Leitsatz (amtlich)

1. Zollgut kann, wenn dafür ein anzuerkennendes Bedürfnis besteht, auf Antrag zu je nach Eingangsabgabenart unterschiedlichen Verkehren abgefertigt werden, insbesondere zollrechtlich zum freien Verkehr und verbrauchsteuerrechtlich zu einem gebundenen Verkehr.

2. Die Abfertigung zur Zollgutverwendung setzt materiell-rechtlich eine begünstigende Rechtsvorschrift voraus; eine Billigkeitsregelung der Verwaltung ersetzt diese Voraussetzung nicht.

 

Orientierungssatz

1. Rechtfertigen im Falle des Absehens von einer Zollbeschau die vom FG getroffenen Feststellungen über die Plombierung des Bahnkesselwagens, die Unversehrtheit der Verschlüsse bei der Gestellung und die Belassung der Zollplomben nach der Abfertigung den Schluß, daß der Verlust des eingeführten Rohbrandes erst nach beendeter Abfertigung eingetreten ist, so ist davon auszugehen, daß der Rohbrand zur Zeit der Abfertigung noch körperlich vorhanden war. Ob sich dies bereits aus der Vermutung des § 17 Abs. 2 ZG ergibt, konnte dahinstehen.

2. Antrag auf Abfertigung zum freien Verkehr von aus Frankreich in einem plombierten Bahnkesselwagen eingeführtem, zur Reinigung bestimmtem Rohbrand, Abfertigung durch das HZA ohne Zollbeschau, nur Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt), Übernahme des Rohbrandzugangs in eine "Rohbrandüberwachungsliste", Überlassung des verplombten Wagens der Deutschen Bundesbahn, später Feststellung, daß der auf dem Bahngelände stehende Wagen geleert war: Der als Gemeinschaftsgut zollfreie Rohbrand, der --neben dem Monopolausgleich für eingeführten Branntwein aus Wein-- noch der EUSt unterlag, war antragsgemäß zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich zum freien Verkehr abgefertigt worden. Monopolrechtlich war der Rohbrand nicht zum freien Verkehr --auch nicht zum freien Verkehr unter Zweckbindung-- abgefertigt worden, aber auch nicht zu einer bleibenden (Steuergut-)Verwendung der Antragstellerin, aus der er mit der Wirkung als entnommen hätte gelten können, daß Monopolausgleich in der Person der Antragstellerin entstand. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Steuerschuldner des Monopolausgleichs ließ sich auch nicht auf § 154 Abs. 1 BranntwMonG i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZG a.F. --jetzt § 58 Abs. 1 S. 1 ZG i.d.F. vom 12.9.1980-- gründen. Im Streitfall mußte davon ausgegangen werden, daß der Rohbrand überhaupt nicht im Rechtssinne (monopolrechtlich) abgefertigt, sondern im allgemeinen Steuergutverkehr geblieben ist. Aus dem allgemeinen (Steuergut-)Verkehr konnte er nicht mit abgabenrechtlicher Wirkung zu Lasten einer bestimmten Person entnommen werden, sondern nur Gegenstand einer vorschriftswidrigen Verfügung sein. Abgabenschuldner ist dann, wer erstmals die Zollvorschriften nicht beachtet.

3. § 177 BranntwMonG mochte den BMF berechtigen, eine Vergünstigung entsprechend der Erlaßregelung im Schreiben vom 10.5.1971 III A 2 - V 7166 - 8/71 zuzulassen, doch konnte dies nicht mit der Wirkung geschehen, daß damit die (Zugangs-)Voraussetzung einer Abfertigung von Rohbrand zur bleibenden Verwendung ersetzt wurde.

 

Normenkette

BranntwMonG § 151 Abs. 1, § 154 Abs. 1, § 177; ZG § 55 Abs. 1, 8-9, § 57 Abs. 1-2, § 58 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 17 Abs. 2; AZO §§ 126, 127 Abs. 1, 5

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte am 25.Januar 1980 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--), aus Frankreich in einem plombierten Bahnkesselwagen eingeführten, zur Reinigung bestimmten Rohbrand, der im gemeinschaftlichen Versandverfahren von der deutschen Grenze befördert worden war, zum "freien Verkehr" abzufertigen. Das HZA fertigte ohne Zollbeschau ab, setzte nur Einfuhrumsatzsteuer fest, übernahm den Rohbrandzugang in einer "Rohbrand- Überwachungsliste" und vermerkte im Zollbefund des Zollpapiers, die Branntweinabgaben würden nach der nach dem Feinbrand vorhandenen Weingeistmenge berechnet. Einen Freigabevermerk enthält das Zollpapier nicht. Der Wagen wurde verplombt der Deutschen Bundesbahn überlassen. Am 4.Februar 1980 wurde festgestellt, daß der noch auf dem Bahnhofsgelände stehende Wagen, von dem Zollplomben entfernt worden waren, geleert war. Das HZA forderte darauf von der Klägerin als Steuerschuldner für 60 500 l Rohbrand Monopolausgleich an.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Eine Monopolausgleichschuld der Klägerin sei entstanden, zwar nicht bei der Abfertigung, weil der Rohbrand nicht freigegeben worden sei, sondern weiter unter zollamtlicher Überwachung gestanden habe, wohl aber durch Entnahme aus einer bleibenden Verwendung der Klägerin, zu der --antragsgemäß-- monopolrechtlich abgefertigt worden sei, entsprechend dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 10.Mai 1971 III A 2 - V 7166 - 8/71. Es sei davon auszugehen, daß der eingeführte Rohbrand zur Zeit der Abfertigung noch vorhanden gewesen sei. Fehlendes Verwendungsgut gelte als entnommen, sofern der Verwender nicht die zweck- und fristgerechte Entnahme oder den Untergang nachweise (§ 55 Abs.8 Satz 2 des Zollgesetzes --ZG--). Untergang liege nicht vor, weil der Verlust nicht ohne menschliches Zutun entstanden sei.

Gegen dieses Urteil wendet die Revision der Klägerin ein, der BMF-Erlaß vom 10.Mai 1971, der die Grundlage für die monopolausgleichsrechtliche Behandlung bilde, treffe weder ausdrücklich noch durch Verweisung Regelungen zum Entstehen der Monopolausgleichschuld und zur Person des Schuldners. Auch die bedenklich unklare branntweinmonopolrechtliche Verweisung auf die sinngemäß geltenden Zollvorschriften könne nicht dazu führen, daß § 55 ZG in Betracht komme, zumal zollamtliche Überwachung auch ohne Zusammenhang mit einem besonderen Zollverkehr bestehen könne. Es gehe im Streitfall auch nicht, wie bei der bleibenden Verwendung, um Abgabenfreiheit oder -ermäßigung, sondern nur um den Aufschub der Monopolausgleichschuld auf den Zeitpunkt der Reinigung und auf der Grundlage des durch den Feinbrand erzeugten Alkohols. Mangels Abfertigung zu einer ihr --Klägerin-- bewilligten bleibenden Verwendung scheide eine ihr abgabenrechtlich zuzurechnende Entnahme aus diesem Verkehr aus.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheids (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Klägerin schuldet den gegen sie festgesetzten Monopolausgleich nicht, weil der Rohbrand für sie weder tatsächlich noch fiktiv zum monopolrechtlich freien Verkehr und auch nicht zu einer bleibenden Verwendung abgefertigt worden ist, der Verlust des Rohbrandes nach der Abfertigung nicht nach einer monopolrechtlichen Freigabe eingetreten ist und er auch keine der Klägerin abgabenrechtlich zuzurechnende Entnahme bewirkt hat.

1. Der Senat hat davon auszugehen, daß der Rohbrand zur Zeit der Abfertigung noch körperlich vorhanden war. Es kann dahinstehen, ob sich dies, wie vom FG angenommen, bereits aus der Vermutung nach § 17 Abs.2 ZG ergibt. Jedenfalls rechtfertigen die vom FG getroffenen Feststellungen über die Plombierung des Bahnkesselwagens, die Unversehrtheit der Verschlüsse bei der Gestellung und die Belassung der Zollplomben nach der Abfertigung --Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO)-- den Schluß, daß der Verlust erst nach beendeter Abfertigung eingetreten ist.

2. Das FG wertet das Abfertigungsgeschehen rechtsfehlerfrei dahin, daß der als Gemeinschaftsgut zollfreie Rohbrand, der --neben dem Monopolausgleich für eingeführten Branntwein aus Wein (§ 151 Abs.1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol --BranntwMonG--; vgl. auch Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- V 2363 -2 Abs.2)-- noch der Einfuhrumsatzsteuer unterlag, antragsgemäß zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich zum freien Verkehr abgefertigt worden ist. Das FG hat festgestellt --gleichfalls für den Senat bindend--, der Abfertigungsantrag der Klägerin habe sich --wie auch von dem Abfertigungsbeamten verstanden-- "nur auf die Einfuhrumsatzsteuer" bezogen, während der Rohbrand "monopolrechtlich nach dem BMF-Erlaß" hätte behandelt werden sollen, und ausgeführt, eine Festsetzung von Monopolausgleich oder eine Freistellung von dieser Abgabe sei nicht erfolgt; der Rohbrand sei auch nicht (vorzeitig) freigegeben worden, sondern, weiter unter Zollverschluß stehend, unter zollamtlicher Überwachung verblieben. Daß es der Klägerin gestattet gewesen wäre, die Nämlichkeitsmittel selbst zu entfernen (vgl. § 18 Abs.3 ZG), hat das FG nicht festgestellt. Dies zusammen mit den vom FG getroffenen Feststellungen, gegen die das HZA Gegenrügen nicht erhoben hat, rechtfertigt den vom FG gezogenen Schluß, daß eine Monopolausgleichschuld der Klägerin weder nach § 36 Abs.3 Satz 1 und 2 ZG (in der vor Inkrafttreten des 17.Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 12.September 1980, BGBl I 1980, 1695, geltenden Fassung) noch nach § 36 Abs.3 Satz 4, § 38 Abs.1 Satz 2 ZG a.F. noch nach § 58 Abs.1 Satz 1 ZG a.F., jeweils in Verbindung mit § 154 Abs.1 Satz 1 und 2 BranntwMonG, entstanden ist.

Der Senat sieht kein grundsätzliches Bedenken, die von ihm früher (Urteil vom 24.Februar 1976 VII R 103/73, BFHE 118, 486, 490 f.) offengelassene Frage, ob eine Ware zoll- und verbrauchsteuerrechtlich zu unterschiedlichen Verkehren (§ 9 Abs.1 ZG) abgefertigt werden kann, nunmehr zu bejahen. Bezogen auf den Streitfall bestand die Möglichkeit, den Rohbrand zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich zum freien Verkehr abzufertigen --mit Freigabe insoweit--, ihn aber monopolrechtlich in anderer Weise zu behandeln. Von der Möglichkeit unterschiedlicher Abfertigungsanträge --gerichtet auf Abfertigung von Drittlandsgut zum zollrechtlich, nicht steuerrechtlich freien Verkehr-- geht inzwischen auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht aus (vgl. Art.23 der Richtlinie 79/695/EWG des Rates vom 24.Juli 1979 zur Harmonisierung der Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 205/19; dazu VSF Z 1001 Abs.2; s. ferner Olbertz in Regul, Gemeinschaftszollrecht, 1.Aufl., 1982 S.814); sie ist darüberhinaus in der Verwaltungspraxis anerkannt und trägt praktischen Bedürfnissen Rechnung (vgl. auch VSF Z 8224 Abs.6; Christiansen in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, E I/21 Rdziff.17). Es ist auch begrifflich nicht ausgeschlossen, die nämliche Ware einerseits freizugeben, damit die Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr zu beenden, und sie in anderer eingangsabgabenrechtlicher Beziehung in einen gebundenen Verkehr zu überführen. Denn die Wirkung der Freigabe beschränkt sich auf denjenigen eingangsabgabenrechtlichen Bereich, auf den die antragsbestimmte Abfertigung sich bezieht. Nicht zum Wesen der Freigabe gehört, daß sie die Möglichkeit freier Verfügung auch in anderer eingangsabgabenrechtlicher Hinsicht eröffnet.

Daß der Rohbrand ohne Rücksicht auf die zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtliche Abfertigung nicht in den monopolrechtlich freien Verkehr gelangt ist, ergäbe sich im übrigen selbst dann, wenn mangels der Möglichkeit tatsächlicher freier Verfügung über die Ware eine in zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlicher Hinsicht wirksame Freigabe zu verneinen wäre. Auch in diesem Falle läge eine monopolrechtliche Freigabe nicht vor.

3. Monopolrechtlich war der Rohbrand nicht zum freien Verkehr --auch nicht zum freien Verkehr unter Zweckbindung (§ 39 ZG in der vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 12.September 1980 geltenden Fassung)-- abgefertigt worden, aber auch nicht, wie das FG meint, zu einer bleibenden (Steuergut-)Verwendung (§ 154 Abs.1 Satz 1 und 2 BranntwMonG, § 55 Abs.1, 4 und 5 Satz 2 ZG, § 126 der Allgemeinen Zollordnung --AZO--) der Klägerin, aus der er mit der Wirkung als entnommen hätte gelten können, daß Monopolausgleich in der Person der Klägerin entstand (§ 55 Abs.8 und 9 ZG in Verbindung mit den branntweinmonopolrechtlichen Vorschriften). Es kann hier offenbleiben, ob aus den Feststellungen des FG über den Willen der an der Abfertigung Beteiligten --monopolrechtliche Behandlung der Ware "nach dem BMF-Erlaß"-- zu schließen ist, es sei eine Abfertigung zu einer bleibenden Steuergutverwendung der Klägerin bezweckt gewesen. Auch wenn dies zuträfe, wäre eine solche Abfertigung nicht erfolgt.

§ 154 Abs.1 BranntwMonG verweist, wie viele andere Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts für eingeführte verbrauchsteuerbare Waren, in rechtlich unbedenklicher Weise auf die Vorschriften des ZG (jetzt: die Vorschriften für Zölle), die sinngemäß gelten sollen, u.a. für die Entstehung der Abgaben, den maßgebenden Zeitpunkt, die Person des Abgabenschuldners und, vorbehaltlich anderweitiger Bestimmung durch Rechtsverordnung des BMF (§ 154 Abs.3 BranntwMonG), für das Steuerverfahren. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 55 ZG über die Zollgutverwendung. Die Abfertigung zur Zollgutverwendung setzt, wie sich aus § 55 Abs.1 Satz 1 ZG ergibt, eine begünstigende Vorschrift voraus, nach der die Zollfreiheit oder -ermäßigung davon abhängt, daß Zollgut unter zollamtlicher Überwachung verwendet wird. Diese Vorschrift muß normativen Charakter haben, "Gesetz" sein; erst sie ermöglicht als primäre (materielle) Voraussetzung die Abfertigung zur --bewilligungsgebundenen-- Zollgutverwendung (Senat, Urteil vom 24.Januar 1967 VII 285/63, BFHE 88, 189, 192, BZBl 1967, 651; Lenkewitz, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1964, 68 f.; Bail/Schädel/Hutter, a.a.O., B/55 Rz.7).

Auch bei nur sinngemäßer Anwendung von § 55 ZG wäre eine solche Norm als Grundlage für die Inanspruchnahme des Verfahrens der bleibenden Verwendung erforderlich. An ihr fehlt es hier. Der BMF-Erlaß vom 10.Mai 1971, durch den sich der BMF aus Billigkeitsgründen damit einverstanden erklärt hatte, daß der Monopolausgleich für mit Reinigungsgenehmigung der Bundesmonopolverwaltung eingeführten Rohbrand aus Wein auf Antrag für die nach dem Feinbrand vorhandene Weingeistmenge erhoben wird --unter Überwachung der Verarbeitung zu Weindestillat wie bei zur bleibenden Verwendung abgefertigtem Brennwein (§ 151 Abs.3 BranntwMonG a.F.)--, konnte die fehlende Rechtsnorm schon in formeller Hinsicht nicht ersetzen. § 177 BranntwMonG mochte den BMF berechtigen, eine Vergünstigung entsprechend der Erlaßregelung zuzulassen, doch konnte dies --falls überhaupt beabsichtigt-- nicht mit der Wirkung geschehen, daß damit die (Zugangs-)Voraussetzung einer Abfertigung von Rohbrand zur bleibenden Verwendung, wie sie durch eine begünstigende Rechtsvorschrift geschaffen wird, ersetzt wurde. Wäre das möglich, so hätte es die Verwaltung in der Hand, dem Beteiligten nachteilige Folgen zu bestimmen, die im Verfahrensablauf eintreten können (hier durch fiktive Entnahme aus dem Verkehr). Das aber ist wegen des Vorbehalts des Gesetzes (vgl. Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes) ausgeschlossen. Auch der vom FG angenommene Zweck der Erlaßregelung, eingeführten Rohbrand so zu behandeln wie eingeführten Brennwein, ihn aber nicht besser als diesen zu stellen, kann es nicht rechtfertigen, über das Fehlen der Rechtsgrundlage hinwegzusehen. Diesem Zweck hätte im übrigen, unbeschadet einer die Inanspruchnahme der Billigkeitsregelung gewährleistenden Sicherung, durch vorzeitige Freigabe --vor Bekanntgabe eines Abgabenbescheids, der erst nach der Feindestillation erteilt worden wäre-- entsprochen werden können, weil dann der Zollbeteiligte schon mit der Freigabe Abgabenschuldner geworden wäre und er das Risiko nachträglichen Verlustes selbst getragen hätte (Senat, Urteil vom 17.Dezember 1974 VII R 111/72, BFHE 115, 82 f.). Der BMF-Erlaß vom 10.Mai 1971, nach dem auf die Entrichtung und den Aufschub des Monopolausgleichs § 80 Abs.2 bis 4 BranntwMonG (Branntweinaufschlag) sinngemäß anzuwenden war, schloß ein solches Vorgehen zumindest nicht ausdrücklich aus. Gerade diesen Weg hat das HZA indessen nicht eingeschlagen, wie sich aus den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz ergibt.

War der Rohbrand aber nicht zu einer bleibenden Verwendung der Klägerin abgefertigt worden, so konnte der nach der Abfertigung eingetretene Verlust der Ware nicht der Klägerin als Entnahme abgabenrechtlich zugerechnet werden. Auf die vom FG verneinte Frage, ob die Ware untergegangen sei (vgl. § 55 Abs.8 Satz 2 ZG in der vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 12.September 1980 geltenden Fassung), kommt es nicht an.

4. Die Inanspruchnahme der Klägerin als Steuerschuldner läßt sich auch nicht auf § 154 Abs.1 BranntwMonG i.V.m. § 58 Abs.1 Satz 2, Abs.2 ZG a.F. --jetzt § 58 Abs.1 Satz 1 ZG i.d.F. des Gesetzes vom 12.September 1980-- gründen. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß die monopolrechtliche "Behandlung" des Rohbrands erfolgt ist, ohne daß eine Bewilligung der bleibenden Verwendung vorgelegen hätte. Eine allgemeine Bewilligung (§ 127 Abs.1 AZO) war nicht erteilt, insbesondere nicht durch den Erlaß vom 10.Mai 1971; ein Erlaubnisschein (§ 127 Abs.5 Nr.2 AZO) lag nicht vor, auch nicht ein sog. einfacher Fall (§ 127 Abs.5 Nr.1 AZO), in dem überdies die Bewilligung auch deshalb gefehlt hätte, weil --wie ausgeführt (vorstehend Nr.3)-- die Voraussetzungen von § 55 Abs.1 ZG nicht vorlagen (vgl. § 127 Abs.5 Satz 2 AZO; vgl. dazu Bail/Schädel/Hutter, a.a.O., B/55 Rz.54). Gleichwohl scheidet § 58 Abs.1 Satz 2 ZG a.F. als Anspruchsgrundlage aus, denn jedenfalls mangelte es an der gesetzlichen Voraussetzung, daß zu einem (nicht bewilligten) besonderen Zollverkehr (hier: Steuergutverkehr) abgefertigt worden ist.

Nach den Feststellungen des FG wollten die Beteiligten --Klägerin und HZA-- den Rohbrand monopolrechtlich im Sinne des BMF- Erlasses vom 10.Mai 1971 behandelt wissen und ihn entsprechend behandeln. Diese Behandlung hätte in einer Abfertigung zur bleibenden Verwendung bestehen können, wenn der Erlaß eine solche Zollbehandlung vorgesehen hätte. Dies war indessen entgegen der Auffassung des FG nicht der Fall. Vielmehr traf der Erlaß lediglich eine Billigkeitsregelung und ordnete Überwachungsmaßnahmen an, ohne daß dabei die Ansicht zum Ausdruck gelangt wäre, eingeführter Rohbrand müsse für die Inanspruchnahme der Vergünstigung "als Zollgut unter zollamtlicher Überwachung verwendet" werden (vgl. § 55 Abs.1 ZG). Ein solches Verständnis der Erlaßregelung liegt um so ferner, als es an den materiellen und formellen Verfahrensvoraussetzungen --begünstigende Norm und Bewilligung-- ersichtlich fehlte. Anhaltspunkte für die Annahme, die Beteiligten hätten etwas bezweckt und durchgeführt, was nicht im Sinne der Erlaßregelung lag --Abfertigung zur bleibenden Verwendung nicht wegen, sondern trotz des Erlasses, unter Verwendung des Zollvordrucks für die Abfertigung zum unbeschränkt freien Verkehr--, sind ebensowenig ersichtlich wie umgekehrt Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme, die Beteiligten hätten --möglicherweise im Sinne der Erlaßregelung-- die Abfertigung zum monopolrechtlich freien Verkehr gewollt.

5. Nach den festgestellten Umständen muß davon ausgegangen werden, daß der Rohbrand überhaupt nicht im Rechtssinne (monopolrechtlich) abgefertigt, sondern im allgemeinen Steuergutverkehr verblieben ist. Dafür spricht auch, daß das FG festgestellt hat --freilich im Widerspruch zu seiner Auffassung, der Rohbrand sei monopolrechtlich zur Verwendung abgefertigt, damit im besonderen Zollverkehr (Steuergutverkehr) dem Beteiligten überlassen gewesen; § 55 Abs.3 Satz 1 ZG--, die Ware sei der Deutschen Bundesbahn "i.S. des § 8 Abs.1 ZG" überlassen worden. Unabgefertigt blieb der Rohbrand allerdings im allgemeinen Verkehr, gleichgültig, ob er förmlich überlassen oder in Verwahrung gegeben wurde. Aus dem allgemeinen (Steuergut-)Verkehr konnte er nicht mit abgabenrechtlicher Wirkung zu Lasten einer bestimmten Person entnommen werden, sondern nur Gegenstand einer vorschriftswidrigen Verfügung, hier in Gestalt des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung sein (§ 57 Abs.1 ZG). Abgabenschuldner ist dann, wer erstmals die Zollvorschriften nicht beachtet (§ 57 Abs.2 Satz 1 ZG). Das war nicht die Klägerin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61352

BFHE 147, 559

BFHE 1987, 559

DStR 1987, 270-270 (ST)

HFR 1987, 53-54 (ST)

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