Leitsatz (amtlich)
Werden Grundstücke im Rahmen vorweggenommener Erbfolge schenkweise übertragen und nutzt der Übertragende auf Grund unentgeltlicher auf Lebenszeit vorbehaltener Nießbrauchsrechte den übereigneten Grundbesitz wirtschaftlich unverändert, insbesondere in gleichem Maße, in gleicher Weise, gegen Entzug gleich gesichert und auf die gleiche Dauer wie zuvor, so bleibt er wirtschaftlicher Eigentümer und damit zu Absetzungen für Abnutzung berechtigt.
Normenkette
EStG 1968 bis 1971 §§ 21, 9 Nr. 7, § 7; StAnpG § 11 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr 1973 verstorbener Ehemann (Erblasser), dessen Erbin sie ist, schlossen 1968 u. a. mit ihren drei Töchtern notarielle Verträge, nach denen sie den Töchtern drei bebaute Grundstücke in Vorwegnahme des Erbfalls übereigneten und die Töchter ihnen den lebenslänglichen Nießbrauch an diesen Grundstücken einräumten. Die Vertragschließenden vereinbarten, daß die Nießbraucher während der Dauer des Nießbrauchs die Zinsen und Tilgungsleistungen auf die Grundpfandrechte zu erbringen hätten und obligatorisch berechtigt seien, die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Gebäude geltend zu machen, ferner, daß die Erwerberinnen die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten erst mit Beendigung der Nießbrauchsrechte zur weiteren Verzinsung und Tilgung übernehmen und ihnen die Grundstücke im Zustande bei Vertragschluß übergeben werden sollten.
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1968 bis 1971 der Klägerin und des Erblassers, ob die AfA der Gebäude zum Abzug als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzulassen sind.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und führte im wesentlichen aus: Die Klägerin und der Erblasser könnten mangels Eigenbesitzes zwar nicht als wirtschaftliche Eigentümer der Häuser angesehen werden. Wegen der umfassenden Freistellung der Töchter von den Grundstückslasten sei aber davon auszugehen, ihnen hätten die Grundstücke wirtschaftlich im Zustande bei Beendigung der Nießbrauchsrechte zugewendet und damit deren Wertverzehr auch von den Nießbrauchern und Veräußerern getragen werden sollen. Das werde durch die Abmachung über die AfA bestätigt.
Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (FA) Verletzung des § 7 EStG mit im wesentlichen folgender Begründung: Als Werbungskosten geltend machen könne die AfA nur, wer selbst Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet habe und den im Lauf der Zeit eintretenden Wertverzehr des Wirtschaftsguts trage. Diese Voraussetzung erfülle nur der wirtschaftliche Eigentümer. Die Klägerin und der Erblasser seien in ihrer Eigenschaft als Nießbraucher nicht wirtschaftliche Eigentümer der Grundstücke gewesen. Selbst wenn die Töchter die Häuser im Zustand bei Beendigung der Nießbrauchsrechte hätten erwerben sollen, seien sie es und nicht die Nießbraucher, die wirtschaftlich den Wertverzehr der Häuser während der Dauer der Nießbrauchsrechte getragen hätten. Daß die Nießbraucher und Veräußerer die Kosten der außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen der Gebäude hätten tragen müssen, sei nicht notariell vereinbart und auch nicht im Grundbuch eingetragen worden. Abmachungen zwischen nahen Angehörigen könnten nur beachtet werden, soweit sie in der gehörigen Form getroffen worden seien.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der BdF ist gemäß § 122 Abs. 2 FGO dem Verfahren beigetreten. Er hat ausgeführt: Der Substanzwert des belasteten Wirtschaftsguts wie sein Ertragswert seien bei Beendigung des Nießbrauchs geringer als vor seiner Bestellung. Daraus folge, daß sich das AfA-Volumen des Inhabers des belasteten Gegenstandes infolge der Nießbrauchsbestellung mindere. Mit der Bestellung des Nießbrauchs werde mithin von dem bislang unbelasteten Wirtschaftsgut ein Teil einschließlich des entsprechenden Substanzwerts abgespalten, der als selbständiges Wirtschaftsgut "Nießbrauch" neben den belasteten Gegenstand träte. Beide Wirtschaftsgüter seien abnutzbar. Die AfA des belasteten Gegenstandes sei dessen Inhaber, die AfA des Nießbrauchs dem Nießbraucher zuzurechnen. Die Nießbrauchsbestellung sei, ähnlich der Veräußerung einer Sache zum Bruchteil zu beurteilen mit der Besonderheit, daß bei der Bruchteilsveräußerung der Veräußerer für den Rest der Nutzungsdauer von der Nutzung des veräußerten Teils ausgeschlossen sei, während er bei Bestellung des Nießbrauchs für dessen Dauer die Nutzung des belasteten Wirtschaftsguts insgesamt nicht habe.
Fundstellen
Haufe-Index 72377 |
BStBl II 1977, 629 |
BFHE 1978, 64 |