Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktiv- und Passivlegitimation bei Forderungen gemäß § 1 Abs. 3 ZerlG
Leitsatz (NV)
1. Eine Änderung des Klägers oder des Beklagten ist gemäß § 123 FGO im Revisionsverfahren unzulässig, wenn kein gesetzlicher Parteiwechsel vorliegt und die Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren genau bezeichnet waren.
2. Die Finanzämter sind nicht aktiv legitimiert, Ansprüche gemäß § 1 Abs. 3 ZerlG gegen ein anderes Bundesland aus eigenem Recht einzuklagen.
3. Der Anspruch eines Bundeslandes gemäß § 1 Abs. 3 ZerlG richtet sich unmittelbar gegen das betroffene andere Bundesland.
Normenkette
ZerlG §§ 1-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (das Finanzamt A -- FA-A --) klagte vor dem Finanzgericht (FG) gegen den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt B -- FA-B --) auf Zahlung von ... DM gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 des Zerlegungsgesetzes (ZerlG) i. d. F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zerlegungsgesetzes (2. ZerlÄndG) vom 8. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1331, BStBl I 1981, 910). Das FG hat die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde dem FA-A am 2. April 1993 zugestellt. Es legte am 23. April 1993 Revision beim FG ein, der folgender vom FG festgestellter Sachverhalt zugrunde liegt:
Das FA-A erstattete der C-GmbH aufgrund eines ihr gegenüber am 9. Juli 1990 erlassenen Körperschaftsteuerbescheides 1986 Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM. Alleiniger Gesellschafter der C-GmbH war im Streitjahr 1986 die X-AG. Die C-GmbH hatte ihren Sitz vor dem 6. Juni 1986 in D. Durch Beschluß ihres Alleingesellschafters vom 6. Juni 1986 verlegte sie denselben nach A. Die bis zum 6. Juni 1986 amtierenden Geschäftsführer, die gleichzeitig Direktoren der X-AG waren und ihren Dienstsitz in D hatten, wurden im Zeitpunkt der Sitzverlegung durch zwei andere Direktoren der X-AG abgelöst, die in A beruflich tätig waren. Die C-GmbH verfügte weder über einen sachlichen noch über einen persönlichen Apparat zur Abwicklung ihrer Geschäfte. Diese wurden von den Vorstandsmitgliedern und anderen Angestellten der X- AG besorgt.
Die X-AG hatte im Streitjahr 1986 ihren Sitz in D. Sie verfügte über zwei "Zentralen", von denen je eine in D und in A gelegen war. Von den ... Vorstandsmitgliedern der X-AG hatten ... ihren Dienstsitz in D und ... denselben in A.
Die C-GmbH betrieb den Erwerb, die Verwaltung und Veräußerung von Beteiligungen im In- und Ausland für eigene Rechnung. Sie erwarb u. a. 1985 von der Y-KG Inhaberaktien der Y-AG zu einem Kaufpreis von ... DM. Im Jahre 1986 erzielte die C- GmbH von der Y-AG eine Dividende einschließlich Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von ... DM. Noch in 1986 wurden die Inhaberaktien durch ein Bankenkonsortium für Rechnung der C-GmbH verkauft. Die C-GmbH erzielte einen Veräußerungserlös von ... DM.
Das zu versteuernde Einkommen 1986 der C-GmbH betrug ... DM. Es löste eine tarifliche Körperschaftsteuer 1986 von ... DM aus. Dieser Steuerbetrag wurde gemäß § 27 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) um ... DM gemindert. Die fest gesetzte Körperschaftsteuer 1986 betrug deshalb ... DM. Darauf waren Kapital ertragsteuern und Körperschaftsteuer in einer Gesamthöhe von ... DM anzurechnen, weshalb das FA-A an die C-GmbH den Betrag von ... DM zu erstatten hatte. Von diesem Betrag waren je 50 v. H. = ... DM vom Land G und vom Bund zu tragen.
Ursprünglich vertrat das FA-A die Auffassung, für die Besteuerung der C-GmbH nicht zuständig zu sein, weil deren Geschäftsleitung sich ununterbrochen in D befunden habe. Jedoch lehnte das FA-B die Übernahme ab, weil es seinerseits davon ausging, daß die C-GmbH ihre Geschäftsleitung ab dem 7. Juni 1986 in A gehabt habe. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) entschied den Kompetenzkonflikt durch Schreiben vom 23. April 1987 gemäß § 28 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu Lasten des FA-A. Von der Entscheidung sollten die Rechte der beteiligten Länder nach dem ZerlG unberührt bleiben.
Nach Erlaß des Körperschaftsteuerbescheides 1986 gegenüber der C-GmbH forderte das FA-A das FA-B zur Zahlung von ... DM auf. Es machte geltend, daß sich die Geschäftsleitung der C-GmbH sowohl am 20. September 1986 als auch am 10. Oktober 1986 in D befunden habe. Die C-GmbH sei eine Organgesellschaft der X-AG gewesen. Der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille sei in 1986 von der X-AG als der Organträgerin gebildet worden. Deshalb sei der Ort der Geschäftsleitung der Organträgerin (X-AG) gleichzeitig der Ort der Geschäftsleitung der Organgesellschaft (C-GmbH). Die Geschäftsführer der C-GmbH hätten lediglich die ihnen von der X-AG vorgegebene Geschäftspolitik bei der C-GmbH durchgesetzt.
Da das FA-B die Zahlung ablehnte, erhob das FA-A die eingangs erwähnte Klage vor dem FG. Diese wurde abgewiesen.
Mit seiner Revision rügt das FA-A die Verletzung des § 1 Abs. 1 und 3 ZerlG und der §§ 20 Abs. 1, 10 AO 1977.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA-B bzw. das Land Z zu verurteilen, an das Land G ... DM zu zahlen. Gleichzeitig regt es an, das Klagerubrum dahingehend zu berichtigen, daß als Kläger das Land G, vertreten durch das FA-A, auftritt.
Das FA-B beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) .
1. Der Antrag des FA-A, die vor dem FG erhobene Klage als eine solche des Landes G zu behandeln, ist unzulässig. Er zielt auf eine Klageänderung, die gemäß § 123 FGO im Revisionsverfahren unzulässig ist.
Sowohl die Änderung des Klägers als auch die Änderung des Beklagten sind grundsätzlich als Klageänderung zu beurteilen (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 63 Rdnr. 5 m. w. N.). Etwas anderes gilt nur, wenn Kläger oder Beklagter ursprünglich unvollständig oder unrichtig bezeichnet wurden, jedoch an ihrer Identität keine Zweifel bestehen sowie im Falle eines gesetzlichen Parteiwechsels. Diese Voraussetzungen sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt. Das FA-A hat in Verkennung der materiellen Rechtslage im eigenen Namen und aus eigenem Recht geklagt. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus seiner Antwort vom 29. August 1988 auf die Anfrage des Vorsitzenden des FG vom 8. Juli 1988, die u. a. auf damals bestehende Bedenken gegen die Aktivlegitimation des FA-A und die Passivlegitimation des FA-B hinwies. Das FA-A teilte diese Bedenken nicht und behauptete, einen Zahlungsanspruch aus eigenem Recht zu haben. Ein solches Vorgehen schließt die Annahme einer "falsa demonstratio" aus. Dem steht das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. April 1989 VI R 80/85 (BFH/NV 1990, 171) nicht entgegen. Es betrifft keinen Fall der Klageänderung, sondern nur einen solchen der Auslegung des Klageantrags. Im Streitfall war kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß das FA-A eine Klage im Namen des Landes G erheben wollte.
2. Dem FA-A steht der eingeklagte Zahlungsanspruch gegen das FA-B nicht zu.
a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 ZerlG ist ein Steuerbetrag, der einem Bundesland zugeflossen ist, dem der Steueranspruch nach § 1 Abs. 1 ZerlG nicht zusteht, an das steuerberechtigte Bundesland zu überweisen. Daraus folgt, daß nur das steuerberechtigte Bundesland aktiv legitimiert ist, den Zahlungsanspruch nach § 1 Abs. 3 ZerlG geltend zu machen. Der Anspruch steht nicht einem Finanzamt (FA) des steuerberechtigten Bundeslandes zu. Ob er von einem FA im Namen und für Rechnung des steuerberechtigten Bundeslandes geltend gemacht werden kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil es -- wie dargelegt -- an einer im Namen des Landes G erhobenen Klage fehlt.
b) Der Anspruch richtet sich ausschließlich gegen das Bundesland, das den Steuerbetrag vereinnahmte. Er richtet sich nicht gegen ein FA dieses Bundeslandes. Zwar sieht § 3 Abs. 2 Satz 2 ZerlG vor, daß die oberste Finanzbehörde eines Bundeslandes ein FA mit der Wahrnehmung der Rechte des Landes an einer Zerlegung beauf tragen kann. Dies gilt jedoch nur für die Beteiligung an dem in §§ 2 und 3 ZerlG geregelten Zerlegungsverfahren und nicht für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1 Abs. 3 ZerlG. Die Klage des FA- A gegen das FA-B hätte deshalb richtigerweise schon deshalb abgewiesen werden müssen, weil dem klagenden FA-A die Aktivlegitimation und dem beklagten FA-B die Passivlegitimation für den geltend gemachten Zahlungsanspruch fehlt. Eine entsprechende Klage des Landes G gegen das Land Z hätte im Jahr 1988 unmittelbar beim BFH eingelegt werden müssen (§ 37 Nr. 3 FGO a. F.).
3. Zwar ist das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb muß die Vorentscheidung jedoch nicht aufgehoben werden. Sie ist aus anderen Rechtsgründen im Ergebnis zutreffend. Daher verletzt sie kein Bundesrecht.
Fundstellen
Haufe-Index 420430 |
BFH/NV 1995, 732 |