Leitsatz (amtlich)
Zur bebauten Fläche i. S. des § 4 EinfHaus-VO gehört die vom Wohngebäude bedeckte Fläche; in sie sind auch untergeordnete Bauteile (z. B. Kellerlichtschacht, Kellereingang, Eingangspodest) und Terrassenanlagen, soweit diese mit dem Gebäude eine bauliche Einheit bilden, einzubeziehen.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2; EinfHaus-VO § 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines 4 027 qm großen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte bei der Einkommensteuerveranlagung für den Veranlagungszeitraum 1968 den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus durch Gegenüberstellung der in Anlehnung an § 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geschätzten Mieteinnahmen und der Werbungskosten. Die vom Kläger begehrte Anwendung der Einfamilienhaus-Verordnung (EinfHaus-VO) lehnte das FA ab, weil die gesamte Fläche des Grundstücks größer sei als das 20fache der bebauten Fläche von rd. 177 qm (§ 4 EinfHaus-VO). Es war der Ansicht, daß der Begriff der bebauten Grundfläche nach den Fachnormen des deutschen Normenausschusses auszulegen sei. Nach Abschn. 1 des Normblatts DIN 277 Bl. 1 - Grundflächen und Rauminhalte von Hochbauten - Ausgabe Mai 1973 (abgedruckt bei Winkler, Hochbaukosten, Flächen, Rauminhalte, Kommentar, 4. Aufl., 1976 S. 181 f.) gelte als bebaute Fläche die von Hochbauten bedeckte Grundstücksfläche. Diese ergebe sich aus der lotrechten Projektion der äußeren Abmessungen des Bauwerkes auf die Grundstücksfläche. Nicht zu berücksichtigen seien u. a. untergeordnete Bauteile, z. B. Kellerschächte, Außentreppen, Außenrampen, Eingangsüberdachungen, waagrechte Sonnenschutzkonstruktionen, Dachüberstände sowie die Flächen von Außenanlagen. Die bebaute Grundfläche betrage demnach lediglich 176,99 qm und errechne sich wie folgt:
Langbau 12,05 m x 10,80 m = 130,14 qm
Treppenhaus 4,08 m x 0,85 m = 3,47 qm
Anbau 5,35 m x 5,10 m = 27,28 qm
Überdachte Terrasse 5,20 m x 3,10 m = 16,10 qm
bebaute Fläche insgesamt 176,99 qm
Der Kläger vertrat dagegen die Ansicht, daß es für die Anwendung des Normblatts DIN 277 keine Rechtsgrundlage gebe. Es seien daher noch folgende Teilflächen hinzuzurechen:
Dachüberstände 15,45 qm
nichtüberdachte Terrassen 66,73 qm
Hauseingang mit Stufen 21,77 qm
Kellereingang 2,90 qm
Kellerlichtschacht 1,44 qm
Garten- und Fahrradschuppen 10,00 qm
Die bebaute Grundfläche betrage hiernach insgesamt rd. 295 qm, so daß die Grenzen für die Anwendung der Einfamilienhaus-Verordnung nicht überschritten seien.
Nach insoweit erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 77 (EFG 1978, 77) veröffentlichten Entscheidung der Klage statt und setzte die Einkommensteuer um 3 059 DM auf 11 531 DM herab. Es ging davon aus, daß die bebaute Grundfläche mindestens 202,97 qm betrage und sich aus folgenden Teilflächen zusammensetze:
Grundriß des Erdgeschosses 176,99 qm
Eingangspodest mindestens 5,00 qm
nichtüberdachter Teil der Terrasse 5,20 m x 3,20 m = 16,64 qm
Kellereingang 2,90 qm
Lichtschacht 1,44 qm
insgesamt 202,97 qm
Zur Begründung führte es aus, der Begriff der bebauten Fläche werde im Gesetz nicht näher erläutert. Der Zweck der Vorschrift, zu verhindern, daß sich bei Gebäuden in einem unverhältnismäßig großen Grundstück der Wert des Grundstücks unangemessen auf die Höhe des Nutzungswertes auswirke, gebiete es, zur bebauten Grundfläche nur die vom Wohngebäude bedeckte und dem Wohnbereich dienende Fläche zu rechnen. Das sei zunächst der Grundriß des Erdgeschosses, der hier unstreitig 176,99 qm betrage. Dazu gehöre aber auch der Hauseingang mit befestigtem Vorplatz, soweit dieser mit dem Gebäude eine bauliche Einheit bilde. Das sei hier wegen der erhöhten Lage des Hauses auf einer Warft und der Gestaltung des Zugangs mit Treppe und Vordach für eine Fläche von mindestens 5 qm zu bejahen. Dasselbe gelte für die zweiseitig vom Langbau und vom Wohnzimmeranbau eingegrenzte und abgeschirmte, teilweise überdachte Terrasse. Diese bilde mit dem angrenzenden Wohnzimmer, mit dem sie durch eine zweiflügelige Tür verbunden sei, in ihrer Funktion als nach draußen verlängerter Wohnraum ein einheitliches Ganzes und sei daher als zum engeren Wohnbereich gehörig anzusehen. Notwendige Bestandteile des Gebäudes seien schließlich auch der Kellereingang sowie der zum Keller gehörende Lichtschacht. Die entgegenstehende Auffassung des FA, die sich auf die II. Berechnungsverordnung und die darin erwähnten Normblätter des deutschen Normenausschusses berufe, sei abzulehnen. Denn Berechnungen im Rahmen der Wohnungsbauförderung zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit, der Belastung oder der Wohnfläche könnten wegen ihrer anderen Zielsetzung für den hier anzustellenden Vergleich zwischen bebauter und nichtbebauter Grundfläche nicht uneingeschränkt herangezogen werden. Dasselbe gelte für die nach der Baunutzungsverordnung anzustellenden Berechnungen über das zulässige maß der baulichen Nutzung eines Grundstücks, für die das Normblatt DIN 277 die Berechnungsgrundlage abgebe. Zwar könne dem Grundsatz, daß die bebaute Grundfläche sich aus dem der lotrechten Projektion der äußeren Abmessungen des Bauwerkes auf die Grundstücksfläche ergebe, auch hier gefolgt werden. Das gelte jedoch nicht für die anschließend genannten Ausnahmen von diesem Grundsatz. Diese mögen im Bauordnungsrecht sinnvoll sein, wenn es darum gehe, die zulässige Baumasse im Verhältnis zu einer bestimmten Grundstücksgröße zu ermitteln. Hierbei könne es angebracht sein, sog. untergeordnete Bauteile nicht zu berücksichtigen. Es gehe aber nicht an, notwendige Bestandteile eines Wohngebäudes, wie Kellerlichtschächte, Außentreppen etc. bei der Ermittlung der bebauten Fläche i. S. des § 4 EinfHaus-VO außer Ansatz zu lassen.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es hält daran fest, daß der Begriff der bebauten Grundfläche aus dem Normblatt DIN 277 Bl. 1 abzuleiten sei. Auch bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens würden die Fachnormen des deutschen Normenausschusses zugrunde gelegt. Die Betrachtungsweise des FG führe dazu, daß es der Steuerpflichtige in der Hand habe, durch freiplattierte Flächen die bebaute Grundfläche und damit auch die steuerliche Handhabung beliebig zu beeinflussen. Im übrigen sei unklar, wie sich die vom Eingangspodest bedeckte Fläche von 5 qm errechne. Das FG habe insoweit von einer Abgrenzung abgesehen und nur so viele Quadratmeter der bebauten Grundfläche zugerechnet, wie es für das Überschreiten der 1/20-Grenze erforderlich sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach der Einfamilienhaus-Verordnung zu ermitteln.
1. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß das Steuerrecht eine Bestimmung des Begriffs der bebauten Grundfläche nicht enthält. Auch die Anwendung außersteuerrechtlicher Vorschriften ist nicht verbindlich vorgeschrieben. Sie können deshalb, soweit sie den Begriff der bebauten Grundfläche enthalten und näher umschreiben, nicht uneingeschränkt, sondern nur unter Beachtung von Sinn und Zweck der Einfamilienhaus-Verordnung zur Auslegung herangezogen werden. Die Einfamilienhaus-Verordnung beruht auf dem Gedanken einer angemessenen Verzinsung des investierten Kapitals. Eine solche grob pauschalierende Regelung setzt voraus, daß die von ihr erfaßten Sachverhalte vergleichbar sind. Sie ist nicht auf atypische Fälle abgestellt, in denen die Ermittlung des Nutzungswertes nach der Verordnung zu einem unangemessenen Ergebnis führt. Als atypisch sieht § 4 Einf-Haus-VO (jetzt ebenso § 21 a Abs. 5 EStG 1974) Einfamilienhäuser an, bei denen die gesamte Grundfläche größer ist als das 20fache der bebauten Grundfläche. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß bei übergroßen Grundstücksflächen eine angemessene und gleichmäßige Verzinsung des eingesetzten Kapitals nicht mehr unterstellt werden kann, weil der Nutzungswert der Freiflächen gegenüber dem Wohnwert des Hauses erheblich zurücktritt (vgl. dazu auch Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 26. Januar 1937, RStBl 1937, 161, 164; Rogge, Deutsche Steuer-Zeitung 1937 S. 610, 615 f. - DStZ 1937, 610, 615 f. -). Deshalb soll es insoweit bei der üblichen, allerdings umständlicheren Ermittlung der Einkünfte durch Gegenüberstellung der geschätzten Einnahmen und Werbungskosten bleiben, allerdings mit der Besonderheit, daß mindestens der Nutzungswert anzusetzen ist, der sich bei Anwendung der Verordnung ergeben würde, wenn die gesamte Grundfläche nicht größer als das 20fache der bebauten Grundfläche wäre. Der Zweck der Vorschrift legt es demgemäß nahe, zur bebauten Grundfläche nur die Fläche zu rechnen, die den Wohnbereich umfaßt, im Gegensatz zu der darüber hinausgehenden Fläche, die zwar die Qualität des Wohnens erhöht (Freiraum), dem Wohnzweck aber nur mittelbar dient wie z. B. der Ausgestaltung der freien Plattenfläche dienende Plattenwege und Gartentreppen oder freiliegende Terrassen.
2. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die gesamte Grundfläche (4 027 qm) nicht größer ist als das 20fache der bebauten Grundfläche, weil diese zumindest 202 qm beträgt.
a) Das FG hat unter besonderer Berücksichtigung der Eigenart des Grundstücks festgestellt, daß zu der vom Wohngebäude bedeckten Fläche neben dem Grundriß des Erdgeschosses auch der Hauseingang mit einer Teilfläche von mindestens 5 qm gehört, weil dieser eine bauliche Einheit mit dem Gebäude bildet und demzufolge nicht als Außenanlage angesehen werden kann. Der Senat ist an diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung gebunden, weil sie in rechtlich einwandfreier Weise zustande gekommen ist und weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen widerspricht (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Einer endgültigen Berechnung der Fläche des Eingangspodestes bedurfte es entgegen der Ansicht des FA nicht, weil sich aus den Abmessungen der bei den FG-Akten befindlichen Bauzeichnungen selbst bei Vernachlässigung aller Unregelmäßigkeiten der Form des Podestes eine Fläche von mindestens 5 qm ergibt (ca. 3 m x 2 m).
b) Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG den vom Langbau und Wohnzimmeranbau eingegrenzten und abgeschirmten Teil der Terrasse zur bebauten Grundfläche gerechnet hat. Es handelt sich insoweit um einen von der Gartenfläche abgegrenzten Teil, der ausschließlich dem angrenzenden Wohnraum zugeordnet und mit diesem nach dem Willen des Bauherrn und den tatsächlichen Verhältnissen eine bauliche und architektonische Einheit bildet. Das FG ist bei dieser Abgrenzung zutreffend von der Erwägung ausgegangen, daß unter den gleichen Voraussetzungen gedeckte und nicht überdachte Freisitze auch in die Berechnung der Wohnfläche nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. Wo-BauG) und der II. Berechnungsverordnung einbezogen werden können (vgl. dazu näher das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 16. März 1977 VIII C 72.76, Deutsche Gemeindesteuerzeitung 1977 S. 119 - DGemStZ 1977, 119 -).
Der Einwand des FA, daß es der Steuerpflichtige bei dem so verstandenen Begriff der bebauten Fläche in der Hand habe, durch eine entsprechende Gestaltung der freien Plattenfläche die Art der Einkunftsermittlung willkürlich zu beeinflussen, ist nicht begründet. Denn die Terrassenflächen, die nicht in dieser Weise dem Wohnbereich zugeordnet werden können, insbesondere freiliegende oder unangemessen ausgedehnte Terrassenflächen, sind nicht zur bebauten Grundfläche zu rechnen.
c) Schließlich begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, daß das FG auch den Kellereingang und den Kellerlichtschacht in die Berechnung der bebauten Fläche einbezogen hat. Es handelt sich zwar insoweit um untergeordnete (und deshalb nach dem Normblatt DIN 277 nicht zu berücksichtigende) Bauteile. Sie sind jedoch wesentliche Bestandteile des Gebäudes und können deshalb nicht der unbebauten Fläche zugerechnet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 73351 |
BStBl II 1980, 38 |
BFHE 1980, 29 |