Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der einen Gegenstand durch einen anderen Unternehmer herstellen läßt und dazu einen Teil des Stoffes zur Verfügung stellt (echte Materialbeistellung), kann bei der Weiterlieferung des fertigen Gegenstandes die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
UStG 1951 § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 3; UStDB 1951 § 57 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) vertreibt Nitrit-Pökelsalz, ein Gemisch aus Siedesalz (Speisesalz) und Natrium-Nitrit. Sie läßt dieses Pökelsalz bei mehreren Salinen herstellen. Das dazu benötigte Siedesalz wird von den Salinen zur Verfügung gestellt, das Natrium-Nitrit von der Stpfl. beschafft. Die Stpfl. beschafft das Natrium-Nitrit selbst, um die Gewähr zu haben, daß für das Pökelsalz Natrium-Nitrit erster Qualität verwendet wird. Der Lieferant des Natrium-Nitrits sendet dieses in der für die Herstellung des Pökelsalzes gebrauchten Menge unmittelbar an die Salinen. Bezahlt wird das Natrium-Nitrit durch die Stpfl. Die Mischung des Pökelsalzes geschieht bei den Salinen durch deren Arbeitskräfte. In dem der Stpfl. von den Salinen berechneten Preis ist der Preis für das Natrium-Nitrit nicht enthalten. Das fertige Nitrit-Pökelsalz wird von den Salinen den Abnehmern der Stpfl. unmittelbar übersandt.
Das Finanzamt hat der Stpfl. für die Lieferungen des Nitrit-Pökelsalzes in den Monaten August bis Oktober 1956 die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG abgelehnt. Das Finanzgericht hat die Einspruchsentscheidung bestätigt und den vorläufigen Bescheid für endgültig erklärt.
Das Finanzgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß von der Stpfl. an ihre Abnehmer ein anderes Verkehrsgut geliefert worden sei als sie erworben habe. Das Natrium-Nitrit sei von der Stpfl. auf eigene Kosten beigestellt worden, so daß die Salinen nicht befähigt gewesen seien, darüber im eigenen Namen zu verfügen. Unerheblich sei, daß dem Natrium-Nitrit wertund mengenmäßig nur eine geringe Bedeutung zukomme.
In der Rb. wendet sich die Stpfl. vor allem dagegen, daß die Salinen nicht befähigt gewesen seien, über das Natrium-Nitrit im eigenen Namen zu verfügen. Die Stpfl. habe durch die Beschaffung des Natrium-Nitrits lediglich sichergestellt wissen wollen, daß einwandfreies und qualitativ bestes Nitrit für die Herstellung ihres Pökelsalzes Verwendung finde. In der Mischung des Siedesalzes mit dem Natrium-Nitrit könne ein steuerlich schädlicher Vorgang nicht erblickt werden. Die Stpfl. habe von den Salinen das bereits endgültig gemischle Pökelsalz bezogen. Dieses sei unverändert unmittelbar an die Abnehmer der Stpfl. weitergeliefert worden. Es sei kein neues Wirtschaftsgut entstanden. Zwischen der Stpfl. und den Salinen finde weder eine Werklieferung noch eine Werkleistung statt. Es sei auch unbillig, zweimal die volle Umsatzsteuer zu erheben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Es gehört zu den Voraussetzungen der Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG, daß der Unternehmer den Gegenstand, den er liefert, erworben und weder bearbeitet noch verarbeitet hat (§ 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 UStDB). § 7 Abs. 3 UStG will nur den reinen Zwischenhandel begünstigen. Läßt ein Unternehmer Gegenstände, die er von seinem Lieferanten gekauft hat, seinen Abnehmern unmittelbar zusenden, so wird er in der Regel die Großhandelsvergünstigung in Anspruch nehmen können. Das gleiche gilt, wenn der Lieferer den Gegenstand im Auftrage des Unternehmers aus von ihm selbst beschafften Stoffen hergestellt hat. Es handelt sich in diesem Falle um eine Werklieferung (§ 3 Abs. 2 UStG). Die Leistung des herstellenden Lieferanten an den auftraggebenden Unternehmer darf bei einer Werklieferung nicht in eine Lieferung des Stoffes und in eine Werkleistung, die auf die Bearbeitung dieses Stoffes gerichtet ist, aufgeteilt werden. Stellt der auftraggebende Unternehmer zur Herstellung des Gegenstandes einen Teil des Stoffes bei, so muß die Leistung des beauftragten Lieferanten genauer untersucht werden. Die ständige Rechtsprechung nimmt in einem Falle, in dem der auftraggebende Unternehmer den Stoff, den er beistellt, behalten und nur zur Herstellung des Gegenstandes verwendet haben will, eine echte Materialbeistellung an mit der Folge, daß der beigestellte Stoff aus dem Leistungsaustausch zwischen dem herstellenden Lieferanten und dem auftraggebenden Unternehmen ausscheidet. In diesem Falle besteht die Leistung des herstellenden Lieferanten aus der Beschaffung des Stoffes, der Bearbeitung dieses Stoffes und der Bearbeitung des vom Auftraggeber beigestellten Stoffes. Nach den für das UStG geltenden Grundsätzen der Einheitlichkeit der Leistung ist auch in diesem Falle beim herstellenden Unternehmer eine Werklieferung anzunehmen. Inhalt und Umfang dieser Werklieferung sind aber auf das beschränkt, was der Hersteller zur Herstellung des Gegenstandes beigetragen hat. Aus dem Leistungsaustausch zwischen dem Hersteller und dem Auftraggeber ist deshalb der vom Auftraggeber beigestellte Stoff auszuscheiden. Der Hersteller hat an den Auftraggeber den fertigen Gegenstand ohne den beigestellten Stoff geliefert. Der Auftraggeber hat den Gegenstand ohne den beigestellten Stoff erworben. Wenn der Auftraggeber den Stoff weiterliefert, so liefert er ihn einschließlich des zur Herstellung beigestellten Stoffes. Er hat daher einen anderen Gegenstand geliefert als denjenigen, den er erworben hat. Die Voraussetzung für die Großhandelsvergünstigung, daß der gelieferte Gegenstand erworben sein muß, ist deshalb nicht gegeben. Der Senat tritt damit der bereits vom Reichsfinanzhof in seiner Entscheidung V 88/43 vom 31. Oktober 1944 (RStBl 1945 S. 68, Slg.Bd. 54 S. 143) vertretenen Auffassung bei. § 3 Abs. 2 UStG sagt über Inhalt und Umfang der Werklieferung ebensowenig aus wie § 3 Abs. 1 UStG zum Beispiel für die Gehaltslieferung über Inhalt und Umfang der Lieferung.
Im vorliegenden Falle hat das Finanzgericht zu Recht angenommen, daß seitens der Stpfl. hinsichtlich des Natrium-Nitrits eine echte Materialbeistellung vorlag. Die Stpfl. hat selbst vorgebracht, daß sie das Natrium-Nitrit eingekauft habe, um sicherzustellen, daß einwandfreies und qualitativ bestes Nitrit zur Herstellung ihres Pökelsalzes verwendet werde. Der Wille der Stpfl. war darauf gerichtet, daß die Salinen dieses von der Stpfl. beschaffte Natrium-Nitrit auch tatsächlich verwendeten. Sie wollte die Salinen nur mit dieser Beschränkung über das Natrium-Nitrit verfügen lassen. Eine derartig beschränkte Verfügungsmacht ist aber keine Verfügungsmacht im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 UStDB, bei der der Erwerber befähigt werden muß, unbeschränkt wie ein Eigentümer über den Gegenstand verfügen zu können. Für den vorliegenden Fall trifft das nicht zu. Es liegt deshalb hinsichtlich des Natrium-Nitrits eine echte Materialbeistellung vor. Des weiteren ist eine Werklieferung gegeben. Die Salinen waren beauftragt, aus dem von ihnen selbst beschafften Siedesalz das gewünschte Pökelsalz herzustellen. Dazu hat die Stpfl. das Natrium-Nitrit beigestellt. Die Stpfl. hat deshalb von den Salinen das Pökelsalz ohne das Natrium-Nitrit erworben und das fertige Pökelsalz an ihre Abnehmer weitergeliefert. Die Frage, ob die Großhandelsvergünstigung auch dann abzulehnen ist, wenn der beigestellte Stoff nur eine Zutat oder Nebensache darstellt, braucht im vorliegenden Falle nicht untersucht zu werden, weil es sich bei dem Natrium-Nitrit um einen Hauptstoff handelt. Da das Pökelsalz durch eine Mischung von Siedesalz und Natrium-Nitrit entsteht, kann keinem dieser Stoffe die Eigenschaft einer Nebensache zukommen. Sie bestimmen beide das Wesen des Enderzeugnisses. Das Natrium-Nitrit verleiht dem Enderzeugnis die entscheidende Eigenschaft. Daß das Pökelsalz ein anderes Wirtschaftsgut als das Siedesalz oder das Natrium-Nitrit darstellt, kann nicht zweifelhaft sein. Wer Siedesalz kauft, will kein Pökelsalz, und wer Pökelsalz kauft, will kein Siedesalz oder Natrium-Nitrit. Billigkeitserwägungen können bei der Entscheidung der Rechtsfrage keine Rolle spielen.
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG liegen hiernach nicht vor.
Fundstellen
BStBl III 1961, 267 |
BFHE 1961, 734 |