Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zu den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen im Sinne des § 12 Ziff. 2 EStG gehören alle Personen, die nach bürgerlichem Recht gegen den Steuerpflichtigen einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch haben können. Das Urteil eines Zivilgerichts, das die Unterhaltspflicht verneint, ist darum für die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG nicht von Bedeutung.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 12 Nr. 2, § 33a/1
Tatbestand
Der Bf. will an seine geschiedene Ehefrau gezahlte Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 EStG 1955/1957 abziehen. Die Ehe war aus beiderseitigem Verschulden geschieden worden. Der Bf. ist der Auffassung, daß er seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber nicht gesetzlich unterhaltspflichtig sei. In einem Feststellungsurteil des Amtsgerichts X. vom 19. März 1959 war auf den Antrag des Bf. eine entsprechende Feststellung getroffen worden.
Das Finanzamt setzte von den der Ehefrau gezahlten Beträgen einen Teil als Unterhaltszahlungen für die bei ihr lebenden drei Kinder ab; den Rest behandelte es als an die Ehefrau gezahlte Leibrente, die es nach § 28 in Verbindung mit § 25 EStDV 1955/1957 für 1956 mit 80 v. H. und für 1957 mit 70 v. H. beim Bf. als Sonderausgaben zum Abzug zuließ.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht nahm im Anschluß an das Feststellungsurteil des Amtsgerichts X. an, die frühere Ehefrau habe gegen den Bf. keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Da der Bf. sich ihr gegenüber notariell zur Leistung von laufenden Unterhaltszahlungen verpflichtet habe, seien seine Zahlungen keine freiwilligen Zuwendungen im Sinne des § 12 Ziff. 2 EStG, sondern Leibrenten gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 EStG, die vom Finanzamt zutreffend mit 80 bzw. 70 v. H. nach §§ 28, 25 EStDV 1955 bzw. 1957 als Sonderausgaben abgezogen worden seien.
Der Bf. wendet sich mit der Rb. dagegen, daß die Vorinstanzen einen Leibrentenvertrag angenommen haben; Unterhaltsverträge seien nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts in der Regel keine Leibrentenvereinbarungen. Aber selbst wenn man eine Leibrente annehmen wollte, finde die in § 10 Abs. 1, § 22 EStG 1955 und 1956 getroffene Regelung auf eine unentgeltlich erworbene Leibrente, die allenfalls vorliege, keine Anwendung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Finanzgericht hat angenommen, daß die frühere Ehefrau nicht zu den dem Bf. gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gehöre und daß deshalb § 12 Ziff. 2 EStG die Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nicht ausschließe. Diese rechtliche Beurteilung steht im Widerspruch zum Urteil des Senats VI 273/56 U vom 20. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 172, Slg. Bd. 68 S. 449), in dem ausgesprochen wurde, daß bei Ehescheidungen aus beiderseitigem Verschulden gemäß § 60 des Ehegesetzes die geschiedene Ehefrau zu den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen im Sinne des § 12 Ziff. 2 EStG gehört. Ob sie tatsächlich bedürftig ist und ihr Unterhaltsanspruch verwirklicht wird, ist nicht zu untersuchen; denn der Kreis der unterhaltsberechtigten Personen ist in § 12 Ziff. 2 EStG nach anderen Grundsätzen abzugrenzen als im bürgerlichen Recht, wie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 84/60 U vom 24. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 188) dargelegt wurde. Das Feststellungsurteil des Amtsgerichts X. hat daher für die steuerliche Beurteilung keine Bedeutung. Für diese Würdigung spricht auch, daß bei Ehescheidungen, besonders bei Konventionalscheidungen, der Inhalt der Scheidungsurteile weitgehend auf dem Sachverhalt aufbaut, den die Parteien dem Gericht vorgetragen haben und die wirklichen Scheidungsgründe dem Gericht oft unbekannt bleiben. Das gleiche gilt oft für die in Verbindung mit einer Ehescheidung geführten Unterhaltsprozesse, welche die Auflösung einer Ehe hinsichtlich der wirtschaftlichen Auseinandersetzung ergänzen. Die Steuerbehörden können für die steuerliche Beurteilung nur an den Schuldausspruch im Scheidungsurteil anknüpfen. Im Streitfall ist demnach nur wesentlich, daß die Ehe des Bf. nach § 60 des Ehegesetzes aus beiderseitigem Verschulden geschieden wurde und die geschiedene Ehefrau wegen des ihr unter Umständen zustehenden Unterhaltsbeitrags dem Bf. gegenüber unterhaltsberechtigt sein kann. Der Bf. darf deshalb nach § 12 Ziff. 2 EStG die auf Grund des notariellen Vertrages geleisteten Unterhaltszuwendungen nicht als Sonderausgaben abziehen. Diese Zahlungen können nur im Rahmen des § 33 a EStG 1955 und 1957 berücksichtigt werden.
Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 410223 |
BStBl III 1961, 535 |
BFHE 1962, 739 |
BFHE 73, 739 |