Entscheidungsstichwort (Thema)
(Kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG bei unentgeltlichem Erwerb einer Wohnung - Abzugsbeträge des § 10e EStG keine AfA i.S. der §§ 7 oder 7b EStG - § 11d EStDV regelt nur Bemessungsgrundlage und Abzugszeitraum für die Absetzungen - Weiterführung von Steuervergünstigungen durch den Einzelrechtsnachfolger)
Leitsatz (amtlich)
Dem Einzelrechtsnachfolger, der ein unentgeltlich erworbenes Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt, steht die Steuerbegünstigung nach § 10e Abs.1 EStG grundsätzlich nur zu, wenn er nach Eigentumsübergang eigene Herstellungskosten für die eigengenutzte Wohnung aufwendet. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers für das Gebäude und die (hälftigen) Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers für den Grund und Boden kann er nicht in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG einbeziehen.
Orientierungssatz
1. Bei den Abzugsbeträgen des § 10e EStG handelt es sich nicht um Absetzungen i.S. der §§ 7 oder 7b EStG, sondern um eigenständige Förderungstatbestände.
2. § 11d EStDV regelt keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA oder erhöhten Absetzungen, sondern entsprechend der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2g EStG lediglich die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum für die Absetzungen des Rechtsnachfolgers (vgl. Literatur).
3. Einen übergeordneten einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, nach dem der Einzelrechtsnachfolger mit dem Einrücken in die zivilrechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers auch dessen steuerliche Vergünstigungen weiterführen kann, gibt es nicht.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1, § 7b; EStDV § 11d Abs. 1; EStG §§ 7, 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Durch notariellen Vertrag vom 2.Juni 1987 erhielt die Klägerin von ihrer Mutter unentgeltlich ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück übertragen. Der Besitz ging am selben Tag auf die Klägerin über. Für die Erdgeschoßwohnung räumte die Klägerin ihrer Mutter unentgeltlich auf Lebenszeit ein Wohnrecht ein.
Zum Zeitpunkt der Übergabe befand sich die Erdgeschoßwohnung noch im Rohbau; die Wohnung im Obergeschoß, die die Kläger ab 6.Juni 1987 zu eigenen Wohnzwecken nutzten, war bis auf geringfügige Arbeiten fertiggestellt.
Für den Erwerb des Grundstücks und die Bebauung waren folgende Kosten angefallen:
Grund und Boden 21 640 DM
Herstellungskosten bis
einschließlich 1987 214 835 DM
auf das Jahr 1987 entfallende
Herstellungskosten 21 425 DM
von der Klägerin nach
Eigentumsübergang aufgewendete
Herstellungskosten 11 727 DM.
In der Einkommensteuererklärung 1987 machte die Klägerin einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, den sie wie folgt ermittelte:
Hälftige Anschaffungskosten
des Grund und Bodens 10 820 DM
Herstellungskosten des Gebäudes 214 835 DM
----------
Bemessungsgrundlage 225 655 DM
auf die eigengenutzte Wohnung
entfallender Anteil von 57,65 v.H. 130 096 DM
Abzugsbetrag 5 v.H. 6 505 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nur einen Abzugsbetrag von 618 DM aus den im Jahr 1987 angefallenen Herstellungskosten (5 v.H. von 21 425 DM *= 1 072 DM, hiervon 57,65 v.H. *= 618 DM).
Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 war erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, die Klägerin könne die Grundförderung nach § 10e Abs.1 EStG nur für die nach dem Eigentumsübergang angefallenen Herstellungskosten in Höhe von 11 727 DM in Anspruch nehmen. Wegen Geringfügigkeit werde für das Streitjahr aber von einer Änderung der Steuerfestsetzung abgesehen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG stehe dem Steuerpflichtigen nur für eigene Herstellungs- oder Anschaffungskosten zu. § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sei auf die Begünstigung nach § 10e Abs.1 EStG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10e Abs.1 EStG i.V.m. § 11d EStDV. Nach diesen Vorschriften sei dem Einzelrechtsnachfolger der Abzugsbetrag in dem Umfang zu gewähren, in dem ihn der Rechtsvorgänger geltend machen könnte, wenn er noch Eigentümer wäre. Entgegen der Auffassung des FG sei die Anwendung des § 11d EStDV nicht auf Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG beschränkt, sondern gelte auch für § 10e Abs.1 EStG. Denn bei der Förderung nach § 10e Abs.1 EStG handle es sich nicht um Sonderausgaben, sondern lediglich um Abzugsbeträge, die "wie Sonderausgaben" abziehbar seien. Gesetzgeberisches Ziel sei es gewesen, die nach der Rechtslage vor 1987 gewährten Steuervorteile weiterhin zu ermöglichen. Dazu gehöre auch die Begünstigung des Einzelrechtsnachfolgers in dem Umfang, in dem ihm bei der früheren Nutzungswertbesteuerung die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG zugestanden hätten. Der Gesetzgeber gehe in § 10e Abs.4 EStG selbst davon aus, daß die Abzugsbeträge des § 10e EStG den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gleichstünden. Aus dem Aufbau der gesamten Vorschrift, die § 7b EStG nachgebildet sei, ergebe sich, daß die Gleichstellung der Abzugsbeträge nach § 10e EStG mit den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG sich nicht nur auf den Objektverbrauch beziehe. § 11d EStDV sei daher unmittelbar anwendbar.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den beantragten Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG in Höhe von 6 505 DM zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid 1987 vom 28.Mai 1991.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die beantragte Steuerbegünstigung nach § 10e EStG abgelehnt.
1. Unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen kann der Steuerpflichtige nach § 10e Abs.1 Satz 1 EStG von den Herstellungskosten einer Wohnung im eigenen Haus und der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazu gehörenden Grund und Boden im Jahr der Fertigstellung und den folgenden sieben Jahren bis zu 5 v.H. wie Sonderausgaben abziehen. Stellt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht selbst her, sondern schafft eine bereits fertiggestellte Wohnung an, kann er statt der Herstellungskosten 5 v.H. der Anschaffungskosten wie Sonderausgaben abziehen (§ 10e Abs.1 Satz 4 EStG). Grundförderung nach § 10e Abs.1 EStG wird also nur gewährt, wenn dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Herstellung oder dem Erwerb einer Wohnung eigene Aufwendungen entstanden sind. Erwirbt der Steuerpflichtige unentgeltlich eine Wohnung, steht ihm kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG zu.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger ist § 11d EStDV im Rahmen des § 10e EStG nicht anwendbar.
§ 11d Abs.1 Satz 1 und 2 EStDV enthält Regelungen für die Bemessung der AfA des Rechtsnachfolgers, der ein Wirtschaftsgut des Privatvermögens unentgeltlich erworben hat. Diese Regelungen gelten zwar für erhöhte Absetzungen entsprechend (§ 11d Abs.1 Satz 3 EStDV). Auf die Abzugsbeträge des § 10e EStG sind sie jedoch nicht anwendbar, weil es sich hierbei nicht um Absetzungen i.S. der §§ 7 oder 7b EStG handelt, sondern um eigenständige Förderungstatbestände. Die Tatsache, daß § 10e EStG im Aufbau und einzelnen Merkmalen den erhöhten Absetzungen des § 7b EStG nachgebildet ist, macht die Abzugsbeträge des § 10e EStG nicht zu erhöhten Absetzungen im steuerrechtlichen Sinn.
Aus dem Abzug "wie Sonderausgaben" läßt sich für die Auffassung der Kläger ebenfalls nichts herleiten. Diese Formulierung ist zum einen berechnungstechnisch zu verstehen, d.h. die Abzugsbeträge sind entsprechend der allgemeinen Behandlung von Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Zum andern kommt darin zum Ausdruck, daß es sich bei den Abzugsbeträgen nicht um Sonderausgaben i.S. der §§ 10 bis 10c EStG handelt, sondern um eigenständige Ausgaben auf der Grundlage tatsächlicher Aufwendungen in Form von Anschaffungs- oder Herstellungskosten (so auch Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10e EStG Rz.90). Nicht jedoch werden hierdurch die Abzugsbeträge des § 10e EStG rechtlich den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gleichgestellt.
Eine solche Gleichstellung ist wegen der Systemänderung bei der Besteuerung selbstgenutzen Wohneigentums auch nicht möglich. AfA setzen begrifflich eine Nutzung des Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung voraus (§ 7 Abs.1 EStG). Da die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG an die Stelle der AfA nach § 7 Abs.4 und 5 EStG treten (§ 7b Abs.1 Satz 1 EStG), können auch sie nur gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige das begünstigte Objekt zur Erzielung von Einkünften nutzt.
Durch das Wohneigentumsförderungsgesetz vom 15.Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) wurde die steuerliche Behandlung von Wohneigentum neu geregelt. Die Nutzungswertbesteuerung, nach der bei selbstgenutztem Wohneigentum fiktive Einkünfte zur Besteuerung herangezogen wurden, wurde durch die sog. Privatgutlösung ersetzt. Danach gehört Wohnen zur einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen persönlichen Lebenssphäre; nur tatsächlich zufließende Einnahmen sollen der Besteuerung unterworfen werden können.
Mit der Einführung der Privatgutlösung wurde auch die Förderung des Wohneigentums neu geregelt. Dies war zum einen notwendig, weil mit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung eine Förderung über erhöhte Absetzungen nicht mehr in Betracht kam; zum andern sollte die Förderung auch inhaltlich geändert werden. Statt der Begünstigung des Wohneigentums allgemein sollte nurmehr das selbstgenutzte Wohneigentum gefördert werden. Außerdem wurden neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wohnung die hälftigen Anschaffungskosten des Grund und Bodens in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG entfielen ab dem 1.Januar 1987 auch für vermietete Objekte. § 7b EStG hat nur noch Bedeutung für vor dem 1.Januar 1987 angeschaffte oder hergestellte Objekte bis zum Ablauf des Begünstigungszeitraums. Hieraus wird deutlich, daß § 10e EStG ein eigenständiger Förderungstatbestand ist, der den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG nicht gleichgesetzt werden kann.
3. Ebenfalls zu Recht hat das FG eine analoge Anwendung des § 11d EStDV --wie sie zum Teil in der Literatur vertreten wird (z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 10e Anm.6 d m.w.N.)-- abgelehnt.
Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, die zu einer Analogie zugunsten der Klägerin berechtigen würde, liegt nicht vor. Einen übergeordneten einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, nach dem der Einzelrechtsnachfolger mit dem Einrücken in die zivilrechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers auch dessen steuerliche Vergünstigungen weiterführen kann, gibt es nicht. Einen solchen Grundsatz enthält auch § 11d EStDV nicht. Denn diese Vorschrift regelt keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA oder erhöhten Absetzungen, sondern entsprechend der Ermächtigung in § 51 Abs.1 Nr.2 p EStG lediglich die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum für die Absetzungen des Rechtsnachfolgers (gl.A. Ruppe, DStJG Bd.10, S.77). Der Grund für die Berechtigung des Einzelrechtsnachfolgers, bei unentgeltlichem Erwerb die Absetzungen des Rechtsvorgängers fortzuführen, liegt im Einsatz des Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung (Urteil des Senats vom 7.August 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267). Bei der Selbstnutzung von Wohneigentum werden aber keine (fiktiven) Einkünfte mehr erzielt und versteuert. Auch ist der Steuerpflichtige, der unentgeltlich erwirbt, nicht mit Herstellungs- oder Anschaffungskosten belastet, so daß ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die steuerliche Förderung entfällt. Soweit dem Steuerpflichtigen aber im Zusammenhang mit der Schenkung eines Grundstücks durch die Übernahme von Verbindlichkeiten oder durch Zahlung von Gleichstellungsgeldern Aufwendungen entstehen, hat er eigene Anschaffungskosten, die zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags nach § 10e EStG berechtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 63995 |
BFH/NV 1992, 28 |
BStBl II 1992, 295 |
BFHE 166, 346 |
BFHE 1992, 346 |
BB 1992, 2055 |
BB 1992, 2055-2056 (LT) |
DB 1992, 716-717 (LT) |
DStR 1992, 462 (KT) |
DStZ 1993, 88 (K) |
HFR 1992, 229 (LT) |
StE 1992, 176 (K) |