Leitsatz (amtlich)
Der Verkauf eines Erbanteils an einer ungeteilten Erbengemeinschaft ist einkommensteuerrechtlich sowohl für den Veräußerer als auch für die übrigen Miterben grundsätzlich ohne Auswirkung. Der I. Senat des BFH schließt sich der Auffassung des IV. Senats des BFH im Urteil IV R 238/66 vom 29. Mai 1969 (BFH 96, 182, BStBl II 1969, 614) an.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1
Tatbestand
Streitig sind die Mitunternehmereigenschaft des Revisionsbeklagten und im Zusammenhang damit die Zurechnung eines Veräußerungsgewinns aus Anlaß der Veräußerung seines Erbanteils.
Die am 4. April 1962 verstorbene Mutter des Revisionsbeklagten war Alleinerbin eines Gewerbebetriebes. Sie wurde vom Revisionsbeklagten und seinen drei Schwestern, den Beigeladenen, zu je 1/4 beerbt. Infolge persönlicher Differenzen zwischen den Erben verkaufte der Revisionsbeklagte seinen Anteil am Nachlaß mit notariellem Vertrag vom 6. Juli 1962 an seine Miterben. Als Gegenleistung wurden vereinbart die Zahlung von 50 000 DM (Abgeltung des zum Nachlaß gehörenden Anteils des Revisionsbeklagten an dem Gewerbebetrieb) und Übereignung einer zum Nachlaß gehörenden vollständigen Briefmarkensammlung (Abgeltung des Anteils des Revisionsbeklagten an dem nicht zum Gewerbebetrieb gehörenden Nachlaßvermögen). Außerdem wurde ihm für sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem mit dem Unternehmen bereits früher begründeten Dienstverhältnis eine Abfindung von 1 500 DM gewährt.
Nach Auffassung des Revisionsklägers (des FA) und der Beigeladenen führten die Erben den Gewerbebetrieb in ungeteilter Erbengemeinschaft fort. Das FA rechnete deshalb im Bescheid über die einheitliche Feststellung des Gewinns der Erbengemeinschaft für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1962 dem Revisionsbeklagten entsprechend der Erklärung zur einheitlichen Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuererklärung für das kalenderjahr 1962 als laufenden Gewinn 5 750 DM und 27 008 DM als Veräußerungsgewinn zu. Der Einspruch des Revisionsbeklagten blieb ohne Erfolg. Seiner Klage gab das FG insoweit statt, als es das Vorliegen eines Veräußerungsgewinns verneinte. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1969, 344 veröffentlicht.
Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die formund fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben. Die Rechtsprechung unterscheide zwischen Erbteilung und gewöhnlicher Vermögensauseinandersetzung danach, ob die Teilenden zuvor Mitunternehmer geworden seien. Die Vorschrift des § 15 Nr. 2 EStG setze wie die des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft voraus, so daß nur eine einheitliche Lösung in Betracht komme, nicht aber das Vorliegen eines Veräußerungsgewinns verneint werden könne, wenn andererseits das Vorliegen eines laufenden Gewinns bejaht werde.
Der Revisionsbeklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, setzen die Erben gemäß § 1922 BGB nach bürgerlichem Recht wie auch nach Steuerrecht die person des Erblassers fort (Urteile des BFH VI R 208/67 vom 21. März 1969, BFH 96, 19, BStBl II 1969, 520, und IV R 238/66 vom 29. Mai 1969, BFH 96, 182, BStBl II 1969, 614). Das vom Erblasser nachgelassene Vermögen ist bis zur Auseinandersetzung gemeinsames Vermögen der Erben (§ 2032 BGB), die kraft Gesetzes zunächst eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechts (GdbR) bilden.
Gehört zum Nachlaß ein Handelsgeschäft (Gewerbebetrieb), so kann die Erbengemeinschaft das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortführen (§ 22 Abs. 1 HGB); auf die Rechtsbeziehungen der Miterben untereinander können die Rechtssätze des Rechts der OHG angewendet werden, wenn die Miterben das Unternehmen weiterbetreiben und ihm ihre ganze Arbeitskraft widmen, um auf diese Weise ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen (Urteil des BGH IV ZR 7/55 vom 21. Mai 1955, BGHZ 17, 299). Ohne daß es indes auf diese die Anwendbarkeit handelsrechtlicher Grundsätze einschränkende Voraussetzung ankommt, folgt steuerrechtlich allein aus dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge, daß die Erbengemeinschaft die ihr bis zur Auseinandersetzung zufließenden Erträge des Nachlasses (§ 2038 Abs. 2 und §§ 743 und 748 BGB) insoweit als gewerbliche Einkünfte erzielt, als sie Gewinn eines zum Nachlaß gehörigen Handelsgeschäfts (Gewerbebetriebs) sind. Daß die Miterben zugleich als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Nr. 2 EStG anzusehen sind, ist dafür nicht erforderlich. Wie bereits der RFH ausgeführt hat, sind Erbengemeinschaften nur dann Mitunternehmergemeinschaften, wenn sie sich gewerblich betätigen (RFH-Urteil III A 645/30 vom 27. Mai 1931, RStBl 1931, 836); das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Wille der Miterben zum gemeinschaftlichen Betrieb des ererbten Unternehmens nach außen hin deutlich manifestiert, z. B. eine Auseinandersetzung tatsächlich unterbleibt oder für immer oder für längere Zeit ausgeschlossen ist (RFH-Urteil VI 438/38 vom 20. Juli 1938, RStBl 1938, 940; BFH-Urteil I 400/62 U vom 17. Februar 1965, BFH 82, 296, BStBl III 1965, 354).
2. Im vorliegenden Streitfalle haben die Miterben infolge persönlicher Differenzen eine Fortführung des ererbten Unternehmens im Rahmen der ungeteilten Erbengemeinschaft nach den Feststellungen des FG nicht erwogen. Als der Revisionsbeklagte sich mit seinem Wunsch auf Alleinübernahme des Betriebes gegenüber den Beigeladenen nicht durchsetzen konnte, verkaufte er bereits kurze Zeit nach dem Erbfall seinen Erbanteil an seine Miterben.
a) Veräußert ein Miterbe seinen Anteil am ungeteilten Nachlaß, zu dem auch ein Handelsgeschäft (Gewerbebetrieb) gehört, so führt dies bei ihm nur dann zu einem Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn er bereits als Miterbe zugleich als Mitunternehmer dieses Betriebes anzusehen war. Die Veräußerung eines Erbanteils ist einkommensteuerrechtlich grundsätzlich sowohl für den Veräußerer als auch für die übrigen Miterben irrelevant (vgl. BFH-Urteil IV R 238/66, a. a. O.).
Der Auffassung des FA, daß in Fällen der hier vorliegenden Art ein Auseinanderfallen der Beurteilung bestimmter Erträge des Nachlaßvermögens (als Einkommen der Erbengemeinschaft aus Gewerbebetrieb) und der Veräußerung des Erbanteils eines der Miterben (als Vorgang außerbetrieblicher Art) nicht denkbar sei, kann der Senat nicht beitreten. Gehört zum Nachlaß ein Gewerbebetrieb, so können auch die Einkünfte der Erbengemeinschaft aus dem Betrieb nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb sein. Dagegen folgt hieraus noch nicht, daß die Erben - als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers - notwendig auch Gewerbetreibende (Mitunternehmer) seien. Sie werden es vielmehr erst dann, wenn sie sich (auch) nach Ablauf einer für die Beschlußfassung über das Schicksal des ererbten Betriebes angemessenen Frist deutlich als Gewerbetreibende (Mitunternehmer) erweisen.
Ein Veräußerungsgewinn kann deshalb nur dann erzielt werden, wenn nicht nur ein Erbanteil veräußert wird, sondern mit dem Erbanteil zugleich ein Gesellschaftsanteil. Das aber setzt voraus, daß der Veräußerer über seinen Anteil am Betriebsvermögen des Unternehmens nicht nur als Miterbe verfügt, sondern als Mitunternehmer, als welchen ihn gegebenenfalls die Fortführung des ererbten, den Erben zur gesamten Hand gehörenden Unternehmens ausweist.
b) Wenn das FG in dem für die Abgeltung des Anteils des Revisionsbeklagten am ererbten Betrieb gezahlten Betrag von 50 000 DM in Höhe von 5 750 DM Erträge des Nachlaßvermögens in der Zeit vom 4. April bis 6. Juli 1962 sah und diese als gewerbliche Einkünfte einordnete, so ist das nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 69687 |
BStBl II 1972, 12 |
BFHE 1972, 175 |