Leitsatz (amtlich)
Wenn bei einem Erlaßverfahren nach § 131 LAG a. F. nur ein Ehegatte Schuldner der HGA-Leistungen, der andere Ehegatte aber der Hauptverdiener der Familie ist, so kann es gerechtfertigt sein, im Rahmen eines Erlaßverfahrens gemäß § 131 LAG a. F. bei der Berechnung der Erlaßvoraussetzungen der Hälfte der für beide Ehegatten anzusetzenden gemeinsamen Einkünfte die Hälfte der für beide Ehegatten anzusetzenden Lebenshaltungspauschbeträge gegenüberzustellen.
Normenkette
LAG i.d.F. vor 20. ÄndGLAG § 131
Tatbestand
I. Sachverhalt und Entscheidung des Finanzgerichts
Streitig ist, ob der Revisionsbeklagten (Klägerin und Abgabeschuldnerin) die Hypthekengewinnabgabe (HGA)-Leistungen für den Zeitraum 1959/1961 wegen wirtschaftlicher Bedrängnis nach § 131 LAG erlassen werden können.
1. Die Abgabeschuldnerin ist Eigentümerin eines 2,24 ha großen landwirtschaftlichen Anwesens. Der Grundbesitz ist mit HGA belastet.
Die Leistungen aus der öffentlichen Last wurden für die Erlaßzeiträume II/1948 bis 1958 antragsgemäß nach § 131 LAG erlassen. Für den Erlaßzeitraum 1959/1961 lehnte das FA einen Erlaß ab, da nach seiner Berechnung die Leistungen aus dem Überschuß der verfügbaren Mittel über die Lebenshaltungskosten-Pauschbeträge erbracht werden könnten.
2. Die OFD ließ durch einen Beamten des FA an Ort und Stelle Ermittlungen vornehmen, die zur Errechnung eines "Überhangs" führten. Die OFD schloß sich dem Ermittlungsergebnis des Prüfungsbeamten an und entschied, daß ein Erlaß der HGA-Leistungen auch deshalb nicht gerechtfertigt sei, weil die Verschuldung im Erlaßzeitraum offensichtlich nicht zugenommen habe (Tz. 62, 63 der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG vom 25. Mai 1962 - VAO 1959 -). Es seien auch keine Umstände festgestellt worden, die einen Erlaß der HGA-Leistungen nach § 131 AO rechtfertigen könnten.
3. Die Klage hatte Erfolg. Die Vorinstanz geht davon aus, daß die ablehnende Beschwerdeentscheidung nicht auf Tz. 62 ff. VAO 1959 hätte gestützt werden dürfen, weil diese Bestimmung nicht mit § 131 LAG vereinbar sei. Tz. 62 erfasse nicht den vorliegenden Sachverhalt, da es sich um einen Zwergbetrieb handele und die Familie im wesentlichen von den Arbeitseinkünften des Ehemannes gelebt habe. Es sei wahrscheinlich, daß der Betrieb ohne die Einkünfte des Ehemannes verschuldet worden wäre. Die geringe Zunahme des Sparguthabens von rd. 3 000 DM zum 1. Januar 1959 auf rd. 4 000 DM zum 1. Januar 1962 sei auf Ersparnisse aus den Einkünften des Ehemannes zurückzuführen.
Der Erlaßantrag könne auch nicht nach Tz. 82 VAO 1959 abgelehnt werden, wonach trotz Fehlens ausreichender verfügbarer Mittel der Erlaß versagt werden müsse, wenn zu Beginn eines Erlaßzeitraumes Barmittel, Bankguthaben und dergleichen vorhanden seien, deren Einsatz für die Bedienung der HGA-Leistungen nach den Gesamtumständen des Einzelfalles zumutbar erscheine. Es sei der Abgabeschuldnerin nicht zuzumuten gewesen, auf das Sparguthaben zurückzugreifen, da dies einerseits zur Aufrechterhaltung des Betriebes und andererseits als Notgroschen für den Alters- und Aussteuerfall erforderlich gewesen sei.
Sonach sei im Streitfall eine individuelle Lebensbedarfsrechnung erforderlich. Hierzu könne auf die Feststellungen durch den Prüfer zurückgegriffen werden. Diese Feststellungen träfen im wesentlichen zu. Vergleiche man die Feststellungen mit statistischen Unterlagen, so ergebe sich, daß die Schätzung des Prüfers eher zu niedrig als zu hoch liege. Würde man sämtliche verfügbaren Mittel in die Bedarfsrechnung einbeziehen, so verbleibe nach Berichtigung der Lebenshaltungskosten-Pauschbeträge für die Tochter und unter Berücksichtigung der vom FG für erforderlich gehaltenen Anhebung der Angehörigen-Pauschbeträge immer noch ein Überhang, aus dem die Leistungen erbracht werden könnten.
Aber auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen müsse die Klage durchdringen. Die OFD habe nämlich die Lebenshaltungskosten und die verfügbaren Mittel des Ehemannes nach Tz. 24 VAO 1959 in die Lebensbedarfsrechnung einbezogen. Das sei unzulässig. Der BFH habe schon im Urteil III R 19/66 vom 19. Mai 1967 (BFH 89, 294, BStBl III 1967, 636) Tz. 24 VAO 1959 als mit § 131 LAG nicht vereinbar angesehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG habe der Vertreter der OFD die Auffassung des BdF vorgetragen, wonach es keiner grundsätzlichen Umgestaltung der Tz. 23 VAO 1956 und der Tz. 24 VAO 1959 bedürfe, da das 20. ÄndGLAG vom 15. Juli 1968 (BGBl I 1968, 806) den Begriff der Familieneinheit gesetzlich festgelegt habe (s. Abs. 1 Nr. 3 der Neufassung des § 131 LAG). Diese Neufassung stelle keine materielle Änderung der Rechtslage dar, sondern diene nur zur Klarstellung des bisherigen Rechtszustandes. Es sei deshalb auch davon abgesehen worden, einen Zeitpunkt über das Wirksamwerden der Neufassung aufzunehmen.
Dieser Auffassung der Verwaltung könne nicht gefolgt werden. § 131 LAG sei in der Neufassung erst am 19. Juli 1968 in Kraft getreten und könne für die Vergangenheit nicht angewendet werden. Da nach Lage der Dinge mit einer grundsätzlichen Umgestaltung der Tz. 24 VAO 1959 nicht mehr zu rechnen sei, obliege es den Steuergerichten, durch Auslegung des § 131 LAG a. F. die Lücke zu füllen, die sich infolge Unbeachtlichkeit der Tz. 24 VAO 1959 bis zum Inkrafttreten der Neufassung am 19. Juli 1968 ergebe. Es komme darauf an, wie die verfügbaren Mittel und die Lebenshaltungskosten zu berechnen seien. Wenn man die Hälfte der Differenz der Einkünfte des Ehemannes und der Einkünfte der Abgabeschuldnerin als Unterhaltsleistungen des Ehemannes den verfügbaren Mitteln der Ehefrau hinzurechne, blieben die verfügbaren Mittel der Abgabeschuldnerin unter den Lebenshaltungskosten von 9 600 DM. Bei dieser Berechnung müßte die verheiratete Abgabeschuldnerin einem Alleinstehenden gleichgestellt werden; es erübrige sich daher zu prüfen, ob für das Kind noch ein Pauschbetrag anzusetzen sei. Da nach dieser Berechnung im Streitfall weder eine gänzliche noch eine teilweise Ablehnung des Erlaßantrages gerechtfertigt sei, sei die Verpflichtung auszusprechen, daß die OFD die HGA-Leistungen selbst in vollem Umfang zu erlassen habe oder das FA anweise, den Erlaß auszusprechen.
II. Revision der OFD und Stellungnahme des BdF
1. Hiergegen richtet sich die Revision der OFD. Gerügt wird unrichtige Anwendung materiellen Rechts und zwar des § 131 LAG in Verbindung mit der VAO 1959 zu dieser Vorschrift.
Die OFD meint, das FG hätte die Klage abweisen müssen, weil der Abgabeschuldnerin zugemutet werden könne, die fälligen Leistungen aus ihrem Bankguthaben zu bezahlen. Nach Tz. 82 VAO 1959 sei nämlich auf die Gesamtumstände abzustellen. Diese ergäben aber, daß das Bankguthaben im Laufe des Erlaßzeitraumes nicht nur nicht verbraucht, sondern sogar noch angewachsen sei. Gehe man aber mit der Vorinstanz davon aus, daß die verfügbaren Mittel unter Berücksichtigung gegenseitiger Unterhaltsverpflichtungen der Ehegatten zu ermitteln seien, so sei es nur folgerichtig, wenn dem vom FG errechneten Betrag der verfügbaren Mittel nur die Hälfte der für die Ehegatten anzusetzenden Pauschbeträge (9 600 DM + 3 600 DM) = 6 600 DM gegenübergestellt würden. Bei folgerichtiger Entwicklung dieses Gedankenganges hätte sonach schon das FG den Antrag auf Erlaß ablehnen müssen.
Die OFD führt sodann weiter aus, daß auch den Ausführungen in der Vorentscheidung zur zeitlichen Geltung der Neufassung des § 131 LAG durch das 20. ÄndGLAG nicht gefolgt werden könne. Der Begriff der Familieneinheit sei dem LAG nicht fremd. Er sei durch das 16. ÄndGLAG in § 54 LAG, der ebenfalls auf eine bescheidene Lebensführung abstelle, in das Gesetz eingefügt worden. Nach der amtlichen Begründung der Regierungsvorlage zur Neuregelung des § 54 LAG habe der Gesetzgeber der Gesetzesänderung lediglich eine klarstellende Bedeutung beigemessen.
2. Die Abgabeschuldnerin beantragt demgegenüber kostenpflichtige Zurückweisung der Revision. Sie hält die Ausführungen der Vorinstanz für zutreffend und erläutert sie in der Revision durch Anführung weiterer Tatsachen.
3. Mit Schreiben vom 4. Februar 1969 hat der BdF seinen Beitritt gemäß § 122 Abs. 2 FGO erklärt. Er hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ausgeführt:
Der Gesetzgeber habe zunächst den Standpunkt vertreten, daß Lastenausgleichsabgaben nur unter Anwendung eines strengen Maßstabes erlassen werden könnten. Deshalb habe er die Vorschrift des § 203 Abs. 5 LAG geschaffen, die für alle drei Lastenausgleichsabgaben gelte. Für einen Teil der unter § 131 AO fallenden Tatbestände habe der Gesetzgeber darüber hinaus in § 54 LAG für die Vermögensabgabe und § 131 LAG für die HGA Sonderregelungen getroffen, für die er das Existenzminimum zum Maßstab genommen habe. Da die Vermögensabgabe das Vorhandensein eines aktiven Vermögens voraussetze, sei es nur folgerichtig gewesen, daß bei einer Belastung dieses Vermögens mit 50 v. H. ein Mindestvermögen als Substanz unangetastet bleiben sollte. An Stelle eines zahlungsunfähigen Abgabepflichtigen sollte daher in der Regel der Erbe die nach § 54 LAG auf Lebenszeit des Abgabepflichtigen gestundete Vermögensabgabe entrichten. Bei höheren Vermögen als 30 000 DM sollte eine Belastung oder Teilveräußerung von Vermögen zwecks Zahlung der Vermögensabgabe als zumutbar angesehen werden. Im Gegensatz hierzu müsse bei der HGA, die keine neue Belastung darstelle, sondern im Ergebnis die Fortführung der durch die Währungsreform weggefallenen 9/10-Schuld bedeute, kein aktives Vermögen vorliegen. Deshalb habe der Gesetzgeber auch bei § 131 LAG auf die Höhe des Vermögens keine Rücksicht zu nehmen brauchen. Das BVerfG habe in der Entscheidung 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl I 1961, 63) die in der VAO 1955 zu § 54 LAG a. F. vorgesehene Zusammenrechnung des notwendigen Lebensbedarfs und der zu seiner Deckung vorhandenen Mittel der nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus gebilligt, obwohl sich ein Abstellen auf die Familieneinheit aus dem Wortlaut des § 54 LAG a. F. nicht zwingend ergeben habe. Der BFH habe diese Grundsätze für das Erlaßverfahren nach § 131 LAG für anwendbar gehalten (Entscheidung III 131/63 vom 21. April 1967, BStBl III 1967, 564). Die Ausführungen des BFH gäben aber zu Zweifeln Anlaß. Sollten sie so zu verstehen sein, daß sich das BVerfG zwar mit der Frage befaßt habe, ob bei der Stundung der Vermögensabgabe die zusammengerechneten Einkünfte der Eheleute deren gemeinsamen Lebensbedarf gegenübergestellt werden dürften, so treffe dies nicht zu, weil das BVerfG ausführlich unter B 3a Abs. 2 bis 6 seiner Urteilsbegründung Stellung genommen habe. Es habe gegen die Zusammenrechnung nicht nur der Mittel, sondern auch des Lebensbedarfs beider Ehegatten keine Bedenken gehabt. Sollten die Ausführungen des BFH dagegen so zu verstehen sein, daß das BVerfG sich zwar mit der Frage auseinandergesetzt habe, daß diese Ausführungen als die Entscheidung nicht tragend anzusehen und damit auch nicht verbindlich seien, so könne dies nicht als zutreffend angesehen werden. Das BVerfG habe ausdrücklich ausgeführt, daß § 54 Abs. 2 Nr. 3 LAG a. F. nicht isoliert, sondern nur als Teil der ganzen Bestimmung verstanden werden dürfe. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Zusammenrechnung des Lebensbedarfs und der zur Deckung vorhandenen Mittel sei demnach mindestens mittelbar Grundlage der Entscheidung des BVerfG gewesen. Die gesetzliche Formulierung, "daß dem Abgabepflichtigen von seinen Einkünften der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag verbleibt", dürfte eher dafür sprechen, daß im Falle der Zusammenveranlagung beider Ehegatten, weil es sich dann um zwei Abgabepflichtige handele, jedem einzelnen Ehegatten seine Einkünfte zu verbleiben hätten.
Der BdF verweist sodann zur Frage des Steuererlasses unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten auf die Entscheidung des II. Senats des BFH II 92/63 vom 19. Oktober 1966 (BFH 87, 121, BStBl III 1967, 52) zur Kraftahrzeugsteuer. Hier habe der II. Senat entschieden, daß es weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, wenn die Finanzverwaltung bei Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines körperbehinderten Ehegatten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG von den gemeinsamen Einkommensverhältnissen beider nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten ausgehe.
Das § 131 LAG a. F. dort nicht ausdrücklich auf die Familieneinheit abgestellt habe, sei sonach ohne Bedeutung, weil der Begriff der Familieneinheit auch in § 54 LAG nicht in der für die Entscheidung des BVerfG maßgebenden Fassung enthalten gewesen sei. Die Neufassung des § 131 LAG durch das 20. ÄndGLAG bedeute sonach keine neue Rechtslage, sondern nur eine die Frage der Rückwirkung nicht berührende Klarstellung.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Das BVerfG hat in der Entscheidung 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) ausgesprochen, daß eine Zusammenrechnung der Einkünfte der Ehegatten in den Fällen des § 54 LAG a. F. nicht verfassungswidrig sei, weil der Gesetzgeber in dieser Vorschrift auf den Lebensbedarf abgestellt habe. Damit - so führte das BVerfG aus - daß der Gesetzgeber den Erlaß von dem Lebensbedarf abhängig gemacht habe, habe er die Rechtsgestaltung in erster Linie dem Familienunterhaltsrecht entnommen. Die Berücksichtigung des Lebensbedarfs nach diesen Grundsätzen rücke die Billigkeitsmaßnahme in die Nähe fürsorgerischer Maßnahmen. Gehe man hiervon aus, so seien die Ehegatten verpflichtet, zum gemeinsamen Unterhalt nach Kräften beizutragen. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung III 159/62 vom 28. April 1967 (BFH 89, 357, BStBl III 1967, 619) entschieden, daß diese zu § 54 LAG a. F. ergangene Entscheidung des BVerfG auch in den Fällen des § 131 LAG anzuwenden sei, weil insoweit in beiden Vorschriften an den Lebensbedarf angeknüpft werde. Der Gesetzgeber hat hieraus die Konsequenz gezogen, indem er den Begriff der Familieneinheit durch eine Neufassung des § 131 LAG in das 20. ÄndGLAG aufgenommen hat. Der Begriff der Familieneinheit ist damit für die Erlaßzeiträume ab 1968 bis 1970 zu beachten. Der Senat kann es für den vorliegenden Streitfall dahingestellt sein lassen, ob es sich hierbei um eine Änderung der materiellen Rechtslage handelt, oder - wie die Verwaltung vorgetragen hat - ob die Neufassung des § 131 LAG nur eine Klarstellung der Rechtslage bringt; denn wie unten noch ausgeführt wird, ist der begehrte Erlaß der HGA-Leistungen im Streitfall zu Recht von der Finanzverwaltung abgelehnt worden.
Geht man mit der Verwaltung davon aus, daß im Streitfall die Einkünfte beider Ehegatten in voller Höhe zusammengerechnet werden müssen, so wäre es folgerichtig, auch die Pauschsätze für beide Ehegatten anzusetzen. Da sich bei dieser Berechnung ein Überschuß der verfügbaren Mittel ergibt, aus dem die HGA-Leistungen erbracht werden können, kommt es auf die Frage, ob und in welcher Höhe für das Kind ein Pauschbetrag in Betracht kommt, nicht mehr an. Der Erlaßantrag wäre dann zu Recht abgelehnt worden.
Der begehrte Erlaß ist aber auch dann abzulehnen, wenn man der Auffassung des FG folgt, daß nicht der volle Betrag der beiderseitigen Einkünfte der Ehegatten zusammengerechnet werden dürfe. Der Gesichtspunkt des Familienunterhaltsrechts und der Verpflichtung der Ehegatten zueinander, zum gemeinsamen Unterhalt nach Kräften beizutragen, läßt es dann gerechtfertigt erscheinen, als verfügbare Mittel jedes Ehegatten nur die Hälfte der gemeinschaftlichen Einkünfte beider Ehegatten anzusetzen. Die hilfsweise Berechnung des FG, die Hälfte der Differenz zwischen den dem Schuldnerehegatten zustehenden Einkünften und den Einkünften des mehrverdienenden Mitschuldnerehegatten den eigenen verfügbaren Mitteln des Schuldnerehegatten hinzuzurechnen, führte zum gleichen Ergebnis.
Die Vorinstanz geht von den Feststellungen des Prüfers aus, läßt jedoch weitere Ausgaben, so z. B. weitere Werbungskosten für die Benutzung des Motorrades und den Ansatz von AfA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zu. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegenden Schätzungen binden den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO, da insoweit zulässige und begründete Einwendungen nicht erhoben wurden. Das FG konnte im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung bei der hier gebotenen Schätzung zu seinem Ergebnis kommen.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Berechnung für die der Ehefrau als Schuldnerehegatten zuzurechnenden Einkünfte:
1. Einkünfte der Ehefrau:
aus Landwirtschaft ... DM
aus Vermietung und Verpachtung ... DM
2. Einkünfte des Ehemannes:
aus nichtselbständiger Arbeit ... DM
Arbeitslosenunterstützung ... DM
verfügbare Mittel insgesamt x DM
Auf jeden Ehegatten würden dann x/2 DM entfallen.
Diesem Betrag der dem Schuldnerehegatten zuzurechnenden verfügbaren Mittel ist der Lebenshaltungskostenpauschbetrag gegenüberzustellen. Würde man dafür bei der Abgabeschuldnerin den vollen Pauschbetrag von 9 600 DM ansetzen, so müßte allerdings ihrem Erlaßantrag in vollem Umfang entsprochen werden. Bei der hier vorgenommenen Art der Berechnung erscheint es andererseits aber auch nicht gerechtfertigt, für die Ehefrau als Abgabeschuldnerin nur den in der VAO für den bedürftigen Ehegatten eines Abgabeschuldners vorgesehenen Pauschbetrag in Höhe von (2x 900 + 1 200 =) 3 000 DM anzusetzen. Allerdings hat der erkennende Senat in der Entscheidung III 131/63 vom 21. April 1967 (a. a. O., unter III 5c) ausgeführt, daß beim Abstellen auf den Schuldnerehegatten und nicht auf die von beiden Ehegatten gebildete Einheit eine Pauschale für die Lebenshaltungskosten des nichtbedürftigen Nichtschuldnerehegatten nicht angesetzt werden dürfe. Bei diesen Ausführungen ging der Senat aber offensichtlich davon aus, daß die Verwaltung eine "sachgemäßere" Gesamtregelung des Erlaßverfahrens treffen werde, wenn nur ein Ehegatte Schuldner der HGA-Leistungen ist. Die Ausführungen waren daher auch nur als Meinungsäußerung für die von der Verwaltung noch zu treffende Regelung gedacht. Da die Verwaltung eine Regelung ablehnt, ist diese Frage noch offen.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen erscheint es in den Fällen, in denen von der Hälfte der gemeinsamen Einkünfte ausgegangen wird, gerechtfertigt, der von der OFD hilfsweise vorgenommenen Berechnung zu folgen, wonach beim Schuldnerehegatten nur die Hälfte der Pauschbeträge für beide Ehegatten angesetzt wird. Die Pauschbeträge betragen im Streitfall (9 600 DM + 3 000 DM =) 12 600 DM; die Hälfte hiervon wäre mit 6 300 DM für den Schuldnerehegatten anzusetzen. Danach verbleibt im Streitfall ein Mehrbetrag, aus dem die fälligen HGA-Leistungen erbracht werden können. Es ist sonach festzustellen, daß der begehrte Erlaß auch bei Zugrundelegung dieser abgewandelten Berechnung nicht gewährt werden kann. Es bedarf daher auch keines Eingehens auf die Rechtsprechung des II. Senats des BFH zu Billigkeitsmaßnahmen im Rahmen der Kraftfahrzeugsteuer (Entscheidung II 92/63 vom 19. Oktober 1966, a. a. O.).
Die Sache ist entscheidungsreif. Unter Aufhebung der Vorentscheidung wird die Klage abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 424404 |
BStBl II 1972, 293 |
BFHE 1972, 331 |