Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung der Ausschüttungsbelastung und KapESt-Pflicht bei überhöhter Vorabausschüttung
Leitsatz (NV)
- Für die Vorabausschüttung einer Kapitalgesellschaft ist auch dann die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG herzustellen, wenn sie von dem später festgestellten Jahresgewinn nicht gedeckt wird. Die Rückforderung und Rückzahlung der überhöhten Vorabausschüttung ändert daran nichts (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung und von Abschn. 77 Abs. 10 Satz 6 KStR 1993/1995).
- Gleichermaßen bleibt auch die im Anmeldungszeitpunkt des Zuflusses der überhöhten Vorabausschüttung festgesetzte Kapitalertragsteuer von dem Rückzahlungsanspruch unberührt, vorausgesetzt, die Ausschüttung fließt tatsächlich zu (ebenfalls Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Normenkette
KStG § 27; EStG §§ 11, 43 Abs. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 2 S. 1; GmbHG § 29 Abs. 1, §§ 30-31, 46 Nr. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 2000, 816) |
Tatbestand
I. Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, beschlossen am 8. Dezember 1994 für das Streitjahr 1994 die Ausschüttung einer Vorabdividende in Höhe von 35 000 DM zum 15. Dezember 1994. Die Vorabdividende wurde unter der Bedingung gewährt, dass der endgültige Jahresüberschuss die Vorabdividende auch decke; anderenfalls sollte der nichtgedeckte Teil zurückgezahlt werden. Nach Auszahlung des Betrages gab die Klägerin eine entsprechende Anmeldung über Kapitalertragsteuer von 8 750 DM ab.
Tatsächlich wies der Jahresabschluss 1994 ―nach einem Jahresüberschuss von 6 766 DM und Verrechnung mit Verlustvorträgen― lediglich einen Bilanzgewinn von 2 373 DM aus. Die Gesellschafter beschlossen deshalb, die gezahlte Vorabdividende in Höhe des überzahlten Unterschiedsbetrages von 24 470 DM zurückzufordern. Die Kapitalertragsteueranmeldung für Dezember 1994 wurde berichtigt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) stellte ―unter Hinweis auf Abschn. 77 Abs. 10 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR 1993/1995)― die Ausschüttungsbelastung auf die gesamte Vorabausschüttung von 35 000 DM her und erließ entsprechende Steuerbescheide. Bei der später erfolgten Rückzahlung dieser Ausschüttung im Umfang des Unterschiedsbetrages zu dem tatsächlich erzielten Gewinn handele es sich um eine Einlage, die sich auf die bereits vollzogene Vorabausschüttung nicht auswirke. Aus gleichem Grunde sei auch die Kapitalertragsteuer nicht anderweitig festzusetzen.
Die dagegen gerichteten Klagen hatten Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 816).
Seine dagegen gerichteten Revisionen stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die Urteile des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Klagenabweisung.
Der erkennende Senat hat in zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung entschieden, dass nach § 27 Abs. 1 und 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) die Ausschüttung, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, mit dem Abfluss der Gewinnanteile vollzogen ist. Der in diesem Sinne verwirklichte Sachverhalt ist der Besteuerung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zugrunde zu legen. Wird der Sachverhalt zu einem späteren Zeitpunkt dadurch "rückgängig" gemacht, dass der Gewinnverteilungsbeschluss aufgehoben wird und die Gewinnanteile zurückgefordert werden, so ist die Rückzahlung steuerrechtlich als Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―, § 8 Abs. 1 KStG) zu behandeln(vgl. ―zur Rückgewähr offener Gewinnausschüttungen― z. B. Senatsurteile vom 21. Juli 1999 I R 57/98, BFHE 190, 103; vom 18. Juli 1990 I R 173/87, BFH/NV 1991, 190; vom 14. März 1989 I R 105/88, BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741; ―zur Rückgewähr verdeckter Gewinnausschüttungen― z.B. Senatsurteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92; vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733). Diese Rechtsfolge ist grundsätzlich unabhängig davon, aus welchen Gründen die Rückforderung erfolgt, insbesondere auch davon, ob entsprechende (schuld- oder gesellschaftsrechtliche) Rückforderungsansprüche bestehen und die Ausschüttung insoweit eine zunächst nur vorläufige war (Urteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92).
Im Einklang hiermit ist ―mit der Verwaltungsauffassung, vgl. Abschn. 77 Abs. 10 Satz 6 KStR 1993/1995― auch für den hier in Rede stehenden Fall einer gemäß §§ 29 Abs. 1, 46 Nr. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) beschlossenen Vorabausschüttung zu entscheiden, die von dem später festgestellten Jahresgewinn nicht gedeckt wird. Auch in einem derartigen Fall können Rückforderungsansprüche den tatsächlichen Abfluss der Ausschüttung ―und zwar als Ausschüttung von Gewinn― nicht ungeschehen machen. Das gilt auch dann, wenn die Vorabausschüttung unter dem Vorbehalt einer späteren Gewinndeckung erfolgt ist und wenn sich später herausstellt, dass durch die Vorabausschüttung das Stammkapital angegriffen worden ist. Dies zieht zwar einen entsprechenden Erstattungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter nach sich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 23. Juni 1977 II ZR 220/95, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 1997, 790; Senatsurteil vom 27. Januar 1997 I R 39/75, BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491). Es bleibt aber dabei, dass die dadurch ausgelöste Rückzahlung der überhöhten Vorabausschüttung ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis findet (vgl. §§ 30, 31 GmbHG) und dass sie sich bei der Kapitalgesellschaft deswegen als Einlage erweist. Für die Vorabausschüttung ist hingegen in ihrer ursprünglichen Höhe die Ausschüttungsbelastung gemäß §§ 27 ff. KStG herzustellen (vgl. Senatsurteil in BFHE 190, 103). Auf die Vorabausschüttung ist auch die Kapitalertragsteuer festzusetzen, wobei die Steuerabzugspflicht mit dem Zufluss der Kapitalerträge beim Gläubiger verwirklicht ist (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Dies gilt unabhängig davon, ob im Zeitpunkt des Zuflusses bereits feststeht, dass die Ausschüttung ganz oder teilweise zurückzuzahlen ist; das Behaltendürfen ist nicht Voraussetzung des Zuflusses i.S. des § 11 Abs. 1 EStG und damit auch nicht i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG (vgl. Senatsurteile vom 17. Februar 1993 I R 21/93, BFH/NV 1994, 83; vom 30. Juli 1997 I R 11/96, BFH/NV 1998, 308).
Die demgegenüber vom FG ―im Anschluss insbesondere an Kohlhaas (Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1996, 525, und neuerdings GmbHR 2000, 796)― vertretene, hiervon abweichende Auffassung beruht auf Erwägungen, die der Senat bereits wiederholt berücksichtigt hat; sie geben keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung aufzugeben (vgl. dazu auch z.B. Senatsbeschluss vom 19. Juli 1996 I B 29/95, BFH/NV 1997, 151; ferner den gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG― nicht begründeten und nicht veröffentlichten Senatsbeschluss vom 23. August 2000 I R 94/99, durch den das Urteil des FG Hamburg vom 21. September 1999 VI 120/98, EFG 2000, 39 bestätigt wurde). Ihr hat sich zwischenzeitlich der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Besteuerung des Kapitalgesellschafters angeschlossen, indem die Rückzahlung auch aus dessen Sicht als Einlage (und nicht als negative Einnahme) qualifiziert worden ist (Urteil vom 29. August 2000 VIII R 7/99, BFHE 192, 554, DStR 2000, 1994; anders noch Urteile vom 19. Januar 1977 I R 188/74, BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847; vom 6. März 1979 VIII R 26/78, BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510). Da die Vorinstanz eine abweichende Auffassung vertreten hat, waren ihre Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 664377 |
BFH/NV 2002, 222 |
HFR 2002, 230 |