Leitsatz (amtlich)
1. Das Tatbestandsmerkmal, daß zu den persönlich haftenden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört, wird nicht dadurch ersetzt, daß eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft Treuhänder einer Kapitalgesellschaft ist.
2. Ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts kann nur dann Umgehung eines bestimmten Steuergesetzes sein, wenn die durchgeführte Gestaltung entweder im wirtschaftlichen Ergebnis auf das gleiche hinausläuft wie der unmittelbar der Besteuerung unterworfene Sachverhalt oder sich zumindest in der Umgebung des Komplexes bewegt, auf den sich die Besteuerung bezieht.
Normenkette
KVStG § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 5; StAnpG § 11 Nr. 3, § 6 Abs. 1-2, § 1
Tatbestand
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer anderen Aktiengesellschaft, welche im Jahr 1954 als Kommanditistin in eine Kommanditgesellschaft eingetreten war. Gleichzeitig war ein leitender Angestellter dieser Aktiengesellschaft als Treuhänder für diese persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft geworden.
Das FA hat die Beteiligung des Treuhänders gemäß § 11 Nr. 3 StAnpG der Aktiengesellschaft zugerechnet und daraus deren Gesellschaftsteuerpflicht gemäß § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 KVStG in bezug auf den Erwerb des Kommanditanteils der Aktiengesellschaft gefolgert. Deren nach Verschmelzung von der Klägerin fortgeführten Einspruch gegen den Gesellschaftsteuerbescheid sowie die dagegen erhobene Klage blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Gemäß § 2 Nr. 1 KVStG unterliegt der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber. Als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften gelten dabei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG auch die Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG sind nicht erfüllt. Die Kommanditgesellschaft, an der die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Kommanditanteil erworben hat, war keine solche, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft (§ 5 KVStG) gehört. Persönlich haftende Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft waren nur natürliche Personen.
Allerdings sind gemäß § 11 Nr. 3 StAnpG Wirtschaftsgüter, die durch einen Treuhänder zu treuen Händen für einen Treugeber erworben worden sind, dem Treugeber zuzurechnen. Das mag auch für den Komplementäranteil des erwähnten persönlich haftenden Gesellschafters gelten; tatsächliche Feststellungen dazu fehlen. Doch ist auch dann, wenn der Vermögensanteil dieses persönlich haftenden Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zugerechnet wird, diese nicht persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft. § 6 Abs. 2 KVStG bezieht sich auf diesen Fall nicht; er betrifft in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG die Stellung des Kommanditisten, nicht die des Komplementärs.
Der vorliegende Fall liegt damit anders als der in dem Urteil II 68/59 U vom 26. Oktober 1962 (BFH 76, 59, BStBl III 1963, 22) entschiedene. Dort ging es um die Zurechnung eines Gesellschaftsanteils gemäß § 11 Nrn. 2 und 3 StAnpG; aus dieser wurde geschlossen, daß der Treugeber gemäß § 6 Abs. 2 KVStG als Gesellschafter gelte (vgl. aber auch Urteil II 118/64 vom 11. April 1967, BFH 89, 74, BStBl III 1967, 539). Hier dagegen greift § 6 Abs. 2 KVStG nicht ein und es kommt - ähnlich wie bei den in § 5 KVStG umschriebenen Voraussetzungen der Steuerpflicht - darauf an, ob überhaupt eine Kommanditgesellschaft der Art vorliegt, daß zu ihren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört. Der Begriff des persönlich haftenden Gesellschafters bestimmt sich aber nach Handelsrecht (vgl. Urteil des FG Hamburg IV 18/62 vom 31. Januar 1964, EFG 1964, 450); für ihn ist es ohne Belang, wem gemäß § 11 StAnpG dessen Vermögensanteil zuzurechnen ist. Da im vorliegenden Falle gemäß § 161 Abs. 1 HGB der Treuhänder und nicht der Treugeber (die Kapitalgesellschaft) persönlich haftender Gesellschafter ist, fehlt der Kommanditgesellschaft die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG geforderte Qualität einer Gesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist.
§ 6 Abs. 1 und 2 StAnpG erfaßt den vorliegenden Fall nicht. Denn ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 6 Abs. 1 StAnpG) kann nur dann Umgehung eines bestimmten Steuergesetzes sein, wenn die durchgeführte Gestaltung entweder im wirtschaftlichen Ergebnis auf das gleiche hinausläuft wie der unmittelbar der Besteuerung unterworfene Sachverhalt (vgl. § 6 Abs. 2 StAnpG) oder sich zumindest in der allgemeinen Umgebung des Komplexes bewegt, auf den sich die Besteuerung bezieht. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG umschreibt - ebenso wie § 5 KVStG - die allgemeinen Grenzen, innerhalb derer Tatbestände verwirklicht werden können, an die das KVStG die Gesellschaftsteuerpflicht knüpft (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AO). Nur eine Kapitalgesellschaft in dem in § 5 KVStG abschließend umschriebenen Sinne kann Schuldner der Gesellschaftsteuer werden (§ 10 Abs. 1 KVStG); auf sie muß der gesellschaftsteuerrechtliche Tatbestand bezogen sein (vgl. Urteil II 210/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 147 [149, 151], BStBl II 1969, 736). Daher liegen Vorgänge bei Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern keine Kapitalgesellschaft gehört, außerhalb des Wirkungsbereichs der Gesellschaftsteuer (unbeschadet des § 4 KVStG); es fehlen nicht nur umgehbare Tatbestandsmerkmale der Besteuerung. So wenig eine natürliche Person, die sich bei ihren Geschäften eines Strohmannes bedient, statt die gewünschte Beschränkung der Haftung durch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung herbeizuführen, der Körperschaftsteuer unterliegt (§ 1 KStG), so wenig kann daher aufgrund des § 6 Abs. 2 StAnpG Gesellschaftsteuer deshalb anfallen, weil eine Kapitalgesellschaft (§ 5 KVStG) - sei es auch zur Vermeidung der Gesellschaftsteuer - bewußt unterläßt, persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft zu werden und dadurch den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG zu verwirklichen.
Das muß um so mehr gelten, als für eine derartige Gestaltung unwesentlich ist, ob der Vermögensanteil des persönlich haftenden Gesellschafters gemäß § 11 Nr. 3 StAnpG der Kapitalgesellschaft zugerechnet werden kann; auch in anderen Fällen kann der persönlich haftende Gesellschafter - unbeschadet der durch §§ 134, 138 BGB gezogenen Grenzen - vertraglich verpflichtet sein, das zu tun, was der Kommanditist will, und diesem den ganzen Gewinn (abzüglich einer Vergütung für seine Dienste) oder wesentliche Teile davon zu überlassen. Umgekehrt kann eine Kapitalgesellschaft einer natürlichen Person oder einer offenen Handelsgesellschaft das volle Geschäftskapital für den treuhänderischen Betrieb eines Handelsgeschäftes zur Verfügung stellen (vgl. § 11 Nr. 2 StAnpG) und dessen gesamte Erträge absaugen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG), ohne daß dadurch die Gesellschaftsteuer irgendwie berührt würde. Folglich kann das Tatbestandsmerkmal einer "Kommanditgesellschaft, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört" weder in wirtschaftlicher Betrachtung (§ 1 Abs. 2 StAnpG) ausgeweitet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung; vgl. Urteile II 110/62 vom 28. November 1967, BFH 91, 132, BStBl II 1968, 216; II 33/63 vom 30. Januar 1968, BFH 91, 511; II 94, 95/63 vom 10. Juli 1968, BFH 93, 388, BStBl II 1968, 829) noch durch Anwendung des § 6 Abs. 2 StAnpG ersetzt werden; dieses Merkmal des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG wird durch die vorgegebenen Inhalte des § 161 HGB, § 5 KVStG abschließend umgrenzt.
Demnach waren das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69124 |
BStBl II 1970, 757 |
BFHE 1970, 550 |