Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird der Einheitswert eines Einfamilienhauses wegen baulicher Erweiterungen (Anbau oder Aufstockung) fortgeschrieben, können mit der Erweiterung zusammenhängende Bauzinsen, die auf die Zeit vor Anwendung des neuen Einheitswerts entfallen, voll als Werbungskosten abgezogen werden. Die Grundsätze der Entscheidung des BFH IV 622/53 U vom 25. November 1954 (BStBl 1955 III S. 26, Slg. Bd. 60 S. 67) gelten hier entsprechend.
Normenkette
EinfHausVO 2; EinfHausVO 3
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) erwarben Anfang April 1961 ein Einfamilienhaus, das sie sofort bezogen. Im weiteren Verlauf des Jahres 1961 nahmen sie an dem Haus für 25.000 DM Aus- und Anbauten vor; die Wohnfläche erhöhte sich von 77 qm auf 142 qm. Der Einheitswert, der bis dahin 2.900 DM betrug, wurde zum 1. Januar 1962 auf 6.800 DM fortgeschrieben. Die Stpfl. wollen für das Jahr 1961 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung 684 DM Zinsen und Kosten eines für die Baumaßnahmen aufgenommenen Darlehens abziehen.
Das Finanzamt (FA) setzte gemäß § 2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (Einfamilienhaus-VO) vom 26. Januar 1937 (RStBl 1937 S. 161) den Grundbetrag mit 8/12 von 3,5 v. H. aus 2.900 DM = 68 DM an, den es um 68 DM Zinsen auf 0 DM kürzte, so daß ein Zinsteil von 616 DM unberücksichtigt blieb. Die Stpfl. machten demgegenüber geltend , der Erweiterungsbau sei am 20. Dezember 1961 bezogen worden, so daß auf ihn erst von da ab die Einfamilienhaus-VO anwendbar sei und deshalb die Zinsen bis zu diesem Tage uneingeschränkt abgezogen werden könnten.
Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die streitigen Zinsen stünden mit dem Einfamilienhaus im wirtschaftlichen Zusammenhang, da sie dessen weiterer Ausgestaltung dienten. Es sei aber unzulässig, auf ein selbstbewohntes Einfamilienhaus bei Ermittlung der Mieteinkünfte nebeneinander zwei verschiedene Berechnungsarten anzuwenden.
Mit der - jetzt als Revision zu behandelnden - Rb. rügen die Stpfl. unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus- VO.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Gegen die Anwendung der Einfamilienhaus-VO bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Wie der Senat zuletzt in der Entscheidung VI 42/64 S vom 15. Oktober 1965 (BStBl 1966 III S. 106) ausgeführt hat, ist die Einfamilienhaus-VO, obwohl sie an die wirtschaftlich überholten Grundstückswerte vom 1. Januar 1935 anknüpft, im Gegensatz zu der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (siehe die Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - IV 11/64 S vom 5. November 1964, BStBl 1964 III S. 602, Slg. Bd. 80 S 356) noch gültig, besonders verletzt sie nicht wegen der Entwicklung der Verhältnisse den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Nach § 1 der Einfamilienhaus-VO wird bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus aus dem Einheitswert des Grundstücks nach näherer Bestimmung der §§ 2 ff. der Einfamilienhaus-VO bemessen. Voraussetzung ist, daß das Einfamilienhaus dem Eigentümer tatsächlich als Wohnung dient. Solange der Eigentümer das Haus noch nicht benutzt und nicht benutzen kann, ist für die Einfamilienhaus-VO kein Raum BFH- Entscheidung IV 238/53 U vom 29. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 353, Slg. Bd. 58 S. 162). Daraus wurde für ein erst innerhalb eines Kalenderjahres bezugsfertigen Einfamilienhaus gefolgert, daß bei Bemessung des Nutzungswerts nur der Teil des Grundbetrags in Betracht kommt, der auf die vollen Kalendermonate nach der Bezugsfertigkeit entfällt. Bauzinsen, die auf die früheren Monate entfallen, unterliegen dann nicht der Abzugssperre des § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO und sind voll als Werbungskosten abzugsfähig (BFH-Entscheidung IV 622/53 U vom 25. November 1954, BStBl 1955 III S. 26, Slg. Bd. 60 S. 67).
Diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn neue Gebäudeteile geschaffen werden, die im bisherigen Einheitswert nicht enthalten sind. Die Erweiterung kann in einem Anbau bestehen oder in einer Aufstockung. In solchen Fällen wird etwas Neues geschaffen, das seinen für die Einkommensbesteuerung des Hausertrages maßgeblichen Niederschlag in der Fortschreibung des Einheitswerts findet (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Einfamilienhaus-VO). Für die Anwendung der Einfamilienhaus-VO wird damit rechnerisch ein neuer Zeitabschnitt eröffnet. Zinsen für ein zur Finanzierung der Erweiterung aufgenommenes Darlehen sind ebenso zu behandeln wie die Bauzinsen bei der Errichtung des ursprünglichen Gebäudes. Der unbeschränkte Abzug der Zinsen entfällt mit dem Zeitpunkt, ab dem auch auf den Erweiterungsbau die Einfamilienhaus-VO anzuwenden ist. Außer Betracht zu lassen sind im allgemeinen Zinsen für ein Darlehen, mit dessen Hilfe das Haus nur umgebaut wurde, ohne daß der Gebäudebestand vermehrt wurde. Führen Baumaßnahmen nicht zu einem neuen Einheitswert, wird also der bisherige Einheitswert unverändert gemäß § 3 der Einfamilienhaus-VO angewendet, so gilt die Abzugssperre des § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO unverändert weiter.
Hier ist das Einfamilienhaus erheblich vergrößert worden, wie sich daraus ergibt, daß der Einheitswert von 2900 DM auf 6800 DM fortgeschrieben wurde. Auf eine Vermehrung des Baubestandes weist auch die vom FG festgestellte Vergrößerung der Wohnfläche. Demnach ist also wirtschaftlich etwas Neues und anderes entstanden, das in der Erhöhung des Einheitswerts ab 1. Januar 1962 seinen steuerlichen Ausdruck gefunden hat.
Das angefochtene Urteil, dem eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, ist aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, das prüfen muß, wie weit etwa mit dem Darlehen auch ein Umbau innerhalb des Altbestandes finanziert worden ist. Die auf diesen Darlehensteil entfallenden Zinsen können nicht abgezogen werden.
Abschließend wird bemerkt, daß Schuldzinsen, die nach der erneuten Prüfung durch das FG nicht abziehbar sind, nicht als Sonderausgaben anerkannt werden können. Weil die Zinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wirtschaftlich zusammenhängen, sind sie begrifflich Werbungskosten und können deshalb nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG keine Sonderausgaben sein. Dafür ist bedeutungslos, daß die Zinsen sich als Werbungskosten nicht entsprechend ausgewirkt haben (siehe die Entscheidung des Senats VI 23/55 S vom 25. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 131, Slg. Bd. 64 S. 345).
Fundstellen
Haufe-Index 412034 |
BStBl III 1966, 350 |
BFHE 1966, 78 |
BFHE 86, 78 |