Leitsatz (amtlich)
Abwicklungsgewinne im Sinne von § 14 KStG gehören nicht zu den "Gewinnanteilen jeder Art" im Sinne von § 9 Abs. 1 KStG, die "auf die Beteiligung" entfallen.
Normenkette
KStG § 9 Abs. 1, § 14
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die von einer aufgelösten Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter abgeführten Liquidationsraten Gewinnausschüttungen im Sinne von § 9 Abs. 1 KStG enthalten können.
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, war am Stammkapital der durch Gesellschafterbeschluß mit Wirkung vom 1. Januar 1955 aufgelösten und alsdann abgewickelten E-GmbH mit 25 v. H. beteiligt. Auf ihre buchmäßig mit 314 737,50 DM ausgewiesene Beteiligung buchte die Steuerpflichtige die ihr in den Jahren 1960 ff. zugeflossenen Abwicklungsausschüttungen in Höhe von 256 040,87 DM (die dem Anteil der Steuerpflichtigen an dem nach § 47 DMBG berichtigten, nicht ausschüttungsfähigen Eigenkapital der GmbH - Wert: 31. Dezember 1954 - entsprachen). Die restlichen 58 696,63 DM buchte die Steuerpflichtige zum 31. Dezember 1965 gewinnmindernd mit der Begründung aus, daß weitere Kapitalrückzahlungen nicht zu erwarten seien.
Eine ihr im Jahre 1965 zugeflossene Abwicklungsausschüttung in Höhe von 655 759,13 DM (die im wesentlichen aus einer Entschädigungsleistung herrührte, die die E-GmbH zum Ausgleich von Beschlagnahme- und Besatzungsschäden erhalten hatte) behandelte die Steuerpflichtige in ihren Steuererklärungen 1965 als Gewinnausschüttung auf ihre Beteiligung, die sie nach § 9 Abs. 1 KStG als steuerfrei ansah. Der Revisionsbeklagte (das FA) folgte in den Bescheiden vom 31. Oktober 1967 der Auffassung der Steuerpflichtigen nicht. Die gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Zu Recht behandele die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung die Abwicklung einer aufgelösten Kapitalgesellschaft beim Beteiligungsunternehmen (der Obergesellschaft) wie die Veräußerung der Beteiligung durch dieses. Sie sehe in den Abwicklungsausschüttungen die Auskehrung von Vermögen gegen Aufgabe der Beteiligung, die beim Beteiligungsunternehmen zu einem steuerpflichtigen Gewinn führe, wenn der Vermögensrückfluß den Buchwert der Beteiligung übersteige. Die Gleichstellung der Auflösung der Kapitalgesellschaft mit der Veräußerung der Beteiligung durch das Beteiligungsunternehmen bedeute, daß der steuerpflichtige Vorgang allein die Sphäre des Beteiligungsunternehmens berühre. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG sei indes nicht anwendbar, weil unabhängig davon, wie die durch die Beteiligung repräsentierten Vermögenswerte realisiert würden, die der Beteiligungsgesellschaft zufließenden Liquidationsraten Rückzahlungen auf die von der Beteiligung repräsentierten Vermögenswerte seien. Selbst wenn deshalb die Kapitalgesellschaft im Abwicklungsstadium noch laufende Gewinne erziele, erhöhten diese (nur) den Vermögenswert der Beteiligung der Obergesellschaft; auch ihre Ausschüttung sei Vermögensrückfluß (Urteile des BFH I 246/62 U vom 14. Dezember 1965, BFH 84, 420, BStBl III 1966, 152; I 262/63 vom 18. Oktober 1967, BFH 90, 370, BStBl II 1968, 105). Auch auf die Vorschrift des § 17 Abs. 4 EStG 1965 könne sich die Steuerpflichtige nicht berufen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Steuerfreiheit der streitigen 655 759,13 DM gemäß § 9 Abs. 1 KStG anzuerkennen. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zum Wortlaut wie auch zu Sinn und Zweck des Gesetzes. Der in § 9 KStG verwendete Begriff der Gewinnanteile jeder Art sei nicht so sehr handelsrechtlich als vielmehr in erster Linie steuerrechtlich orientiert; wenn auch das Körperschaftsteuerrecht mit seinem Gewinnbegriff auf den Vorschriften des EStG aufbaue, so werde er doch zugleich durch die Vorschriften der §§ 5 bis 17 KStG nicht unerheblich modifiziert. Das gelte insbesondere für den Begriff des Abwicklungsgewinns nach § 14 KStG. Handelsrechtlich sei der Abwicklungsgewinn kein Gewinn, sondern Vermögen (BFH-Urteil I 262/63, a. a. O.). Anders dagegen wolle das Steuerrecht gerade die bisher nicht realisierten Gewinne der Kapitalgesellschaft erfassen; die Vorschriften der §§ 14 und 15 KStG dienten damit dem gleichen Zweck wie die des § 16 EStG, denen der gleiche Rechtsgedanke zugrunde liege. Der Abwicklungsgewinn sei ein echter gewerblicher Gewinn und ändere diesen seinen Charakter auch dann nicht, wenn er dem Betriebsvermögen einer anderen Kapitalgesellschaft zufließe. Nur soweit Einlagen zurückgezahlt würden, liege kein "Gewinnanteil jeder Art" vor.
Damit aber finde die Vorschrift des § 9 KStG bereits ihrem Wortlaut nach Anwendung; denn es sei nicht einzusehen, weshalb der Gewinn aus dem letzten Akt der gewerblichen Tätigkeit nicht zu den "Gewinnanteilen jeder Art" gehören solle. Wenn nach Grieger (BB 1967, 153) der Begriff "Gewinnanteile jeder Art" eng auszulegen sei, erhebe sich die Frage, welchen Sinn dann der Zusatz "jeder Art" habe.
Demgemäß habe auch der RFH zu § 25 KStG 1925 im Urteil I A 243/33 vom 29. Januar 1935 (RStBl 1935, 943) dahin entschieden, daß alles, was den Aktionären über ihre ursprünglichen Einlagen hinaus gewährt werde, dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliege. Das treffe vor allem auf Zinsen und andere Erträge der Verteilungsmasse zu. Wenn der I. Senat des RFH diese seine Auffassung im Urteil I A 252/35 vom 14. Juli 1936 (RStBl 1936, 970) aufgegeben und sich der Auffassung des VI. Senats des RFH angeschlossen habe (derzufolge Liquidationsraten keine Einkünfte aus Kapitalvermögen seien, der Liquidationserlös vielmehr als "Veräußerungspreis" zu behandeln sei und nicht in Kapitalrückzahlung und Gewinnausschüttung zerlegt werden dürfe), so sei dies auf die Einflußnahme des damaligen RdF zurückzuführen.
So wie die Aufgabe des Betriebes nur im Falle der entgeltlichen Übertragung des Betriebsvermögens auf einen anderen der Veräußerung gleichstehe, so gebe auch der Gesellschafter mit dem Beschluß, die Kapitalgesellschaft zu liquidieren, seinen Gesellschaftsanteil nicht im Sinne einer Veräußerung auf. Es entspreche deshalb allein der Regelung in § 14 KStG und § 17 EStG, echte Gewinne - auch wenn sie im Zuge der Liquidation anfielen - als Kapitalertrag zu behandeln.
Art. 20 Abs. 3 GG binde die Rechtsprechung an Gesetz und Recht. Dem Recht aber werde nur dann Genüge getan, wenn man dem mit § 9 Abs. 1 KStG verfolgten eigenen Zwecke der Vermeidung zweimaliger Erfassung des wirtschaftlich gleichen Ertrages durch die Körperschaftsteuer auch im Rahmen des § 14 KStG zum Zuge verhelfe. Die andernfalls eintretende Besteuerung der in den Liquidationsraten enthaltenen echten Gewinne mit rd. 82 bis 95 v. H. mache dies deutlich; sie sei mit dem "Recht" nicht vereinbar (Verstoß gegen Art. 3 und Art. 14 GG). Dem sei durch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes zu begegnen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Streitig ist allein die Frage, ob der von einer Kapitalgesellschaft im Abwicklungsstadium erzielte Gewinn, der nach den Vorschriften des § 14 KStG zu ermitteln und dessen grundsätzliche Steuerpflichtigkeit nicht streitig ist, bei seiner Ausschüttung an einen Gesellschafter, der selbst eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist, in den Rahmen der "auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile jeder Art" fällt.
a) Die vom FG für seine - diese Frage verneinende - Entscheidung in Bezug genommenen BFH-Urteile I 246/62 U und I 262/63 befassen sich mit den Besonderheiten der Ermittlung des Abwicklungsgewinns, die - abweichend vom Regelfall - allein einen Vergleich des Abwicklungsanfangs- und des Abwicklungsendvermögens erfordert. Dabei sei das Abwicklungsendvermögen "das zur Verteilung kommende Vermögen". Eine aus einem Vergleichsverfahren herrührende (im Fall des BFH-Urteils I 246/62 U an den Alleingesellschafter abgetretene) Forderung sei mit dem gemeinen Wert der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung anzusetzen. Einen Anspruch auf Abführung des Abwicklungsgewinns begründe (im Falle des BFH-Urteils I 262/63) ein Organverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag nicht; dagegen spreche auch, daß handelsrechtlich der sogenannte Abwicklungsgewinn in Wahrheit kein "Gewinn", sondern "Vermögen" sei.
Über den steuerrechtlichen Charakter des Abwicklungsgewinns, insbesondere als eines Gewinns im Sinne der Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG, enthalten die Urteile dagegen nichts.
b) Dem Handelsrecht ist ein Abwicklungsgewinn der Kapitalgesellschaft - auch soweit dieser Begriff allein auf die im Abwicklungszeitraum angefallenen Erträge des in der Abwicklungs-Anfangsbilanz ausgewiesenen Vermögens bezogen wird - begrifflich unbekannt (§§ 270 f. AktG, 71 f. GmbHG; ferner Döllerer, Die Wirtschaftsprüfung 1969 S. 333 [339]: "Der sogenannte Abwicklungsgewinn ist somit aktienrechtlich keine selbständige Größe, sondern Bestandteil des verteilbaren Vermögens.") Dagegen kennt das Steuerrecht den Abwicklungsgewinn (den "im Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinn") - als den Unterschiedsbetrag zwischen dem nach § 14 KStG zu ermittelnden Abwicklungs-Anfangs- und Abwicklungs-Endvermögen (welch letzteres "das zur Verteilung kommende Vermögen" ist) - als einen spezifischen, dem am Einkommensteuerrecht orientierten allgemeinen Gewinnbegriff nicht gleichzusetzenden Begriff (§ 14 KStG). Diese Besonderheit des in § 14 KStG verwendeten Gewinnbegriffs macht die Vorschrift des § 14 Abs. 5 KStG deutlich, nach der "im übrigen" die sonst geltenden Vorschriften anzuwenden sind, d. h. die auch sonst für die Ermittlung des Gewinns der Kapitalgesellschaft eingreifenden Vorschriften, unter ihnen auch die des § 9 KStG, soweit im Abwicklungsgewinn der Kapitalgesellschaft Gewinnanteile auf eine in ihrem (Abwicklungs-Anfangs-) Vermögen enthaltene Beteiligung entfallen.
aa) Im Streitfalle geht es jedoch nicht um die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG im Rahmen der Ermittlung des Abwicklungsgewinns der E-GmbH, sondern um ihre Anwendbarkeit im Rahmen der Ermittlung des Gewinns der Steuerpflichtigen, genauer: um ihre Anwendung auf die - nach Auffassung der Steuerpflichtigen - in den Liquidationsraten enthaltenen "echten" Gewinne, die die E-GmbH im Abwicklungszeitraum erzielte.
§ 9 Abs. 1 KStG hat als eine sachliche Befreiungsvorschrift (BFH-Urteil I 276/61 S vom 3. Juli 1963, BFH 77, 394, BStBl III 1963, 464) den Zweck, bei Vorliegen der in ihr aufgestellten Voraussetzungen eine zweimalige Erfassung des wirtschaftlich gleichen Gewinns durch die Körperschaftsteuer auszuschließen, was dadurch geschieht, daß die "auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile jeder Art" bei der Gewinnermittlung des Beteiligungsunternehmens (Obergesellschaft) außer Ansatz bleiben.
Der Umstand, daß die Vorschrift des § 9 KStG eine steuerrechtliche Vorschrift ist, besagt für sich allein nichts darüber, was als "Gewinn" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, was der Beteiligungsgesellschaft als "Gewinnanteil" auf ihre Beteiligung zufließt. Unstreitig gehören zu den in § 9 Abs. 1 KStG genannten "Gewinnanteilen jeder Art" zunächst die offenen Ausschüttungen aus dem handelsbilanzmäßig ausgewiesenen Gewinn des laufenden Geschäftsjahres (unbeschadet seiner betriebsinternen Zusammensetzung: BFH-Urteil I R 88/69 vom 18. November 1970, BFH 100, 400, BStBl II 1971, 73), die nach außersteuerrechtlichen Vorschriften ermittelt und entsprechend dem Beschluß der Gesellschafter ausgeschüttet werden, ferner verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des Körperschaftsteuerrechts und Ausschüttungen auf Genußscheine (BFH-Urteil I 244/62 vom 2. November 1966, BFH 88, 26, BStBl III 1967, 260), die handelsrechtlich dem haftenden Kapital nicht gleichstehen. Ob auch von der Kapitalgesellschaft thesaurierte, nicht ausgeschüttete Gewinnanteile bei dem Beteiligungsunternehmen zu den "Gewinnanteilen jeder Art" zählen (Merkert, BB 1970, 1087), braucht der Senat im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.
Dagegen sind Ausschüttungen, die die Gesellschaft im Rahmen der Liquidation ihren Gesellschaftern erbringt, keine Gewinnanteile im Sinne dieser Vorschrift, sofern sie nicht Gewinne betreffen, die bis zum Beginn der Liquidation erzielt wurden.
bb) Mit dem Eintritt der Kapitalgesellschaft in das Stadium der Abwicklung (Liquidation) endet die dem Gesellschaftszweck gewidmete Tätigkeit der Kapitalgesellschaft. Gewinne aus der Verfolgung des Gesellschaftszwecks sind nicht mehr zu erwarten. Das Vermögen der Kapitalgesellschaft tritt an die Stelle der Geschäftsanteile; es wird - handelsrechtlich gesehen - an die Gesellschafter verteilt. Um indes zu vermeiden, daß (zum einen) die in diesem (Abwicklungs-Anfangs-) Vermögen ruhenden stillen Reserven und (zum anderen) der die von der Kapitalgesellschaft im Abwicklungszeitraum als Erträge ihres Abwicklungs-Anfangsvermögens erzielten Gewinne der Besteuerung entzogen werden, schreibt § 14 KStG deren Ermittlung und steuerliche Erfassung vor.
In den Fällen der Veräußerung oder der Aufgabe eines gewerblichen Unternehmens durch eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft werden - neben dem laufenden, im Veranlagungszeitraum der Betriebsaufgabe oder -veräußerung erzielten Gewinn - die stillen Reserven im Veräußerungspreis oder im Ansatz der einzelnen Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert aufgedeckt: sie sind vom Unternehmer zu versteuern (§ 16 EStG). In den Fällen der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, der Auflösung der Kapitalgesellschaft oder der Herabsetzung und entsprechenden Rückzahlung ihres Nennkapitals an die Anteilseigner werden die stillen Reserven ebenfalls aufgedeckt, indes steuerrechtlich einmal bei der Kapitalgesellschaft (§ 14 KStG), zum anderen bei den Anteilseignern gemäß § 17 EStG erfaßt, sofern die Beteiligung nicht in einem Betriebsvermögen liegt. Liegt die Beteiligung in einem Betriebsvermögen, so ist die steuerliche Auswirkung dieses Vorgangs bei den Anteilseignern je nach dem Verhältnis des Buchwerts der Beteiligung zu dem auf jeden Anteilseigner für die Aufgabe seines Gesellschaftsrechts entfallenden Anteil an den stillen Reserven verschieden. Die in diesen Fällen eintretende zweimalige Erfassung des wirtschaftlich gleichen "Gewinns" durch Körperschaftsteuer und Einkommensteuer entspricht dem Gesetz.
Liegt die Beteiligung im Betriebsvermögen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, kann der Abwicklungs"gewinn" nicht den "Gewinnanteilen jeder Art" auf die Beteiligung zugerechnet werden, weil dem Gewinnbegriff der Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG nur solche Gewinnanteile auf die Beteiligung unterliegen, die die ausschüttende Kapitalgesellschaft vor ihrem Eintritt in das Stadium der Abwicklung erzielte. Der Abwicklungsgewinn ist - wie ausgeführt - ein spezifischer Gewinnbegriff, der - wie auch die Steuerpflichtige selbst nicht verkennt - sowohl das Ergebnis aus der Auflösung stiller Reserven als auch die Erträge des Abwicklungs-Anfangsvermögens umfaßt, die während des Abwicklungszeitraumes erzielt wurden. Eine Aufteilung des Abwicklungsgewinns in Kapitalrückzahlung und Gewinnausschüttung ist nach dem Gesetz nicht möglich.
cc) Damit steht der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Falle der Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft nicht anders da als im Falle der Veräußerung seines (wesentlichen) Anteils an der Kapitalgesellschaft. Spiegelt im letztgenannten Falle der Veräußerungserlös den Wert des auf seine Beteiligung entfallenden Teiles des Gesellschaftsvermögens wider, so zeigt sich im Falle der Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft der Wert seines Anteils in dem auf ihn entfallenden Ausschüttungs-(Liquidations-)betrag. Ist der Gesellschafter selbst eine Kapitalgesellschaft, so ist der den buchmäßigen Wertansatz ihrer Beteiligung übersteigende Ausschüttungsbetrag Gewinn aus Gewerbebetrieb. Dem entspricht auch die Regelung in § 53 Abs. 2 EStDV (1962), nach der Gewinne natürlicher Personen aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft bei diesen als Gesellschaftern nicht der Steuerpflicht aus § 20 EStG, sondern aus § 17 EStG unterliegen.
Das schließt nicht aus, daß auch nach Eintritt in das Stadium der Abwicklung noch Gewinnverteilungsbeschlüsse durch die Gesellschafter über die bis zum Beginn der Liquidation erzielten Gewinne zu fassen sein können, die gemäß § 9 Abs. 1 KStG und § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 EStG zu behandeln sind.
2. Der Steuerpflichtigen kann nicht darin gefolgt werden, daß die Vorschriften des § 14 KStG und ihre der herrschenden Meinung entsprechende Auslegung durch den erkennenden Senat sowie die Vorschriften des § 17 EStG mit dem GG nicht in Einklang stünden.
Träfe die Auffassung der Steuerpflichtigen zu, so wäre im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung für den Fall des Fortfalls einer Beteiligung - sei es durch Veräußerung, sei es durch Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft - die von ihr geforderte Aufteilung des Abwicklungsgewinns auch auf den Veräußerungsgewinn zu übertragen.
Erst die - dem Gesetz nicht entsprechende - Möglichkeit einer solchen Aufteilung des Abwicklungsgewinns könnte zur Anwendung der Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG auf den in den Liquidationsraten enthaltenen "echten" Gewinn führen.
Wenn das Gesetz für den Fall der Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft auch bei Vorliegen einer Schachtelbeteiligung auf die - den zu weniger als 25 v. H. beteiligten Gesellschaftern in Form der Kapitalgesellschaft ohnehin stets treffende - zweimalige Erfassung der Liquidationsraten durch die Körperschaftsteuer nicht verzichtet, so liegt darin eine mögliche Entscheidung des Gesetzgebers, die als willkürlich auch dann nicht bezeichnet werden kann, wenn auch nur Erwägungen der Praktikabilität ihn von einer Anordnung der Aufteilung des Abwicklungsgewinns absehen ließen. Der Senat vermag aber auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG insbesondere im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Beteiligungsgesellschaft im Falle der Veräußerung ihrer Beteiligung wie im Falle der Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft wie im Hinblick auf ihre Gleichbehandlung mit den einkommensteuerpflichtigen Gesellschaftern nicht zu erkennen.
Aber auch ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die Auferlegung von Geldleistungen könnte nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. die Entscheidung 1 BvR 228/65 vom 24. September 1965, BVerfGE 19, 119 [129]) allenfalls dann einen solchen Verstoß darstellen, "wenn die Geldleistungen den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen". Eine solche übermäßige Belastung ist im Streitfalle nicht zu erkennen. Der Umstand, daß die vom Gesetz vorgeschriebene Mehrfachbelastung des Abwicklungsgewinns mit Körperschaftsteuer (beim ausschüttenden Liquidations- und beim empfangenden Beteiligungsunternehmen, soweit die Liquidationsraten bei diesen den Buchwert der Beteiligung übersteigen) zu einer nicht unerheblichen Belastung des jeweils erwirtschafteten Ertrages als solchen führt, bedeutet noch keine übermäßige Belastung des Betroffenen, das heißt des jeweiligen, mit seinem Gewinn der Steuer unterliegenden Unternehmens. Wollte man der Auffassung der Steuerpflichtigen folgen, so würde jede Kapitalgesellschaft, der Gewinnanteile aufgrund einer weniger als 25 v. H. betragenden Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft zufließen, den gleichen Einwand gegen ihre Heranziehung zur Steuer mit diesem Gewinn erheben können und würden insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen im Verhältnis von Tochter- und Muttergesellschaft künftig steuerfrei zu lassen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 413072 |
BStBl II 1972, 229 |
BFHE 1972, 163 |