Entscheidungsstichwort (Thema)
Substanzausbeutevertrag
Leitsatz (NV)
Ob und inwieweit bei Substanzausbeuteverträgen eine zeitlich begrenzte, unter § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallende entgeltliche Nutzungsüberlassung des Grundstücks oder ausnahmsweise eine entgeltliche, aber steuerfreie Übertragung von Bodensubstanz gegeben ist, hat das FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen. Für die danach erforderliche Auslegung und Abgrenzung kommt es entscheidend auf den wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Vereinbarung(en) an, wie er sich nach dem Gesamtbild der gestalteten Verhältnisse des Einzelfalls unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ergibt.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 1999, 775) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist u.a. Eigentümerin eines in ihrem Privatvermögen befindlichen Grundstücks in der Gemeinde X. Unter dem 12. August 1991 schloss sie einen von den Vertragsparteien als "Substanzausbeutevertrag" bezeichneten Vertrag mit im Wesentlichen folgenden Inhalt:
"Zwischen ……(der Klägerin)……. im folgenden Verkäufer genannt, und der Firma…….(KG)……, im folgenden Käufer genannt, wird nachstehender Vertrag geschlossen:
1. Der Verkäufer ist Eigentümer des Grundstücks ….. in der Gemeinde X.
2. Der Verkäufer verkauft dem Käufer hiermit unwiderruflich das ausschließliche Recht, sich das in dem unter 1. angeführten Grundstück befindliche Vorkommen an brauchbarem Füllsand anzueignen, das Vorkommen abzubauen sowie das Grundstück zu gewerblichen Zwecken mit Beförderungsmitteln gleich welcher Art zu befahren.
Der Verkäufer verpflichtet sich, dieses Recht keinem Dritten einzuräumen. Der Käufer nimmt den Abbau des Sandes selber auf eigene Kosten vor.
3. Dem Käufer ist es gestattet, das unter 2. angeführte Ausbeuterecht selbst einem von ihm zu benennenden Dritten einzuräumen.
4. Die erforderlichen Genehmigungen sind vom Käufer bei der hierfür zuständigen Stelle des Landkreises einzuholen. Nach dem Abbau ist das Grundstück auf Kosten des Käufers in den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Dabei sind die Auflagen der genehmigenden Behörde maßgebend. Der Sand kann bis zu einer Tiefe, wie es die Genehmigung besagt, entnommen werden. Hierbei ist die Eignung des Materials für die vom Käufer vorgesehene Baumaßnahme mit maßgebend.
5. Der Kaufpreis für das unter 2. angeführte Recht beträgt 90 000 DM (i.W. neunzigtausend) und ist auf das vom Verkäufer noch zu benennende Bankkonto zu überweisen bzw. die Zahlung erfolgt durch Überreichung eines Verrechnungsschecks."
Die KG stellte am 14. August 1991 an das zuständige Landkreisamt einen Antrag auf Genehmigung eines Bodenabbaus, in dem u.a. neben dem Abbaubeginn (20. September 1991) und dem Abbauende (31. Mai 1992) bei einer Abbaufläche von 71 000 qm die Abbaumenge mit 62 000 cbm angegeben war.
Das Entgelt wurde der Klägerin gegenüber im Januar 1992 per Scheck in Höhe von 81 000 DM (incl. 6 000 DM Umsatzsteuer) und im Dezember 1994 als Restzahlung in Höhe von 16 200 DM (incl. 1 200 DM Umsatzsteuer) abgerechnet und gezahlt.
Die Klägerin gab den Vorgang "Sandausbeuteentgelt" in ihrer Einkommensteuererklärung für 1992 (Streitjahr) nicht an und wurde erklärungsgemäß, jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Nach Eingang einer entsprechenden Kontrollmitteilung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1992, in dem er den Betrag von 81 000 DM als übrige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasste.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage gegen den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten, erneut geänderten Einkommensteuerbescheid 1992 mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 775 veröffentlichtem Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat den vorliegenden Substanzausbeutevertrag im Ergebnis zu Recht als steuerfreie, private Vermögensumschichtung beurteilt.
1. Zu den Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören solche aus der Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen, in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffen, und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht). Derartige Einkünfte erzielt, wer einem anderen zeitlich begrenzt unbewegliches Vermögen gegen Entgelt zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt.
a) So hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung (z.B. Urteile vom 24. November 1992 IX R 30/88, BFHE 170, 71, BStBl II 1993, 296; vom 21. Juli 1993 IX R 9/89, BFHE 172, 498, BStBl II 1994, 231, m.w.N.) und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ―BGH― (z.B. BGH-Urteile vom 7. Februar 1973 VIII ZR 205/71, Wertpapier-Mitteilungen/ Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht ―WM― 1973, 386 ―Sandausbeute―; vom 10. November 1999 XII ZR 24/97, WM 2000, 545, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht ―NJW-RR― 2000, 302 ―Kiesausbeute―, m.w.N.; vom 17. Dezember 1999 V ZR 448/98, WM 2000, 536, Monatsschrift Deutsches Recht ―MDR― 2000, 383 ―Bimsausbeute―) die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze (sog. Ausbeuteverträge) grundsätzlich als Pachtverträge beurteilt und Einnahmen daraus zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gezählt. Indes hat der BFH ebenso mehrfach hervorgehoben, dass Ausbeuteverträge in besonderen Ausnahmefällen auch als Kaufverträge angesehen werden können, nämlich dann, wenn es sich z.B. um einen Vertrag über eine fest begrenzte Menge eines Bodenschatzes handelt (BFH-Urteile vom 7. Oktober 1958 I 199/57 U, BFHE 68, 10, BStBl III 1959, 5; vom 13. Mai 1959 IV 159/58 U, BFHE 69, 88, BStBl III 1959, 294; vom 12. Dezember 1969 VI R 197/67, BFHE 97, 542, BStBl II 1970, 210, m.N.; vom 12. Januar 1972 I R 220/69, BFHE 104, 553, BStBl II 1972, 433; in BFHE 172, 498, BStBl II 1994, 231, m.w.N.).
b) Ob und inwieweit bei Substanzausbeuteverträgen eine zeitlich begrenzte, unter § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallende entgeltliche Nutzungsüberlassung des Grundstücks und/oder eine entgeltliche, aber steuerfreie Übertragung von Bodensubstanz gegeben ist, hat das FG als Tatsacheninstanz zu ermitteln und zu beurteilen. Für die nach den vorstehenden Grundsätzen erforderliche Auslegung und Abgrenzung kommt es entscheidend auf den wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Vereinbarung(en) an, wie er sich nach dem Gesamtbild der gestalteten Verhältnisse des Einzelfalls unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ergibt (einhellige Auffassung; z.B. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1973 VIII R 78/70, BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130; vom 18. August 1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796; in BFHE 172, 498, BStBl II 1994, 231).
2. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG ist zwar in enger Anlehnung an Knobbe-Keuk (in Der Betrieb ―DB― 1985, 144; s.a. Borggreve, DB 1985, 1661) von einem anderen Rechtsstandpunkt als die bisherige Rechtsprechung des BFH ausgegangen. Der Streitfall bietet indes keinen Anlass, sich mit der Kritik im Schrifttum auseinander zu setzen. Die Vorentscheidung erweist sich selbst nach Maßgabe der vorstehend zitierten BFH-Rechtsprechung im Ergebnis insoweit als zutreffend, als danach Ausbeuteverträge jedenfalls in Ausnahmefällen als Kaufverträge beurteilt werden können und die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls hier vorliegen.
Das FG hat den vorliegenden Substanzausbeutevertrag unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände als "Kaufvertrag über eine bestimmte Menge Sandes" gewertet und darin eine steuerfreie private Vermögensumschichtung gesehen. Es hat dabei speziell auf den mit konkreten Angaben versehenen Genehmigungsantrag und die Tatsache abgehoben, dass die angegebene Sandmenge dem Umfang entsprach, der von der KG für das von ihr beabsichtigte Bauvorhaben gebraucht wurde.
Diese Würdigung ist möglich und in sich schlüssig, sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze oder gesetzliche Auslegungsregeln. Der BFH ist daher an diese zu den tatsächlichen Feststellungen gehörende Gesamtwürdigung des FG gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 959771 |
BFH/NV 2003, 1175 |