Entscheidungsstichwort (Thema)
AfA-Satz von 12,5 v. H. bei auf Dienstreisen eingesetzten privaten Pkw
Leitsatz (NV)
1. Führt ein Arbeitnehmer Dienstreisen mit seinem Pkw durch, so gehört zu den als Werbungskosten absetzbaren Aufwendungen auch die für die Reisen anteilig anzusetzende AfA für das Kfz.
2. Der in der amtlichen ,,AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter" angegebene AfA-Satz für Personenkraft- und Kombiwagen von 25 v. H. der Anschaffungskosten ist von den Steuergerichten für das Streitjahr 1986 nicht zu beachten, da er im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt. Das gilt auch für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
3. Es bestehen keine Bedenken, wenn die Finanzgerichte in Anlehnung an Abschnitt 38 Abs. 1 Satz 5 LStR 1990 auch für Kalenderjahre vor 1990 grundsätzlich von einer achtjährigen Nutzungsdauer des Fahrzeugs und damit von einem AfA-Satz von 12,5 v. H. ausgehen.
Anschluß an BFH-Urteil vom 26. Juli 1991 VI R 82/89 (BFHE 165, 378).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 1; LStR 1990 Abschn. 38 Abs. 1 S. 5
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Streitjahr 1986 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann ist bei einem . . . amt beschäftigt. Er benutzte für Dienstfahren einen seit dem 2. Juni 1986 für zwei Jahre geleasten Pkw mit steuerlichen Anschaffungskosten von 33 100 DM. In der Einkommensteuererklärung 1986 ermittelte er die ihm durch die Benutzung des Pkw insgesamt entstandenen Aufwendungen auf 15 348,93 DM. Ausgehend von einer Jahresleistung des Fahrzeugs von 20 856 km berechnete er die Kosten je gefahrenen Kilometer mit 0,736 DM. Dementsprechend machte er für die von ihm dienstlich gefahrenen 9886 km Werbungskosten von 7276,10 DM, abzüglich Erstattungen vom Arbeitgeber von 3742,20 DM, geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Aufwendungen für dienstlich gefahrene Kilometer nur mit dem Pauschsatz nach Abschn. 25 Abs. 8 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien 1984 (LStR) in Höhe von 0,42 DM je gefahrenen Kilometer. Das FA meint, die Nutzungsdauer des Pkw sei mit neun Jahren anzusetzen. Dies führe zu tatsächlichen Kosten von weniger als dem von ihm, dem FA, angesetzten Pauschbetrag von 0,42 DM je gefahrenen Kilometer. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, die laufenden Kosten für seinen Pkw seien im Streitjahr 1986 mit 3 671 DM zu beziffern. Außerdem sei eine Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Kfz von 4 827 DM anzusetzen (Anschaffungskosten: 33 100 DM; Nutzungsdauer vier Jahre = 8 275 DM; hiervon 7/12 für das Jahr 1986). Rechne man die Gesamtkosten von 8 498 DM auf die von ihm in der Zeit vom 2. Juni bis 31. Dezember 1986 zurückgelegte Gesamtfahrstrecke von 11 972 km um, so ergebe dieses einen Kilometersatz von 0,71 DM. Dieser sei für seine beruflich gefahrenen 6488 km anzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u. a. aus:
Für Fahrzeuge, die zu einem Betriebsvermögen gehörten, richte sich die Finanzverwaltung in der Regel nach den amtlichen Abschreibungstabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter und lege dementsprechend eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von vier bis fünf Jahren zugrunde.
Es könne offenbleiben, ob diese Tabellen für betriebliche Fahrzeuge noch einen zutreffenden Anhalt für die regelmäßige Nutzungsdauer ergäben. Im Streitfall handle es sich jedenfalls um ein Fahrzeug im Privatvermögen. Bei solchen Pkw entspreche eine vier- bis fünfjährige Nutzungsdauer nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Nach den Feststellungen des ADAC sei von einer Lebensdauer von durchschnittlich 10 Jahren auszugehen.
Setze man bei Kfz im betrieblichen Bereich eine vier- bis fünfjährige Nutzungsdauer an, so gleiche sich eine überhöhte Abschreibung dadurch aus, daß bei einer Veräußerung des Kfz der den Buchwert übersteigende Gewinn der Einkommensteuer unterworfen werde. Für Fahrzeuge im Privatvermögen gelte dies jedoch nicht. Hier müsse zwecks zutreffender Besteuerung die tatsächliche Nutzungsdauer des Pkw zugrunde gelegt werden.
Das Fahrzeug des Klägers gehöre als moderner Pkw der gehobenen Mittelklasse an, der eine Jahresfahrleistung von 21 000 bis 22 000 km erbringe. Das FA sei daher zu Recht von einer geschätzten technischen und wirtschaftlichen Nutzungsdauer von (mindestens) neun Jahren ausgegangen. Der Kläger habe eine überdurchschnittliche stärkere Beanspruchung seines Fahrzeugs nicht nachgewiesen.
Gegen das Urteil legten die Kläger Revision ein. Sie rügen sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1986 (EStG). Sie bringen u. a. vor:
Nach einer Pressemitteilung habe der TÜV im Jahr 1988 rund 44 000 Pkw`s stillgelegt, weil sie ,,vollkommen unsicher" geworden seien. Davon seien 24 000 Pkw`s über 10 Jahre alt und 20 000 Pkw`s nur sieben bis 10 Jahre alt gewesen. Hieraus ergebe sich, daß eine durchschnittliche technische Nutzungsdauer von durchschnittlich 10 Jahren als überhöht anzusehen sei.
Der wirtschaftliche Wertverzehr sei bei Kfz noch wesentlich höher. Die Strategie der Hersteller, die Käufer mit ständig wechselnden Modellen zum Konsum anzureizen, führe zu Wertverlusten, die mit dem tatsächlichen Zustand des Pkw nicht übereinstimmten. Die Wertverluste beruhten u. a. auf neuen Entwicklungen, verändertem Umweltverhalten (z. B. Nutzung von bleifreiem Benzin und Katalysatortechnik) sowie Veränderungen im Sicherheitsstandard und neuen gesetzlichen Vorschriften.
Es sei daher sinnvoll, daß der Bundesminister der Finanzen (BMF) im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Rationalisierung der Verwaltung sog. ,,Amtliche AfA-Tabellen" herausgegeben habe. Sie gäben der Wirtschaft, ihren Beratern und der Verwaltung Hinweise auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Anlagegütern. Sie würden von Rechtsprechung, Verwaltung und Wirtschaft anerkannt. Die Tabellen wiesen für Pkw eine Abschreibungsdauer von vier Jahren aus; von ihnen sei auch im Streitjahr 1986 auszugehen. In einem Schreiben des BMF vom 23. November 1988 IV B 6-S 2353-44/88 werde zu den Nrn. 7.2 und 7.3 der AfA-Tabellen ausgeführt: ,,Der Gesamtkostenermittlung sind die Absetzungen mit 1/4 der Listenpreise zugrunde zu legen." Diese Tabellen seien auch für Fahrzeuge im Privatvermögen anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Führt ein Arbeitnehmer Dienstreisen mit seinem Pkw durch, so kann er die ihm hierdurch tatsächlich entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit absetzen (vgl. auch Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 1 LStR). Er muß in einem solchen Fall sämtliche Aufwendungen für das für dienstliche Zwecke benutzte Kfz nachweisen; die Kosten sind dann mit dem Teilbetrag abziehbar, der dem Anteil der dienstlich veranlaßten Fahrten an der Gesamtfahrleistung entspricht (vgl. auch Abschn. 25 Abs. 8 Satz 1 LStR). Zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen gehört auch die für Dienstreisen anteilig anzusetzende AfA für das Kfz. Es handelt sich insoweit um Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 EStG.
Wie der Senat inzwischen durch das Urteil vom 26. Juli 1991 VI R 82/89 (BFHE 165, 378) entschieden hat, ist der in Teil I B V 2 a der Amtlichen "AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter" angegebene AfA-Satz für Personenkraft- und Kombiwagen von 25 v. H. der Anschaffungskosten entsprechend einer vierjährigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Fahrzeugs von den Steuergerichten für das Jahr 1985 - und somit auch für das hier vorliegende Streitjahr 1986 - nicht zu beachten, da der AfA-Satz im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt. Das gilt auch für den Ansatz des Abschreibungssatzes von 25 v. H. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Wie der Senat in dieser Entscheidung ferner betont hat, hat er keine Bedenken, wenn die FGe in Anlehnung an Abschn. 38 Abs. 1 Satz 5 LStR 1990 auch für Kalenderjahre vor 1990 grundsätzlich von einer AfA für Pkw von 12,5 v. H. der Anschaffungskosten entsprechend einer achtjährigen Nutzungsdauer des Fahrzeugs ausgehen. Der Ansatz einer auf grundsätzlich acht Jahre begrenzten Nutzungsdauer eines Pkw erscheint dem Senat nicht unangemessen, weil nach Ablauf von acht Jahren in der Regel ein so hoher Wertverlust eingetreten ist, daß der Restwert des Kfz sich auch in den Folgejahren nicht mehr wesentlich mindert und daher vernachlässigt werden kann. Macht ein Steuerpflichtiger eine kürzere Nutzungsdauer geltend, so hat er dies entsprechend seinem Kfz-Typ und seiner durchschnittlichen Jahresfahrleistung nachzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das o. g. Urteil VI R 82/89 Bezug genommen.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es entsprechend den Ausführungen des Senats im vorgenannten Urteil prüft, ob im Streitfall ebenfalls von einer achtjährigen Nutzungsdauer des Fahrzeugs auszugehen ist. Es bleibt dem Kläger unbenommen, eine niedrigere Nutzungsdauer des von ihm genutzten Pkw durch entsprechend hohe durchschnittliche Jahresfahrleistungen nachzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 418112 |
BFH/NV 1992, 300 |