Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Entscheidung der Frage, ob die für eine Unternehmereinheit erforderliche einheitliche Willensbildung vorliegt, kommt es auf das Innenverhältnis an. Bei einer KG ist dabei vom Gesellschaftsvertrag auszugehen.
Bei einer Betriebsaufspaltung in eine Besitzgesellschaft und in eine Betriebsgesellschaft stehen die beiden Gesellschaften im allgemeinen zueinander im Verhältnis der über- und Unterordnung.
UStG § 2 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 2 Ziff. 2; UStDB 1951 in der für das Jahr 1956 geltenden Fassung §
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 2, § 2/2/2; UStDB § 17/2
Tatbestand
Streitig ist, ob zwischen der Steuerpflichtigen (Stpfl.), einer KG, und einer GmbH Unternehmereinheit besteht.
An der Stpfl. sind Frau X. als Komplementärin und ihr Sohn als Kommanditist zu je 50 v. H. beteiligt. Gesellschafter der GmbH sind die Stpfl. zu 80 v. H. und Frau X. und ihr Sohn zu je 10 v. H. Der Sohn ist Prokurist der Stpfl. und Geschäftsführer der GmbH. Außerdem hat ihn Frau X. hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Stpfl. und an der GmbH zu ihrem Generalbevollmächtigten bestellt.
Das Finanzamt lehnte im Steuerbescheid eine Unternehmereinheit mit der Begründung ab, daß zwischen den beiden Gesellschaften eine einheitliche Willensbildung nicht vorhanden sei, und zog die Stpfl. mit den von der GmbH vereinnahmten Pachtbeträgen, soweit sie nicht auf Grundstücke entfielen, zur Umsatzsteuer heran. Der eingelegte Einspruch wurde, soweit es sich um die Frage der Unternehmereinheit handelte, vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen.
Auch die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht ging in seiner Entscheidung unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 176/55 U vom 23. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 376, Slg. Bd. 69 S. 307) davon aus, daß Gesellschafter- und Beteiligungsgleichheit vorlägen, weil es sich um eine Familiengesellschaft handle und deshalb die zum Teil nur mittelbare gleichteilige Beteiligung der Gesellschafter der Stpfl. an der GmbH klar und übersichtlich sei. Es vertrat jedoch die Auffassung, daß eine einheitliche Willensbildung bei beiden Gesellschaften nicht gewährleistet sei, weil zur Führung der Geschäfte der Stpfl. nach § 161 Abs. 2 in Verbindung mit § 114 Abs. 1 HGB allein Frau X. als Alleinkomplementärin berechtigt und verpflichtet sei. Ihr Sohn sei nach § 164 HGB als Kommanditist von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen und könne den über den gewöhnlichen Betrieb nicht hinausgehenden Handlungen der Frau X. nicht widersprechen. Daß ihr Sohn praktisch das Unternehmen der KG leite und Geschäftsführer der GmbH sei, gewährleiste eine einheitliche Willensbildung bei beiden Gesellschaften nicht. Frau X. könne jederzeit die Prokura und die Generalvollmacht widerrufen. Die behauptete bisher praktisch einheitliche Willensbildung genüge unter diesen Umständen nicht, sie auch für die Zukunft zu gewährleisten.
In der Rb. wird geltend gemacht, daß eine einheitliche Willensbildung bei allen an einer Unternehmereinheit beteiligten Gesellschaften dann gegeben sei, wenn die Nämlichkeit der Gesellschafter und die Gleichheit ihrer Beteiligung die Gewähr dafür böten, daß das Zustandekommen einer verschiedenen Willensbildung praktisch ausgeschlossen sei. Auch nach der Rechtsprechung komme es auf die tatsächliche Garantie der einheitlichen Willensbildung an. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Falle gegeben. Herr X. leite seit 25 Jahren als Prokurist das Geschäft der Stpfl. allein und führe die Geschäfte der GmbH seit ihrem Bestehen. Darüber hinaus habe Frau X. ihren Sohn ermächtigt, ihre Rechte und Pflichten in Ansehung der GmbH- Anteile und der Beteiligung an der Stpfl. wie ein Generalbevollmächtigter wahrzunehmen. Die Generalvollmacht sei unwiderruflich erteilt worden. Daraus ergebe sich, daß die einheitliche Willensbildung auch bei einer rein hypothetischen Zukunftsbetrachtung in jedem Falle gewährleistet sei. Letztlich könne keine vertragliche Regelung für alle Zeiten eine Gewähr für das Zustandekommen einer einheitlichen Willensbildung bieten. Das Finanzgericht verkenne auch die besonderen Bedingungen der Familiengesellschaft.
Entscheidungsgründe
Die eingelegte Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Unternehmereinheit, die auch zwischen einer Personengesellschaft und einer juristischen Person möglich ist, setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß dieselben Gesellschafter im gleichen Verhältnis an allen Gesellschaften beteiligt sind, daß für alle Gesellschaften eine einheitliche Willensbildung besteht, und daß die Gesellschaften einander nebengeordnet sind. Der Senat stimmt mit dem Finanzgericht darin überein, daß die nur mittelbare Beteiligung der Gesellschafter an der GmbH eine Unternehmereinheit zwischen ihr und der Stpfl. nicht ausschließt (Urteile des Bundesfinanzhofs V 176/55 U vom 23. Juli 1959, a. a. O., und V 10/57 U vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 395, Slg. Bd. 69 S. 360). Unter den gegebenen Verhältnissen hat das Finanzgericht die Gleichheit der Beteiligung mit Recht bejaht.
Dagegen vermag der Senat den Ausführungen des Finanzgerichts zur Frage der einheitlichen Willensbildung nicht zuzustimmen. Unter einheitlicher Willensbildung ist, wie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294) ausgeführt ist, der bei allen Betrieben bestehende Einfluß auf die Willensbildung der gemeinsamen Betriebe zu verstehen, die sich zwangsläufig nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Betriebe richtet. Sie vollzieht sich, wie demselben Urteil zu entnehmen ist, in den rechtlich gesonderten Verwaltungsorganen (Gesellschafterversammlung, Vorstand). Für eine KG kommt dafür grundsätzlich der Gesellschaftsvertrag in Betracht. In dem vorliegenden Falle hatte Frau X. als alleinige Komplementärin ihren Sohn zum Prokuristen bestellt und ihm hinsichtlich ihrer Beteiligung Generalvollmacht erteilt. Bei dieser Sachlage konnte das Finanzgericht zu Recht annehmen, daß die Willensbildung der KG bei Frau X. lag. Als Kommanditist war ihr Sohn von der Geschäftsführung ausgeschlossen. In seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter wurde er für seine Mutter tätig. An der GmbH sind die Stpfl. zu 80 v. H. und Frau X. und ihr Sohn zu je 10 v. H. beteiligt. Frau X. bestimmt deshalb in der Gesellschafterversammlung über die KG auch den Willen der GmbH. Soweit dabei ihr Sohn für sie auftritt, bringt er ebenfalls ihren Willen zum Ausdruck. Auf ihrem Willen beruht die Erteilung der Prokura an ihren Sohn bei der KG und die übertragung der Geschäftsführung der GmbH auf ihren Sohn. Es bestand hiernach für die KG und die GmbH eine einheitliche Willensbildung. Die Vorinstanzen haben auch nur in Zweifel gezogen, daß die einheitliche Willensbildung nicht gewährleistet, d. h. auch für die Zukunft gesichert sei. Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht erkennbar. Die einheitliche Willensbildung wird insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, daß Frau X. die Prokura und die Generalvollmacht widerrufen kann. Für die Willensbildung kommt es entscheidend auf das Innenverhältnis an. Diese Willensbildung liegt aber in Ansehung der Stpfl. und in Ansehung der GmbH bei Frau X. Sie kann, wenn sie ihrem Sohn die Prokura entziehen zu müssen glaubt, auch die Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH widerrufen bzw. kündigen. Die einheitliche Willensbildung erscheint deshalb auch gesichert. Da die Vorentscheidung insoweit auf einem Rechtsirrtum beruht, war sie aufzuheben.
Der Senat vermag jedoch in der Sache nicht selbst zu entscheiden, weil die Vorinstanzen nicht geprüft haben, ob die beiden Gesellschaften zueinander im Verhältnis der Nebenordnung stehen. Wie sich aus den Akten ergibt, handelt es sich im vorliegenden Falle um eine Betriebsaufspaltung in eine Besitzgesellschaft (Personengesellschaft) und eine Betriebsgesellschaft (Kapitalgesellschaft) und um die Verpachtung des Betriebsvermögens von der Besitzgesellschaft an die Betriebsgesellschaft. Eine durch Betriebsaufspaltung entstandene Kapitalgesellschaft steht aber im allgemeinen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der Besitzgesellschaft (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs V 81/59 U vom 13. April 1961, BStBl 1961 III S. 343, Slg. Bd. 73 S. 209, und V 193/59 vom 26. Oktober 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 S. 211). Liegt ein Organverhältnis vor, so sind während der Geltungsdauer des Art. II des Kontrollratsgesetzes Nr. 15 beide Gesellschaften als selbständig zu behandeln, so daß die nicht auf die Grundstücke entfallenden Pachteinnahmen zu versteuern wären. Es wird deshalb noch zu prüfen sein, ob die beiden Gesellschaften zueinander im Verhältnis der Nebenordnung oder im Verhältnis der über- bzw. Unterordnung stehen. Zu diesem Zwecke wird die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 410689 |
BStBl III 1963, 107 |
BFHE 1963, 301 |
BFHE 76, 301 |