Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung des Nutzungswerts einer Wohnung bei Vorbehaltsnießbrauch
Leitsatz (NV)
Wird bei Übertragung einer Eigentumswohnung durch die Mutter an die Tochter ein lebenslänglicher Nießbrauch zugunsten der Mutter bestellt, welche die Wohnung weiter selbst nutzt, so ist der Nutzungswert dieser Wohnung der Mutter zuzurechnen (Anschluß an BFH-Urteile vom 28. 7. 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380 und vom 7. 12. 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627).
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Die Klägerin war Eigentümerin einer Eigentumswohnung, die sie mit als Übergabevertrag bezeichnetem notariellem Vertrag vom 27. Juni 1974 auf ihre Tochter übertrug. Nach dem Vertrag hatte die Tochter der Klägerin das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an der nach wie vor durch die Kläger selbst genutzten Eigentumswohnung einzuräumen. Ferner verpflichtete sich die Tochter zur einmaligen Zahlung von . . . DM, auf welche die bestehenden Darlehensverbindlichkeiten anzurechnen waren, und zur Zahlung einer monatlichen Leibrente von . . . DM an die Kläger bis zum Tode des Längstlebenden.
Das Finanzamt (FA) rechnete mit den Einkommensteuerbescheiden 1976 und 1977 den Nutzungswert dieser Wohnung den Klägern zu.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 187 veröffentlichten Urteil statt. Das FG vertrat die Auffassung, daß der Nutzungswert der Wohnung den Klägern nicht nach § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzurechnen sei. § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG sei nicht anwendbar, weil die Kläger weder im eigenen Haus wohnten noch wirtschaftliche Eigentümer der Wohnung seien. Die Gestaltung des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG entfalle, weil die Wohnung den Klägern nicht ganz oder teilweise unentgeltlich überlassen worden sei. Falls der Nutzungswert der Wohnung auch beim Eigentümer nicht erfaßt werden könne, liege eine Lücke im Gesetz vor, die zu schließen allein der Gesetzgeber, nicht die Steuergerichte, berufen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), welcher der erkennende Senat beitritt, erzielt der Vorbehaltsnießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch dann, wenn er nicht wirtschaftlicher Eigentümer geblieben ist (vgl. Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380). Dasselbe gilt für den Vorbehaltsnießbraucher, der den Tatbestand der Selbstnutzung nach § 21 Abs. 2 EStG verwirklicht (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627).
Ist mithin abweichend von der Vorentscheidung der Nutzungswert der Eigentumswohnung den Klägern zuzurechnen, bedarf es noch weiterer Erhebungen zur Höhe des Nutzungswerts. Der Senat ist mangels vorliegender Feststellungen nicht in der Lage durchzuerkennen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß der Nutzungswert mit dem Urteil in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627 gemäß § 21a EStG zu ermitteln sein wird.
Fundstellen
Haufe-Index 422868 |
BFH/NV 1985, 24 |