Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung eines Erbbauzinsanspruches

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Bewertung des Erbbauzinsanspruches ist dessen Jahreswert nicht auf den 18ten Teil des Einheitswertes des Grund und Bodens beschränkt.

2. Erbbauzinsen sind keine Leistungen von unbestimmter Dauer im Sinne des § 13 Abs. 2 BewG. Der Erbbauzinsanspruch ist daher gemäß § 13 Abs. 1 BewG nach der Restdauer des Erbbaurechtes zu bewerten.

 

Normenkette

BewG §§ 13, 16

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob das Finanzamt (FA) die Vermögensteuer gemäß § 16 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) neu veranlagen durfte.

Die Kläger sind Geschwister und je zur Hälfte Erben nach ihrem 1979 gestorbenen Vater.

Der Erblasser hatte ein Grundstück, das mit einem Erbbaurecht belastet ist. Aufgrund des Erbbaurechtsvertrages hatte er einen jährlichen Erbbauzinsanspruch gegen die X-AG in Höhe von . . . DM, der in monatlichen Teilbeträgen von . . . DM im voraus zu zahlen war. Das Erbbaurecht stand der X-AG für 66 Jahre an dem Grundstück zu, gerechnet ab dem ersten Tag des Monats nach der Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch. Diese Eintragung geschah am 2. Oktober 1958. Die X-AG betreibt auf dem Grundstück eine Zweigstelle. § 16 des Erbbaurechtsvertrages hat folgenden Wortlaut:

,,Die . . . Aktiengesellschaft ist berechtigt, die Aufhebung des Erbbaurechtes mit einer Frist von sechs Monaten jeweils auf den 31. 3. oder 30. 9. zu verlangen, jedoch frühestens nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages, wenn die behördliche Genehmigung zum Betrieb der Zweigstelle oder der Nebeneinrichtungen wesentlich eingeschränkt oder aufgehoben werden sollte oder wenn eine Rentabilität der Zweigstelle mit Nebenanlagen trotz intensivster Bewirtschaftung unter Ausnutzung der gesamten Erbbaufläche nicht gegeben ist."

Im endgültigen Vermögensteuerbescheid 1977 vom 3. April 1979 bewertete das FA den Erbbauzinsanspruch gemäß § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG - (Anlage 9) nach dem Lebensalter des Vaters der Kläger und beschränkte dabei den Jahreswert des Erbbauzinses gemäß § 16 BewG auf den 18. Teil des Einheitswertes des Grundstückes. Das Gesamtvermögen betrug danach . . . DM, der Kapitalwert des Erbbauzinses . . . DM. Später kam das FA zu der Auffassung, diese Bewertung des Erbbauzinses sei fehlerhaft gewesen. Gemäß § 16 Abs. 2 VStG veranlagte es daher die Vermögensteuer neu zum 1. Januar 1979 mit Bescheid vom 20. Dezember 1979 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Diesmal bewertete es den Erbbauzinsanspruch gemäß § 13 Abs. 1 BewG entsprechend einer Restlaufzeit des Erbbauvertrages von 45 Jahren mit dem 17,458-fachen des nicht nach § 16 BewG begrenzten Jahresbetrages. Das Gesamtvermögen betrug danach . . . DM, der Kapitalwert des Erbbauzinses . . . DM und die Vermögensteuer . . . DM. Der Bescheid war an die Kläger als Erben ihres verstorbenen Vaters und an dessen Witwe gerichtet.

Die Kläger legten gegen diesen Steuerbescheid Einspruch ein. Der Erbbauzinsanspruch sei von unbestimmter Dauer. Denn gemäß § 16 des Erbbauvertrages könne die X-AG unter bestimmten Bedingungen, auf welche der Erbbauverpflichtete keinen Einfluß habe und deren Eintritt ungewiß sei, die Aufhebung des Erbbaurechtes verlangen. Der Anspruch sei daher gemäß § 13 Abs. 2 BewG nur mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten. Die Vermögensteuer ermäßige sich danach auf . . . DM.

Der wesentliche Teil des steuerpflichtigen Vermögens habe dem verstorbenen Vater gehört. Die Vermögensteuererhöhung sei von ihnen (den Klägern) zu tragen. Es sei daher nicht erforderlich, die Witwe (gemäß § 360 AO 1977) zum Verfahren hinzuzuziehen.

Das FA wies den Einspruch zurück. Übereinstimmend mit den Klägern hielt es die Hinzuziehung der Witwe zum Verfahren nicht für erforderlich.

Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger weiterhin ihr Klagebegehren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Vermögensteuerbescheid zum 1. Januar 1977 vom 3. April 1979 enthielt zwei Fehler, welche das FA gemäß § 16 Abs. 2 VStG durch den angefochtenen Vermögensteuerbescheid zum 1. Januar 1979 vom 20. Dezember 1979 beseitigen durfte:

Bei der Berechnung des Kapitalwertes des Erbbauzinsanspruches hatte das FA dessen Jahreswert gemäß § 16 BewG auf den 18. Teil des Einheitswertes des belasteten Grundstückes begrenzt, obwohl diese Vorschrift nicht anwendbar war; außerdem war der Kapitalwert nach der Lebenserwartung des Vaters der Kläger statt nach der restlichen Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages ermittelt worden.

a) Bei der Bewertung des Erbbauzinsanspruches ist dessen Jahreswert nicht auf den 18. Teil des Einheitswertes des Grund und Bodens beschränkt. § 16 Abs. 2 BewG, der eine entsprechende Regelung enthielt, ist durch Art. 2 Nr. 5 des Vermögensteuerreformgesetzes (VStRG) vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233) gestrichen worden. Nach der Rechtsprechung des III. Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. zuletzt Urteil vom 13. November 1981 III R 69/80, BFHE 134, 569, BStBl II 1982, 184) sind Erbbauzinsen aber nicht Nutzungen, sondern wiederkehrende Leistungen eigener Art, die nicht von § 16 BewG n. F. erfaßt werden (vgl. auch das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 26. November 1986 II R 32/83).

Insoweit erheben auch die Kläger keine Einwendungen.

b) Das Erbbaurecht sollte nach dem Erbbaurechsvertrag nach Ablauf von 66 Jahren enden. Es war daher in dem Vermögensteuerbescheid zum 1. Januar 1979 gemäß § 13 Abs. 1 BewG nach seiner Restdauer zu bewerten.

Entgegen der Ansicht der Kläger sind die Erbbauzinsen nicht Leistungen von unbestimmter Dauer i. S. des § 13 Abs. 2 BewG, die mit dem Neunfachen des Jahreswertes anzusetzen wären. Das Recht der X-AG, unter bestimmten Bedingungen die vorzeitige Aufhebung des Erbbaurechtes zu verlangen, steht einer auflösenden Bedingung gleich (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1967 III R 43/67, BFHE 90, 515, BStBl II 1968, 116). Es ist daher gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BewG bei der Bewertung erst dann zu berücksichtigen, wenn es von der X-AG geltend gemacht wird und zur Aufhebung des Erbbaurechtsvertrages führt. Zwar greifen die genannten Vorschriften nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BewG grundsätzlich dann nicht ein, wenn wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer zu bewerten sind. Hier ist die Möglichkeit, daß die Nutzungen oder Leistungen durch Eintritt einer auflösenden Bedingung enden können, sofort bei der Bewertung zu berücksichtigen. Unter dieser Vorschrift fallen dagegen nicht Erbbauzinsen, die für bestimmte Zeit zu zahlen sind, und zwar selbst dann nicht, wenn dem Erbbauberechtigten - wie im Streitfall - vertraglich das Recht eingeräumt worden ist, bei Eintritt bestimmter Ereignisse die vorzeitige Aufhebung des Erbbaurechtes zu fordern. Die Anwendung des § 5 Abs. 2 BewG in Fällen der vorliegenden Art würde sich nicht mit § 92 Abs. 3 BewG vertragen, der den Gesamtwert auf Grund und Boden sowie Bebauung nach der Dauer des Erbbaurechtes unabhängig davon aufteilt, ob das Erbbaurecht unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig enden kann. Der Ansatz des Erbbauzinses nach § 92 Abs. 5 BewG kann nicht von anderen Maßstäben ausgehen. § 5 Abs. 1 Satz 2 BewG muß daher im vorliegenden Fall der speziellen Regelung des § 92 BewG weichen.

Gleiches gilt für § 13 Abs. 1 Satz 4 BewG, der nach Ansicht der Kläger sinngemäß auf Rechte von bestimmter Dauer anzuwenden ist, die durch ein der auflösenden Bedingung gleichstehendes Aufhebungsrecht beschränkt sind. Auch gegenüber dieser Vorschrift hat § 92 BewG als die spezielle Regelung Vorrang.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414901

BFH/NV 1988, 491

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge