Leitsatz (amtlich)
Eine private berufliche Fortbildung durch Abend-, Fernseh- oder Fernkurse und dergleichen über steuerrechtliche, wirtschaftliche und kaufmännische Fragen ist der in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG a. F. vorgesehenen Ausbildung nicht gleichzusetzen.
Normenkette
StBerG a.F. § 118a Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Der im April 1940 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) erlangte nach achtjährigem Besuch der Volksschule und zweijährigem Besuch einer privaten Handelsschule das Zeugnis der mittleren Reife. Im Anschluß daran war er von September 1956 bis 31. Dezember 1961 als Verwaltungsangestellter bei einem Versicherungsunternehmen, vom 8. Januar 1962 bis 31. März 1963 als Kontorist bei einem Verlag und weitere rd. achteinhalb Monate der Jahre 1963/1964 als Buchhalter bei zwei anderen Firmen tätig. Am 15. Februar 1965 trat er eine Stelle als Betriebs- und Finanzbuchhalter an, die er bis zum 15. November 1972 innehatte. Anschließend war er rd. dreieinhalb Monate als Leiter der Buchhaltung einer Firma beschäftigt.
In den Jahren 1964 bis 1967 besuchte der Kläger einen Abendkurs von 12 Wochen Dauer "Einführung in das Lochkartenverfahren" der DAG-Schule, beim selben Veranstalter fünf Abende lang einen Kurs "Steuerrecht für Arbeitnehmer" und rd. 10 Wochen einen Abendlehrgang "Mehrwertsteuer". Von 1962 bis 1969 erstreckte sich sein Besuch eines von einer Sprachschule veranstalteten Abendlehrgangs für Englisch (Grund- und Mittelstufe). Ab 1972 beteiligte er sich an einem Fernsehkurs über Elektronische Datenverarbeitung, einem Kurs desselben Mediums zum Thema "Management für alle Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung". zwei Leistungstests über betriebliches Steuerwesen bzw. Buchhaltung und Bilanz, die von der Betriebswirtschaftsakademie e. V. und der Arbeitsgemeinschaft berufsfördernder Zeitschriften veranstaltet wurden, an einem sich über 18 Monate erstreckenden Fernkurs "Informationskurs für moderne Betriebswirtschaft" sowie an einem viertägigen Seminar für Rechnungswesen, veranstaltet von einer Firma.
Auf entsprechende Anfrage des Klägers teilte die Beklagte und Revisionsbeklagte (OFD) diesem mit Schreiben vom 19. September 1973 mit, daß der Zulassungsausschuß bei ihr in der Sitzung vom 19. September 1973 festgestellt habe, daß der Kläger im gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich die für die Zulassung zur Prüfung erforderliche Voraussetzung des § 118 a Abs. 2 Nr. 1 des StBerG erfülle, einen Nachweis über die Erfüllung der in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG geforderten Voraussetzung aber nicht erbracht habe. Infolgedessen könne auch in der bisher vom Kläger ausgeübten Tätigkeit keine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens im Sinne des § 118 a Abs. 2 Nr. 3 StBerG erblickt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage.
Das FG hielt die Klage nicht für begründet. Es führte in seinem Urteil vom 5. September 1974 IV 96/74 (EFG 1975, 42) aus, die OFD habe sich zu Recht auf den Standpunkt gestellt, daß der Kläger die Zulassungsvoraussetzung des § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG nicht erfülle. Dem Kläger könne nicht darin gefolgt werden, daß der Besuch der Handelsschule mit mittlerer Reife, der den Anforderungen des § 118 a Abs. 2 Nr. 1 StBerG genüge, gleichzeitig die Voraussetzung der Nr. 2 a. a. O. erfülle. Eine solche Auffassung lasse sich mit Wortlaut und Willen des Gesetzes nicht in Einklang bringen (vgl. Urteil des BFH vom 22. Dezember 1970 VII R 111/69, BFHE 101, 340, BStBl II 1971, 311). Ebensowenig könne dem Gesetzesbefehl durch eine langjährige praktische Berufstätigkeit nachgekommen werden. Der Gesetzgeber unterscheide bewußt zwischen Ausbildung und praktischer Anwendung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse. Auch die übrigen Lehrgänge und Kurse, an denen der Kläger teilgenommen habe, erfüllten die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Es handele sich dabei um relativ kurze, meist der freiwilligen Fortbildung auf Spezialgebieten dienende Veranstaltungen, deren Teilnehmern in der Regel nur eine Bescheinigung über die Anwesenheit oder Mitwirkung erteilt werde und über deren Erfolg entweder kein oder nur ein auf Bewertungsmaßstäben aufbauendes Zeugnis erteilt werde, deren Ernstlichkeit und Einheitlichkeit nicht durch gesetzliche Bestimmungen abgesichert seien. Darüber hinaus sei bei Fern- und Fernsehkursen zu bedenken, daß auch keine Überwachung der Selbständigkeit des Teilnehmers bzw. der Urheberschaft der von Teilnehmern eingesandten Kontrollarbeiten stattfinde. Bedenke man außerdem, daß die in § 118 a Abs. 2 Nr. 3 StBerG geforderte vierjährige praktische Berufstätigkeit nach der Erfüllung der Voraussetzungen der Nr. 2 a. a. O. abgeleistet sein müsse, so komme, wolle man im übrigen alle Zulassungsvoraussetzungen als erfüllt ansehen, nur ein sehr kleiner Teil der besuchten Kurse und Lehrgänge als anrechenbar in Frage; auch bei großzügigster Gesetzesauslegung reiche das nicht aus. Der Erwerb des Kaufmannsgehilfenbriefs durch den Kläger im Juli 1974 könne die Entscheidung nicht beeinflussen. Zum einen könnte die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen zu einem nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses liegenden Zeitpunkt der Klage nicht mehr zum Erfolg verhelfen (so auch BFH-Beschluß vom 19. März 1968 VII 199/65, BFHE 92, 139, BStBl II 1968, 671). Zum anderen müßten die Voraussetzungen nach § 118 a Abs. 2 Nr. 3 StBerG im Anschluß an die Voraussetzungen der Nr. 2 erfüllt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1965 VII 284/64, HFR 1965, 290).
Mit der Revision rügt der Kläger die "ungerechtfertigt harte Auslegung des § 118 a Abs. 2 Nr. 2 und 3 StBerG". § 118 a StBerG wolle erreichen, daß nur Bewerber mit einem fundierten kaufmännischen und steuerlichen Wissen zur Prüfung zugelassen würden. Dieses Wissen sei bei ihm, dem Kläger, zweifelsohne vorhanden. Die in § 118 a StBerG genannten Tatbestandsmerkmale seien lediglich als beispielhafte Aufzählung mit Orientierungscharakter zu verstehen. Daß Abweichungen vom strengen Buchstaben des Gesetzes möglich und nötig seien, zeigten verschiedene FG- und BFH-Urteile. Dem müsse auch hier gefolgt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zwar zu Unrecht die Tatsache unberücksichtigt gelassen, daß der Kläger einige Wochen vor der mündlichen Verhandlung den Kaufmannsgehilfenbrief erworben hat. Das FG hat sich auf den Beschluß des BFH VII 199/65 berufen, dabei aber übersehen, daß es sich in dem damals entschiedenen Fall um eine Anfechtungsklage gehandelt hat, während im vorliegenden Fall nach Ansicht des FG eine Verpflichtungsklage erhoben worden war, möglicherweise auch, was der Senat dahingestellt lassen kann, eine Feststellungsklage. Bei Verpflichtungsklagen kommt es aber grundsätzlich auf den Sachverhalt am Schluß der mündlichen Verhandlung an; das gleiche gilt für eine Feststellungsklage, wenn - wie hier - nicht nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt begehrt worden ist (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 100 FGO Anm. 28 und 33). Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsfehler. Der Kläger hat nämlich, wie das FG zu Recht entschieden hat, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht die Voraussetzungen des § 118 a Abs. 2 Nr. 3 StBerG a. F. erfüllt.
Der Kläger hat im Juli 1974 die Kaufmannsgehilfenprüfung abgelegt. Zwar ist dieser Prüfung offenbar keine ordnungsmäßige Lehrzeit im kaufmännischen Beruf vorangegangen. Da der Kläger aber die Prüfung erfolgreich abgelegt hat, bedarf es keiner Nachholung der Lehrzeit (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1969 VII R 80/67, BFHE 96, 256, BStBl II 1969, 693). Nach § 118 a Abs. 2 Nr. 3 StBerG ist aber ein Bewerber zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nur zuzulassen, wenn er nach Erfüllung der Voraussetzung zu Nr. 2 vier Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig war. Diese Zeitspanne ist noch nicht verstrichen, da der Kläger die Gehilfenprüfung erst im Juli 1974 bestanden hat. Die nach der genannten Bestimmung erforderliche praktische Tätigkeit kann auch nicht ganz oder teilweise durch eine Tätigkeit erfüllt werden, die zeitlich vor der Erfüllung der Voraussetzungen der Nr. 2 a. a. O. liegt. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Wie der erkennende Senat zu der gleichlautenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 StBerG a. F. entschieden hat (Urteil VII 284/64), kommt eine Auslegung des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut nicht in Betracht. Es ist durchaus sinnvoll, wenn das Gesetz ausdrücklich vorschreibt, daß die praktische Tätigkeit nach dem Abschluß der Ausbildung, welche die erforderlichen Kenntnisse vermittelt, ausgeübt werden muß. Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Anders wäre die Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der Nr. 3 a. a. O. erfüllt hat, dann zu beurteilen, wenn seine Ansicht zuträfe, daß er die Voraussetzung der Nr. 2 a. a. O. nicht erst mit dem Erwerb des Kaufmannsgehilfenbriefes, sondern bereits wesentlich früher erfüllt habe. § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG a. F. erfordert für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung - wie zuvor schon § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG in der früher geltenden Fassung - eine mit der Gehilfenprüfung abgeschlossene ordnungsmäßige Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf. Gleichgestellt wird vom Gesetz lediglich der viersemestrige Besuch einer als geeignet anerkannten Verwaltungsakademie oder einer gleichwertigen Lehranstalt. Auch der Kläger bringt nicht vor, daß der Buchstabe dieser Bestimmung durch die von ihm vor der Gehilfenprüfung durchlaufene Ausbildung erfüllt worden ist. Er ist aber der Meinung, daß eine erweiternde Auslegung angebracht sei. Der erkennende Senat hat in der Tat in einigen Fällen die genannte Bestimmung erweiternd ausgelegt. So hat er in seinem Urteil vom 8. März 1966 VII 141/65 (BFHE 85, 61, BStBl III 1966, 234) die Steuerinspektorenprüfung und in seinem Urteil vom 9. Mai 1967 VII 170/65 (BFHE 88, 481, BStBl III 1967, 437) die Bilanzbuchhalterprüfung als der Gehilfenprüfung im Sinne des § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG gleichwertige Prüfung angesehen. Ferner hat der Senat in seinem Urteil vom 12. November 1974 VII R 112/73 (BFHE 114, 310, BStBl II 1975, 313) für möglich gehalten, daß die Ausbildung zu einem genossenschaftlichen Verbandsprüfer einer der in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG genannten Lehrzeiten grundsätzlich gleichzusetzen ist, mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen die Frage jedoch nicht entschieden, sondern die Sache an das FG zurückverwiesen. Im Mittelpunkt der Ausbildung des künftigen Steuerinspektors steht die Unterweisung auf allen Gebieten des Steuerwesens. Die mit der Steuerinspektorenprüfung abgeschlosesne Ausbildung ist daher gegenüber der im Gesetz genannten abgeschlossenen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf mehr als gleichwertig. Die Bilanzbuchhalterprüfung hat den Zweck, erfahrenen Buchhaltern zu bestätigen, daß sie das betriebliche Rechnungswesen einschließlich der Bilanzierung beherrschen und die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse auszuwerten verstehen. Sie erfordert demgemäß weit höhere und speziellere Kenntnisse als die Kaufmannsgehilfenprüfung. Der Senat hatte daher keine Bedenken, die Steuerinspektorenprüfung und die Bilanzbuchhalterprüfung als Erfüllung einer der in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG genannten fachlichen Vorbildungsvoraussetzungen anzuerkennen. Hinsichtlich der Prüfung eines genossenschaftlichen Verbandsprüfers hat es der Senat - je nach Gestaltung der Prüfung und der zu ihr führenden Lehrpläne - für möglich gehalten, daß von einem Verbandsprüfer die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden wie von einem Bilanzbuchhalter.
Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß der erkennende Senat eine erweiternde Auslegung nur in ganz bestimmten, klar umrissenen Fällen für möglich gehalten hat, in denen offensichtlich eine Gleichstellung mit den in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG genannten Fällen angebracht ist, und daß er sich bei dieser erweiternden Auslegung grundsätzlich für Zurückhaltung ausgesprochen hat. Die Ausbildung, die nach den Feststellungen des FG der Kläger erhalten hat, läßt sich auch nicht entfernt mit der Ausbildung eines Steuerinspektors, Bilanzbuchhalters oder genossenschaftlichen Verbandsprüfers vergleichen und kann daher - auch bei Berücksichtigung der Grundsätze der zitierten Rechtsprechung - offensichtlich nicht mit der nach § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG vorgeschriebenen Ausbildung gleichgestellt werden. Die private Ausbildung des Klägers in - zum Teil relativ kurzen - Abendkursen, Fernsehkursen, Fernkursen, Leistungstests und Seminaren über steuerrechtliche Fragen, Buchhaltung, Bilanz, EDV, Management und englische Sprache ist in ihren Voraussetzungen und Ergebnissen zu unbestimmt, um eine ebenso zuverlässige Basis für die Beurteilung der fachlichen Vorbildung eines Bewerbers für die Steuerbevollmächtigtenprüfung abzugeben, wie sie die in der genannten Bestimmung aufgeführte oder nach der Rechtsprechung gleichgestellte Ausbildung aufweist.
Der Hinweis des Klägers, er habe die von der Industrie- und Handelskammer für die Kaufmannsgehilfenprüfung im Ausnahmeverfahren geforderten Voraussetzungen bereits vor 10 Jahren erfüllt, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn die Erfüllung dieser Voraussetzungen allein war noch kein Beweis dafür, daß die durch die Prüfung erst zu beweisenden, für einen Kaufmannsgehilfen erforderlichen Kenntnisse bereits damals vorhanden waren. Wäre es anders, so wäre es nicht verständlich, daß das Gesetz die Zulassung vom Ablegen der Gehilfenprüfung abhängig macht. § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG stellt es eben nicht allein auf die kaufmännische Tätigkeit bzw. die Lehrzeit ab, sondern entscheidend auf die Ablegung der Prüfung.
Fundstellen
Haufe-Index 71828 |
BStBl II 1976, 398 |
BFHE 1976, 273 |