG § 11
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hatte als Disponent einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 52 321 DM bezogen. Daneben hatte er als ehemaliger Soldat von der Wehrbereichsverwaltung Übergangsgebührnisse in Höhe von 39 123 DM erhalten. Die Klägerin hatte keine Einkünfte. In der Einkommensteuererklärung beantragten die Kläger die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben in Höhe von 13 983 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte im Einkommensteuerbescheid 1999 vom 30. Mai 2000 lediglich Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7 830 DM steuermindernd an, wobei er den Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Höhe von 12 000 DM um 16 v.H. der Summe aus dem Arbeitslohn als Disponent und den Übergangsgebührnissen und damit zur Gänze kürzte. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 261). Bei den gemäß § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) bezogenen Übergangsgebührnissen handele es sich um nachträglichen Arbeitslohn aus einem früheren sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis, in dessen Rahmen der Kläger eigene Versorgungsanwartschaften erworben habe bzw. vom Dienstherrn in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern gewesen sei. Bezogen auf dieses Beschäftigungsverhältnis habe er als Zeitsoldat zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört. Die Übergangsgebührnisse seien auch keine Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG, die bei der Summe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit außer Ansatz blieben.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, das Urteil verletze die Kürzungsregelung in § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG. Es müsse unterschieden werden zwischen den Einnahmen aus dem aktiven Dienstverhältnis bei der Bundeswehr --die zur Kürzung des Vorwegabzugs führten-- und den Übergangsgebührnissen aus dem passiven Dienstverhältnis. Übergangsgebührnisse würden ehemaligen Soldaten auf Zeit zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes während einer Übergangszeit gewährt; die Zahlung beruhe auf einer anderen Rechtsgrundlage als die Zahlung aus dem aktiven Dienstverhältnis. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergebe sich, dass die Kürzung nur den Arbeitslohn erfassen solle, der mit der Altersversorgung zusammenhänge; das sei hinsichtlich der Übergangsgebührnisse nicht der Fall, da für diese keine Nachversicherung geleistet werde. Ob noch ein weiteres (sozialversicherungspflichtiges) Arbeitsverhältnis bestanden habe, sei unerheblich.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 30. Mai 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2000 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung einer Kürzung des Vorwegabzugs aus einem Bruttoarbeitslohn des Klägers von nur 52 321 DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Übergangsgebührnisse seien Ausfluss aus der Tätigkeit des Klägers als Zeitsoldat, als er zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG gehört habe. Außerdem habe er nach Bestätigung der Wehrbereichsverwaltung nachrangig Anspruch auf Beihilfe gehabt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA hat den Vorwegabzug für das Streitjahr auch im Hinblick auf die dem Kläger als ehemaligem Zeitsoldaten ausgezahlten Übergangsgebührnisse zu Recht gekürzt.
1. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung steht zusammen veranlagten Ehegatten für sog. Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein Vorwegabzug von 12 000 DM zu. Der Vorwegabzug ist gemäß Satz 2 Buchst. a dieser Vorschrift um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG --ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG-- zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.
Erzielt ein Steuerpflichtiger aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind bei der Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) nur die Einnahmen aus solchen Beschäftigungsverhältnissen in die Bemessungsgrundlage "Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit" einzubeziehen, in deren Zusammenhang der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht hat oder bei denen der Steuerpflichtige (Arbeitnehmer) zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 54/03, BFHE 205, 442, BStBl II 2004, 720).
Nachgezahlter Arbeitslohn, der einem aktiven Beschäftigungsverhältnis zuzurechnen ist, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige durch Zukunftssicherungsausgaben des Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 62 EStG oder durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG begünstigt worden ist, führt auch dann zur Kürzung des Vorwegabzugs, wenn er erst nach Beendigung der aktiven Tätigkeit in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Auszahlung an den Steuerpflichtigen gelangt und in diesem Veranlagungszeitraum derartige Ausgaben nicht mehr erbracht oder derartige Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben werden (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2006 X R 38/05, BFH/NV 2007, 1016, zur Veröffentlichung bestimmt; vom 17. Mai 2006 X R 19/05, BFH/NV 2006, 2049, und vom 26. September 2006 X R 7/05, BFH/NV 2007, 34).
2. Ausgehend von den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat das FG die Voraussetzungen für eine Kürzung des Vorwegabzugs auch hinsichtlich der im Streitjahr erhaltenen Übergangsgebührnisse zu Recht bejaht.
Nach § 11 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten auf Zeit mit einer Wehrdienstzeit von mindestens vier Jahren abhängig von der Dauer der Dienstzeit Übergangsgebührnisse, wenn ihr Dienstverhältnis wegen Ablaufs der Zeit, für die sie in dieses berufen sind, oder wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf ein grobes Verschulden zurückzuführen ist, endet. Dabei handelt es sich um Arbeitslohn aus einem früheren sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis, in dessen Rahmen der Kläger eigene Versorgungsanwartschaften erworben hatte bzw. von seinem Dienstherrn in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden ist, so dass er zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.
a) Den Klägern kann nicht darin gefolgt werden, die Zahlung der Übergangsgebührnisse gemäß § 11 SVG beruhe auf einer anderen Rechtsgrundlage als dem aktiven Dienstverhältnis. Vielmehr handelt es sich insoweit um nachträgliche Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 19 EStG), die jedoch keine Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG darstellen.
In § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, was als Versorgungsbezug im Einzelnen anzusehen ist. Danach sind u.a. Versorgungsbezüge Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die "als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, Unterhaltsbeitrag oder als gleichartiger Bezug" gewährt werden. Die Bezüge des Klägers sind in § 11 Abs. 1 SVG ausdrücklich als "Übergangsgebührnisse" bezeichnet. Sie werden also weder als Ruhegehalt noch als Witwen- oder Waisengeld noch als Unterhaltsbeitrag gewährt. Es handelt sich auch nicht um einen gleichartigen Bezug, wie sich aus der gesetzlichen Regelung und dem Vergleich zu Berufssoldaten, zu denen die Soldaten auf Zeit nicht gehören, ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 1. März 1974 VI R 47/71, BFHE 111, 516, BStBl II 1974, 490, und vom 21. August 1974 VI R 243/71, BFHE 113, 370, BStBl II 1975, 62).
Außerdem unterscheidet sich der Zweck der zeitlich begrenzten Übergangsgebührnisse von den in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG namentlich aufgeführten Versorgungsbezügen. Mit ihnen soll der ehemalige Soldat während der Fachausbildung für einen neuen Beruf wirtschaftlich gesichert bzw. der Aufbau einer beruflichen Existenz und die Beschaffung der zur Ausübung des Berufes notwendigen Mittel ermöglicht werden und für qualifizierte Soldaten ein Anreiz geschaffen werden, sich für eine längere Wehrdienstzeit zu verpflichten und die mit einem späteren Berufswechsel verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen (vgl. Regierungsbegründung zum Entwurf des SVG BTDrucks 2/2504 zu § 10 SVG, S. 34 f.; Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 22. September 1976 7 RAr 24/75, BSGE 42, 203, 209).
Darauf, ob der Kläger während des Bezugs der Übergangsgebührnisse in einem --wie die Kläger meinen-- passiven Dienstverhältnis zu seinem früheren Dienstherren stand, kommt es demgegenüber nicht an. Wirtschaftlicher Anknüpfungspunkt für die Zahlung der Übergangsgebührnisse bleibt das aktive Dienstverhältnis, der Kläger erhält die bereits zum Zeitpunkt seines aktiven Dienstbeginns absehbaren in § 11 SVG festgelegten Zahlungen im Hinblick auf seine frühere aktive Tätigkeit.
b) Die Frage, ob der Vorwegabzug auch dann zu kürzen ist, wenn der vereinnahmte Arbeitslohn zwar einem aktiven Beschäftigungsverhältnis wirtschaftlich zuzurechnen ist, in dessen Verlauf die gesetzlichen Kürzungsvoraussetzungen --hier des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG-- vorgelegen haben, er jedoch erst nach Beendigung der aktiven Tätigkeit in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Auszahlung an den Steuerpflichtigen gelangt, ist durch die BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2049, und in BFH/NV 2007, 34 geklärt.
Nach diesen Entscheidungen, auf deren Begründung der Senat verweist, ist im Falle einer nachträglichen Lohnzahlung, die einem aktiven Beschäftigungsverhältnis wirtschaftlich zuzurechnen ist, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG begünstigt worden ist, der Vorwegabzug auch dann zu kürzen, wenn der Lohn erst nach Beendigung der aktiven Tätigkeit in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt worden ist und in diesem Veranlagungszeitraum derartige Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben werden. Der Umstand, dass der Kläger hinsichtlich der Übergangsgebührnisse im Streitjahr keine Altersversorgungsansprüche i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG erlangt hat, ist insoweit unbeachtlich, weil es entscheidend auf das Beschäftigungsverhältnis ankommt, dem die nachträglichen Zahlungen zuzurechnen sind (BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2049, und in BFH/NV 2007, 34, jeweils unter II.3.c) und in dessen Verlauf der Kläger einen bestimmten Versorgungsstatus erreicht hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1016, unter B.II.2.d aa). Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob für die Zahlungen im Streitjahr eine Nachversicherung vorgenommen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 1834056 |
BFH/NV 2008, 31 |