Leitsatz (amtlich)
Ist ein mit Mitteln der OHG erworbenes, im Grundbuch für die OHG eingetragenes Grundstück bereits im Zeitpunkt des Erwerbs den privaten Zwecken ihrer Gesellschafter zu dienen bestimmt, ist es notwendiges Privatvermögen der Gesellschafter.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG (vertreten durch ihre beiden geschäftsführenden Gesellschafter), erwarb mit notariellem Vertrag vom 14. August 1961 ein unbebautes Grundstück zum Preise von 16 146 DM. Der Kaufpreis wurde - ebenso wie die Nebenkosten - zu Lasten der Klägerin verbucht. Zum 31. Dezember 1961 entnahmen die beiden Gesellschafter das Grundstück aus dem Betriebsvermögen (Gesamthandsvermögen) der Klägerin; der Kaufpreis wurde für beide je zur Hälfte als Privatentnahme gebucht. In den Bilanzen der Klägerin erscheint das Grundstück nicht, obwohl es im Grundbuch auf die OHG eingetragen und eine Übertragung des Eigentums am Grundstück auf die beiden Gesellschafter nicht erfolgt war. Mit notariellem Vertrag vom 6. Mai 1966 wurde das Grundstück für 50 000 DM verkauft; als Veräußerer trat die Klägerin auf (vertreten durch ihren Gesellschafter F. S.).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA), dem dieser Sachverhalt anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1967 bekannt wurde, vertrat den Standpunkt, daß die buchmäßige Entnahme des Grundstücks zum 31. Dezember 1961 die bürgerlich-rechtlich gegebene Lage nicht verändert habe, die OHG vielmehr Eigentümerin des Grundstücks geblieben sei (Urteil des BFH vom 8. Oktober 1965 VI 185/64 U, BFHE 83, 574, BStBl III 1965, 708) und durch die Veräußerung einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 32 498,24 DM erzielt habe. Die angesichts des Bescheides zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr (1966) vom 30. Juli 1968 gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Nach § 873 BGB könnten rechtsgeschäftliche Rechtsänderungen an Grundstücken ausschließlich durch Einigung der Beteiligten und Eintragung in das Grundbuch vollzogen werden. Aus dieser zwingenden sachenrechtlichen Regelung des bürgerlichen Rechts folge, daß die seit Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin bestehende Rechtslage durch die nur buchmäßig vorgenommene Entnahme im Jahre 1961 keine Veränderung erfahren habe, da die für eine Rechtsänderung zwingend vorgeschriebene Grundbucheintragung nicht durchgeführt worden sei. Die Gesellschafter der Klägerin seien durch die nur buchmäßig vorgenommene Entnahme indes auch nicht wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks geworden. Wirtschaftliches Eigentum liege vor, wenn eine andere Person als der rechtliche Eigentümer infolge besonderer Rechtsbeziehungen in Ansehung einer Sache eine so starke Rechtsposition erlangt habe, daß er de facto über die Sache wie der rechtliche Eigentümer verfügen könne, d. h. in tatsächlicher Hinsicht eine dem rechtlichen Eigentümer vergleichbare Stellung erlangt habe. Ein Auseinanderfallen von rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum liege im Streitfalle jedoch schon deshalb nicht vor, weil die Gesellschafter der Klägerin durch ihre Beteiligung selbst rechtliche Eigentümer des Gesamthandsvermögens der Klägerin seien. Sie hätten durch die Entnahmehandlung im Jahre 1961 in Ansehung des Grundstücks keine weitergehenden Rechte erlangt, als sie ihnen bereits zugestanden hätten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Maßgebend für die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum notwendigen Betriebsvermögen einer OHG sei allein seine Zweckbestimmung, nicht seine Zugehörigkeit zum Gesamthandsvermögen oder seine Bilanzierung. Anders als im Falle des BFH-Urteils VI 185/64 U habe das hier in Rede stehende Grundstück nie zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört. Es habe zum Bau eines von beiden Gesellschaftern zu finanzierenden Einfamilienhauses dienen sollen. Die Eintragung der Klägerin als Grundstückseigentümerin im Grundbuch sei irrtümlich erfolgt. Damit sei von Anfang an die Behandlung als notwendiges Privatvermögen zwingend gewesen.
Wenn das BFH-Urteil VI 185/64 U entscheidend auf das bürgerlich-rechtliche Eigentum und die Handelsbilanz als die Grundlage der Steuerbilanz der OHG abstelle, so stehe es im Widerspruch zum Urteil vom 1. April 1966 VI 26/65 (BFHE 86, 131, BStBl III 1966, 365), das ein Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz bestätige. Ähnlich habe sich der BFH auch im Urteil vom 2. März 1967 IV 32/63 (BFHE 88, 323, BStBl III 1967, 391), die Behandlung aus außerbetrieblichen Erwägungen erworbener Geschäftsanteile als gewillkürtes Betriebsvermögen betreffend, geäußert. Nichts anderes besage schließlich das BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 I R 213/69 (BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das handelsrechtlich als Gesellschaftsvermögen (§ 105 Abs. 2 HGB, § 718 BGB), steuerrechtlich als Betriebsvermögen bezeichnete Vermögen der offenen Handelsgesellschaft ist handelsrechtlich gesamthänderisch gebundenes Vermögen ihrer Gesellschafter. Ist die OHG im Grundbuch selbst als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragen (§ 124 HGB), so gehört das Grundstück handelsrechtlich zum Gesellschaftsvermögen, steuerrechtlich in der Regel zum Betriebsvermögen der Gesellschaft (BFH-Urteil VI 185/64 U), sei es als notwendiges Betriebsvermögen, wenn es eine wesentliche Grundlage des Betriebes bildet (BFH-Urteil vom 24. März 1959 I 205/57 U, BFHE 69, 72, BStBl III 1959, 289), sei es als gewillkürtes Betriebsvermögen, sofern seiner Behandlung als gewillkürtes Betriebsvermögen nicht zwingende steuerrechtliche Grundsätze wie im Falle des Erwerbs aus außerbetrieblichen Erwägungen, entgegenstehen (BFH-Urteil IV 32/63). Der Sonderfall, daß das dem Betrieb der Gesellschaft dienende Grundstück im Privateigentum eines oder aller ihrer Gesellschafter steht (BFH-Urteile vom 28. März 1966 VI 43/65, BFHE 86, 80, BStBl III 1966, 352, und vom 5. Juli 1972 I R 230/70, BFHE 107, 108, BStBl II 1972, 928: Sonderbetriebsvermögen des oder der Gesellschafter), kann hier außer Betracht bleiben.
2. Wenngleich danach im Regelfall für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung in erster Linie die bürgerlich-rechtliche Rechtslage maßgebend ist, ist in Ausnahmefällen eine vom Zivilrecht unabhängige Beurteilung geboten. Obwohl die Klägerin bereits vor dem FG darauf hingewiesen hatte, daß die Eintragung der OHG als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch irrtümlich erfolgt sei und daß der vorgesehen gewesene Verwendungszweck des Grundstücks seine Behandlung als Betriebsvermögen, auch als gewillkürtes Betriebsvermögen, nicht gerechtfertigt habe, hat das FG von seinem Standpunkt aus die tatsächliche Richtigkeit des Vortrags der Klägerin nicht überprüft noch diesen Vortrag rechtlich gewürdigt. Es hat seine Entscheidung allein auf die oben angeführte Vermutung gegründet, daß ein im bürgerlich-rechtlichen Eigentum der Gesellschaft selbst stehendes Grundstück im Zweifel stets deren Betrieb diene und deshalb ihrem Betriebsvermögen zugehöre. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar. Ist bereits bei Erwerb eines Grundstücks mit Gesellschaftsmitteln deutlich, daß der Erwerb privaten Interessen der Gesellschafter diente, ist das Grundstück notwendiges Privatvermögen.
Der Umstand, daß die Klägerin nach ihrem Vortrag bereits bei Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1961 im Jahre 1962 den ihr unterlaufenen Fehler bezüglich der Verbuchung des Grundstücks ausgeräumt haben will, verlangt für die Aufrechterhaltung der Vorentscheidung eine tatsächliche Feststellung des FG dahin, daß der Vortrag der Klägerin tatsächlich nicht zutreffe und daß das mit Mitteln des Betriebes erworbene Grundstück zunächst im betrieblichen Interesse der OHG erworben worden sei. Eine solche Feststellung ist dem Urteil des FG nicht zu entnehmen.
Da die Sache deshalb unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war, brauchte der Senat auf die weiteren Rechtsausführungen der Beteiligten, insbesondere auch des FA, hier nicht weiter einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 70529 |
BStBl II 1973, 705 |
BFHE 1973, 519 |