Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Bei der Veräußerung eines in Berlin (West) belegenen Grundstückes zwischen dem 21. Juni 1948 und dem Inkrafttreten des LAG wird der Veräußerer persönlicher Abgabeschuldner der Hypothekengewinnabgabe, die aus der Umstellung eines durch eine Abgeltungslast gesicherten Darlehens zur Abgeltung der Gebäudeentschuldungsteuer entsteht.
Diese Regelung ist nicht wegen verbotener Rückwirkung verfassungswidrig.
Normenkette
LAG § 118 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, § 154 Abs. 2; GUG § 23/c, § 13; GG Art. 2 Abs. 1
Tatbestand
Die Bfin. verkaufte im September 1948 ein ihr am Währungsstichtage gehöriges, in Berlin (West) belegenes Grundstück. Sie wurde vom Finanzamt mit vorläufigem Bescheide vom November 1954 als persönliche Abgabeschuldnerin zu der Hypothekengewinnabgabe (HGA) herangezogen, die aus einer auf dem Grundstück am Währungsstichtage ruhenden Hauszinssteuerabgeltungslast entstanden war.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht führte aus, die persönliche Abgabepflicht der Bfin. ergebe sich aus den §§ 118 und 154 LAG in Verbindung mit § 23 Buchst. c des Gesetzes über die Umstellung von Grundpfandrechten und über Aufbaugrundschulden (GUG). Die Bfin. habe zwar beim Verkaufe des Grundstückes mit der Erwerberin vereinbart, daß diese die Lastenausgleichsverpflichtung übernehmen solle. Der Anspruch hierauf sei aber zivilrechtlicher Natur und könne in diesem Verfahren nicht geltend gemacht werden, auch wenn die Bfin. diesen Anspruch nicht durchgesetzt habe oder nicht habe durchsetzen können und daraus für sie eine Härte entstanden sei.
Die Bfin. hat in der im Rechtsbeschwerdeverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten, daß die vom Verwaltungsgericht angeführten gesetzlichen Vorschriften zu ihrer persönlichen Abgabepflicht führen. Sie machte jedoch geltend, die wörtliche Auslegung der genannten gesetzlichen Vorschriften des GUG und des LAG verstoße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und sei deshalb verfassungswidrig; durch sie werde ihr rückwirkend eine Steuerbelastung aufgebürdet, mit der sie im Zeitpunkte der Veräußerung ihres Grundstückes nicht habe rechnen können. Die Hauszinssteuerabgeltungslast habe am Währungsstichtage als öffentliche Last auf ihrem Grundstück geruht. Sie habe damit gerechnet und auch nur damit rechnen können, daß der aus der Umstellung dieser öffentlichen Last entstandene Schuldnergewinn auch nur wieder als öffentliche Last zum Lastenausgleich herangezogen werden könne. Für diese Auffassung hätte auch das im Zeitpunkte der Grundstücksveräußerung bereits geltende Hypothekensicherungsgesetz (HypSichG) vom 2. September 1948 gesprochen, das ausdrücklich vorgesehen habe, daß die aus der Umstellung von Abgeltungslasten der Gebäudeentschuldungsteuer sich ergebenden Schuldnergewinne als öffentliche Lasten auf dem Grundstücke ruhen würden. Wenn auch dieses Gesetz nicht in Berlin (West) gegolten habe, so hätten doch Literatur und Rechtsprechung bereits im Jahre 1949 angenommen, daß die Vorschriften über die Umstellung von RM-Verbindlichkeiten auch auf dingliche Rechte Anwendung fänden. Von dieser Rechtslage sei sie beim Verkaufe des Grundstückes ausgegangen. Das LAG, das vier Jahre nach Abschluß des Kaufvertrages ergangen sei, habe mit den Sondervorschriften der §§ 118 und 154 in Verbindung mit § 23 Buchst. c GUG die Rechtslage des Jahres 1948 durch die Begründung einer persönlichen Abgabepflicht in das Gegenteil verändert.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Nach § 23 Buchst. c GUG ist aus der auf dem Grundstücke ruhenden Hauszinssteuerabgeltungslast eine Aufbaugrundschuld im Sinne des § 13 GUG nicht entstanden. Gemäß § 118 Abs. 2 Ziff. 3 LAG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 LAG ruhte daher auf dem Grundstück keine Abgabeschuld als öffentliche Last. Vielmehr wurde die Bfin., die am 20. Juni 1948 - in Berlin (West) gemäß § 142 Abs. 2 LAG am 24. Juni 1948 - Schuldnerin der umgestellten Verbindlichkeit war, persönliche Abgabeschuldnerin der HGA (ß 118 Abs. 3 LAG).
Der Einwand der Bfin., die Rückwirkung der ihre persönliche Abgabepflicht begründenden Bestimmungen des GUG und des LAG verletze den Verfassungsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit, was zur Folge habe, daß diese Vorschriften nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung seien, ist nicht gerechtfertigt. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), der das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter Beschränkung durch die verfassungsmäßige Ordnung gewährleistet, ist durch die beanstandete Rückwirkung nicht verletzt.
Der hier in Frage stehende Grundrechtsteil des GG gilt auch in Berlin (West), da der durch ihn gewährte Schutz des einzelnen eine unmittelbare organisatorische Eingliederung Berlins in das Gefüge der westdeutschen Bundesrepublik weder zur Voraussetzung noch zur Folge hat (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 24/51 vom 25. Oktober 1951, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 1 S. 70, 72). Die Vorschriften der in Berlin (West) geltenden Gesetze, so auch des GUG und des LAG, können daher auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten des GG überprüft werden.
Die Rückwirkung des LAG und des GUG ist zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits bei der Bejahung der Verfassungsmäßigkeit des HypSichG ausgesprochen, daß Art. 2 Abs. 1 GG der Rückwirkung dann nicht entgegenstehen könne, wenn mit dem Erlaß rückwirkender Bestimmungen von vornherein gerechnet werden mußte (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 102/51 vom 24. April 1953, BVerfGE Bd. 2 S. 237 (266)). Das war, ebenso wie beim HypSichG, beim GUG und beim LAG der Fall. Bereits die Zweite Verordnung der Militärregierung zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsverordnung) vom 4. Juli 1948 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin S. 374) hatte auch in Berlin die Erfassung der durch die Umstellung der RM-Verbindlichkeiten im Verhältnis 10 : 1 auf DM entstehenden Schuldnergewinne für die Zwecke des Lastenausgleichs vorgesehen (Art. 14 Tz. 34 der Umstellungsverordnung). Beim Erlaß des GUG und der übernahme des LAG führte der Berliner Gesetzgeber nur diese gesetzliche Grundentscheidung aus.
Der Einwand der Bfin., sie habe nicht mit einer persönlichen Abgabepflicht rechnen können, ist nicht begründet. Es ist zwar richtig, daß in Literatur und Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten der Währungs- und Umstellungsgesetze allgemein angenommen wurde, die Umstellung der dinglichen Rechte richte sich nach denselben Vorschriften wie die Umstellung der diesen Rechten zugrunde liegenden Forderungen. Daraus konnte die Bfin. aber nicht herleiten, daß bei dinglich gesicherten Forderungen die vorgesehene Heranziehung der Schuldnergewinne zum Lastenausgleich nicht als persönliche Verpflichtung, sondern als verdinglichte, bei der Veräußerung des Grundstücks auf den Erwerber übergehende Abgabe ausgestaltet werden würde. Art. 14 Tz. 34 der Umstellungsverordnung ließ einen derartigen Schluß nicht zu. Aus dieser Vorschrift war nur zu entnehmen, daß derjenige, der einen Schuldnergewinn aus der Umstellung einer am Währungsstichtage bestehenden RM-Verbindlichkeit erzielte, mit der Heranziehung dieses Schuldnergewinnes zum Lastenausgleich rechnen müsse. Die Bfin., deren Schuld aus dem durch die Hauszinssteuerabgeltungslast gesicherten Abgeltungsdarlehen durch die Währungsumstellung im Verhältnis 10 : 1 gemindert wurde, konnte daher nicht darauf vertrauen, daß bei der Veräußerung dieses Grundstückes die zu erwartende Abgabepflicht nicht in ihrer Person, sondern in der Person der Grundstückserwerberin entstehen würde, die selbst keinen Schuldnergewinn erzielt hatte. Die Bfin. mußte sich deshalb beim Verkaufe des Grundstückes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen sichern, wie sie es ja auch versucht hat.
Die Bfin. kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe auf Grund des HypSichG, das bei dinglichen Rechten die Entstehung von sogenannten Umstellungsgrundschulden in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Nennbetrag des Rechtes in RM und dem Umstellungsbetrag in DM anordnete, mit einer entsprechenden Ausgestaltung der Abgabe beim Lastenausgleich gerechnet. Die Regelung des HypSichG war eine vorläufige. Sie diente ausschließlich dazu, etwaige Ansprüche aus Schuldnergewinnen unter Berücksichtigung des Lastenausgleichs sicherzustellen (vgl. § 3 Abs. 1 HypSichG). In welcher Weise der Gesetzgeber diese Ansprüche geltend machen würde, ließ sich aus diesem Gesetz nicht entnehmen. Die spätere Begründung einer persönlichen Abgabepflicht, vor allem in den Fällen einer Veräußerung des mit dem Grundpfandrecht belasteten Grundstückes vor dem Inkrafttreten des LAG, wurde dadurch nicht ausgeschlossen.
Ganz abgesehen davon galt das HypSichG nicht in Berlin (West). Der Gesetzesbefehl des Bundesgesetzgebers erstreckte sich nicht auf das Land Berlin. Zur Einführung von Bundesgesetzen in Berlin (West) bedurfte es eines Gesetzgebungsaktes des Berliner Gesetzgebers (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 6/56 vom 21. Mai 1957, BVerfGE Bd. 7 S. 1 (13)). Der Berliner Gesetzgeber war dabei im Zeitpunkt des Erlasses des GUG nicht gehalten, die Regelung eines Bundesgesetzes zu übernehmen, und verletzte nicht den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, wenn er, wie im Falle des GUG, eine von der Bundesgesetzgebung abweichende Regelung traf. Von einer durch das GUG erfolgten rückwirkenden änderung einer auf Grund des HypSichG bestehenden Rechtslage kann daher nicht gesprochen werden.
Die Inanspruchnahme der Bfin. ist daher zu Recht erfolgt. Es wird nicht verkannt, daß wegen der besonderen Umstände des Falles die nachträgliche Belastung der Bfin. mit einer persönlichen Abgabepflicht eine Härte darstellt. Die Entscheidung, ob und inwieweit deshalb möglicherweise Abgabeleistungen erlassen werden können, muß aber dem bereits anhängigen Erlaßverfahren vorbehalten bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 424017 |
BStBl III 1963, 269 |
BFHE 76, 737 |