Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Wenn auch bei einer eingetragenen Genossenschaft eine Erhöhung der Geschäftsanteile erst mit der Eintragung im Genossenschaftsregister rechtswirksam wird, so schließt dies nicht aus, daß die Verpflichtung zur Einzahlung der Erhöhungsbeträge schon vor der Eintragung im Register durch Satzungsbeschluß begründet und daß durch diesen Beschluß die Fälligkeit der Einzahlungsverpflichtung herbeigeführt werden kann. Da die Genossenschaft in derartigen Fällen mit einer Rückforderung der auf Grund des Genossenschaftsbeschlusses geleisteten Einzahlungen nicht zu rechnen braucht, liegt vor der Eintragung des Satzungsbeschlusses im Genossenschaftsregister das Bestehen einer wirtschaftlichen Last nicht vor.
Normenkette
BewG §§ 62, 103; BewDV § 52a Ziff. 3; GenG §§ 7, 16/4
Tatbestand
Die Bfin., eine eingetragene Genossenschaft, gehört steuerlich zu den Warengenossenschaften im Sinne des § 52a Ziff. 3 BewDV. Da ihr Rohvermögen am 1. Januar 1957 mehr als 300.000 DM betragen hat, kann sie an diesem Stichtage die gemäß § 52a Ziff. 3 BewDV den Warengenossenschaften mit einem Rohvermögen unter 300.000 DM eingeräumte Vergünstigung nicht in Anspruch nehmen und ist deshalb nicht berechtigt, die Geschäftsguthaben ihrer Genossen vom Rohvermögen abzuziehen.
Bei der Einheitswertfeststellung und Vermögensermittlung auf den 1. Januar 1957 ist ein Posten in Höhe von ........ DM streitig geworden, den die Bfin. in ihrer Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1957 unter der Bezeichnung "Anzahlung von Kunden" in Abzug gebracht hat. Das Finanzamt, nach dessen Ermittlungen es sich bei diesem Betrage um Einzahlungen auf Geschäftsanteile handelt, hat den streitigen Posten als Eigenkapital behandelt und nicht zum Abzug vom Rohvermögen der Genossenschaft zugelassen.
Die Vorgänge, die zur Entstehung dieses Bilanzpostens geführt haben, gehen auf die am 26. Mai 1956 abgehaltene Generalversammlung der Genossenschaft zurück. In dieser Generalversammlung war einstimmig beschlossen worden, im Wege einer Satzungsänderung die Geschäftsanteile der Genossen von je 100 DM auf je 200 DM zu erhöhen. Im Hinblick auf die Einzahlung der Erhöhungsbeträge wurde ergänzend noch der Beschluß gefaßt, die Einzahlung gemäß der Satzung durch Umbuchung der Warenrückvergütungen für 1955 und 1956 vorzunehmen und im übrigen die Einzahlung bis zur Generalversammlung 1957 zu stunden. Die Satzungsänderung betreffend die Erhöhung der Genossenschaftsanteile ist dem Registergericht erst am 9. Mai 1957 bekanntgegeben worden. Tatsächlich waren schon vor der Bekanntgabe des Satzungsbeschlusses und seiner Eintragung im Genossenschaftsregister teils durch Verrechnung der Gutschriften aus Warenrückvergütung, teils durch unmittelbare Zahlungen der Genossen Beträge angesammelt worden, die bei der Vermögensfeststellung zum 1. Januar 1957 in dem streitigen Bilanzposten Ausdruck gefunden haben.
Die Genossenschaft vertritt die Auffassung, daß diese Beträge als Vorauszahlungen der Genossen auf die Anteilserhöhung bis zur Eintragung der Satzungsänderung im Genossenschaftsregister echte Schulden für sie darstellten und als solche am Stichtag abzugsfähig seien.
Einspruch und Berufung sind indessen erfolglos geblieben. Der Steuerausschuß hat dazu ausgeführt, die Genossen hätten ihre Einzahlungen im Glauben an einen gültigen Generalversammlungsbeschluß geleistet und hätten schon deshalb formaljuristisch mögliche Rückforderungsansprüche vor der Eintragung des Beschlusses nicht stellen können, weil ihnen die wegen der Verzögerung der Registereintragung zunächst fehlende Rechtswirksamkeit des Generalversammlungsbeschlusses nicht bekannt gewesen sei. Die Steuerpflichtige habe daher schon am Bewertungsstichtag über die eingezahlten Beträge wie über eigenes Vermögen verfügen können. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise müßten daher die neu eingezahlten Geschäftsanteile ebenso wie die seitherigen Geschäftsguthaben als Eigenvermögen der Steuerpflichtigen angesehen werden.
Das Finanzgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil der Auffassung des Finanzamts angeschlossen und hat ergänzend noch darauf hingewiesen, daß die Bfin. etwaige Rückforderungsansprüche ihrer Genossen jederzeit durch Anmeldung der Anteilserhöhung beim Handelsregister hätte zu Fall bringen können.
Entscheidungsgründe
Auch der mit im wesentlichen gleichbleibender Begründung eingelegten Rb. muß der Erfolg versagt werden.
Es ist davon auszugehen, daß die Geschäftsguthaben der Genossen ebenso wie ein etwaiger Reservefonds und die nichtausgeschütteten Gewinne der Genossenschaft deren Eigenkapital darstellen und daß die Geschäftsguthaben deshalb, soweit nicht die Ausnahmevorschrift des § 52a Ziff. 3 BewDV Platz greift, vom steuerpflichtigen Rohvermögen der Genossenschaft nicht in Abzug gebracht werden können. Nun gehören allerdings die Beträge, aus denen sich der hier streitige Posten zusammensetzt und die zum Teil Bareinzahlungen der Genossen auf die beschlossene Anteilserhöhung darstellen, zum Teil aus der Verrechnung von Warenrückvergütungen auf die eben erwähnte Anteilserhöhung stammen, nicht zu den Geschäftsguthaben in dem Sinne, wie ihn das Genossenschaftsgesetz in § 7 zum Ausdruck bringt. Denn grundsätzlich können die Einzahlungen der Genossen nur bis zur Höhe der satzungsmäßig bestimmten Geschäftsanteile Geschäftsguthaben bilden. übersteigen die Einzahlungen der Genossen die festgelegten Geschäftsanteile, so gehören die überzahlten Beträge nicht zu den Geschäftsguthaben im Sinne des Genossenschaftsgesetzes (vgl. hierzu Lang-Weidmüller, Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, 27. Auflage, Bem. 3 zu § 7). Das gleiche hat aber auch dann zu gelten, wenn wie hier Zahlungen geleistet werden, bevor eine beschlossene Erhöhung der Geschäftsanteile, die als Satzungsänderung der Eintragung im Genossenschaftsregister bedarf, durch diese Eintragung Rechtswirksamkeit erlangte (vgl. § 16 Abs. 4 des Genossenschaftsgesetzes). Auch in einem solchen Falle stellen die Einzahlungen, die vorzeitig auf die satzungsmäßig noch nicht durchgeführte Anteilserhöhung geleistet werden, zunächst keine Geschäftsguthaben im Sinne des Gesetzes dar.
Das besagt aber anderseits nicht, daß solche Beträge als Schulden vom Betriebsvermögen abgezogen werden müßten. Denn wenn auch die satzungsmäßig festgelegte Höhe der Geschäftsanteile bei der Neugründung der Genossenschaft erst mit ihrer Eintragung im Genossenschaftsregister rechtswirksam wird, so schließt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keineswegs aus, daß die Verpflichtung zur Einzahlung der Genossenschaftsanteile schon vor der Eintragung im Register durch Satzungsbeschluß begründet und daß auch durch diesen Beschluß die sofortige Fälligkeit der Einzahlungsverpflichtung herbeigeführt werden kann (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 295/53 vom 13. Oktober 1954, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 15 S. 66 ff., ähnlich auch Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2 AZR - 11/62 - vom 8. November 1962, Neue Juristische Wochenschrift 1963 S. 680). Entsprechendes muß dann aber auch gelten, wenn bei einer bereits eingetragenen Genossenschaft die Geschäftsanteile im Wege der Satzungsänderung erhöht werden. Auch hier kann durch Satzungsbeschluß die Einzahlungspflicht begründet und die sofortige Fälligkeit der Erhöhungsbeträge herbeigeführt werden. Ein solcher Beschluß ist hier im Hinblick auf die Verrechnung der Warenrückvergütungen gefaßt worden. Die bar zu bezahlenden Erhöhungsbeträge sind allerdings bis zur Generalversammlung 1957 gestundet worden, doch ist auch insoweit die Verpflichtung zur Einzahlung schon durch den Genossenschaftsbeschluß vom 26. Mai 1956 begründet worden. Soweit diese Beträge trotz Stundung noch vor dem 1. Januar 1957 freiwillig gezahlt worden sind, liegt eine Leistung vor der Fälligkeit vor, nicht aber die Erfüllung einer nichtgeschuldeten Leistung. Eine Rückforderung der bereits erbrachten Leistungen auf das erhöhte Stammkapital, insbesondere der bar gezahlten Beträge, erscheint unter diesen Umständen ausgeschlossen. Es fehlt insoweit jedenfalls an einer wirtschaftlichen Belastung der Bfin., weil sie mit einer Rückforderung der auf Grund des Genossenschaftsbeschlusses geleisteten Einzahlungen nicht zu rechnen brauchte und auch nicht gerechnet hat. Da aber das Vermögen der Bfin., deren Rohvermögen durch die Einzahlung bzw. Verrechnung der streitigen Beträge eine Erhöhung erfahren hat, insoweit nicht durch Rückzahlungsverpflichtungen belastet ist, kann auch der begehrte Abzug nicht gewährt werden.
Da im übrigen die Behauptung, in dem streitigen Posten sei ein Betrag von ..... DM aus Anzahlungen von Kunden enthalten, neues tatsächliches Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz darstellt, das gemäß § 288 AO nicht berücksichtigt werden darf, erweist sich die Rb. als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 410777 |
BStBl III 1963, 294 |
BFHE 1963, 808 |
BFHE 76, 808 |