Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der im Urteil III 340/61 U vom 17. April 1964 (BFH 79, 405, BStBl III 1964, 380) vertretenen Auffassung fest, daß die Steuerschuld für die veranlagte Körperschaftsteuer bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens als Betriebsschuld nach § 62 Abs. 1 BewG a. F. in Verbindung mit § 53a BewDV a. F. nur in der Höhe abgezogen werden kann, die sich aus der einheitlichen Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 KStG 1958 ergibt.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1; BewDV a.F. § 53a; KStG 1958 § 19 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1959 ließ das FA die Körperschaftsteuerschuld 1958 nur in der Höhe zum Abzug zu, in der sie unter Berücksichtigung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 KStG tatsächlich zu zahlen war, während die Klägerin in ihrer Vermögensaufstellung die Körperschaftsteuerschuld 1958 in voller Höhe mit 51 v. H. berechnet hatte. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Klage blieb erfolglos. Das FG schloß sich dem Urteil des Senats III 340/61 U vom 17. April 1964 (BFH 79, 405, BStBl III 1964, 380) an.
Die Klägerin beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA die Körperschaftsteuerschuld 1958 in Höhe von 51 v. H. des gesamten steuerpflichtigen Einkommens 1958 zum Abzug zuzulassen. Sie rügt Verletzung der §§ 4 ff. BewG und des § 19 KStG. Die Revision wird im wesentlichen damit begründet, daß die Gesetzesauslegung, wie sie der BFH in dem Urteil III 340/61 U vom 17. April 1964 (a. a. O.) und ihm folgend auch das FG vorgenommen habe, unzutreffend sei. Die Körperschaftsteuerschuld entstehe nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c StAnpG mit Ablauf des Zeitraums, für den die Veranlagung vorgenommen werde. Am 31. Dezember 1958 und damit zugleich am Bewertungsstichtag vom 1. Januar 1959 sei der Tatbestand für das Entstehen der Körperschaftsteuer in Höhe von 51 v. H. verwirklicht gewesen. Es habe deshalb an diesem Stichtag eine Körperschaftsteuerschuld in entsprechender Höhe bestanden. Die Ermäßigung dieser Schuld auf 15 v. H. setze ein weiteres Besteuerungsmerkmal voraus, nämlich eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung. Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen seien die bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen, deren Ergebnis bei der Veranlagung zu berücksichtigen sei. Sie lägen also erst dann vor, wenn der Auschüttungsbeschluß gefaßt sei. Erst in diesem Augenblick sei der Tatbestand für das Entstehen der Körperschaftsteuer in Höhe von 15 v. H. verwirklicht. Die Unrichtigkeit der Auffassung des BFH, § 19 KStG sei eine einheitliche Tarifvorschrift, zeige sich an einem Beispielsfall. Nehme man an, daß eine Körperschaft unmittelbar am 1. Januar eines Jahres zur Vermögensteuer veranlagt werde, so müsse zweifellos die Körperschaftsteuer auf der Grundlage eines Steuersatzes von 51 v. H. berücksichtigt werden. Der BFH habe offensichtlich für seine Auslegung des § 19 KStG in angreifbarer Weise stillschweigend den Fall zugrunde gelegt, daß die Veranlagung zur Vermögensteuer zu einem bestimmten Stichtag erst so spät vorgenommen wurde, daß inzwischen der Gewinnverteilungsbeschluß gefaßt worden sei. Nur in einem solchen Fall sei überhaupt die Möglichkeit gegeben, den am Bewertungsstichtag noch nicht, aber am Veranlagungstage vorhandenen Gewinnverteilungsbeschluß bei dem Abzug der Körperschaftsteuer zu berücksichtigen. Eine Schätzung der Körperschaftsteuerschuld unter Berücksichtigung des noch nicht gefaßten Gewinnverteilungsbeschlusses sei nicht möglich, wenn in dem fraglichen Jahr erstmals Gewinne ausgeschüttet würden, obwohl in den früheren Jahren höhere Gewinne erwirtschaftet worden seien, ohne daß sie ausgeschüttet worden seien. Die Auffassung des FG, das Wort "ermäßigt" in § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG sei synonym zu dem Wort "beträgt" verwendet, sei unzutreffend. Es bestehe keine Analogie zu den Vorschriften der §§ 9 Abs. 2, 24 KVStG und § 12 Abs. 2 UStG 1968. In allen diesen Fällen sei der entsprechende Besteuerungsmaßstab von vornherein verwirklicht und unveränderlich. Gerade das sei aber hinsichtlich des Gewinnverteilungsbeschlusses nicht der Fall. Die Auffassung des BFH und des FG verstoße zudem gegen das Stichtagsprinzip. Es handele sich nicht um die in der Rechtsprechung des RFH und des BFH für zulässig gehaltene nachträgliche Aufhellung der bereits am Stichtag bestehenden Verhältnisse. Die Auffassung des BFH und des FG stehe auch in Widerspruch zu der übrigen Rechtsprechung des BFH zur Bewertung von Ansprüchen, die von einem Gewinnverteilungsbeschluß abhängig seien, so z. B. der Tantiemeansprüche. Es sei auch widersprüchlich, daß nach dem BFH-Urteil III 340/61 U (a. a. O.) einerseits die Körperschaftsteuerschuld nur in der Höhe berücksichtigt werden könne, wie wenn der Gewinnverteilungsbeschluß bereits am Bewertungsstichtag gefaßt worden sei, andererseits die Dividende nicht als Schuldposten berücksichtigt werden könne. Schließlich verstoße die Auffassung des BFH und des FG auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Der Senat hat in dem Urteil III 340/61 U (a. a. O.) entschieden, daß die Steuerschuld für die veranlagte Körperschaftsteuer nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c StAnpG mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums in der Höhe entsteht, die sich aus der einheitlichen Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 KStG 1958 ergibt. Er hat diese Auffassung damit begründet, daß es sich bei der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG um eine Tarifbestimmung handele, die die Steuersätze für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften regele. Die zu zahlende Körperschaftsteuer könne nur richtig berechnet werden, wenn man diese Vorschrift als Ganzes betrachte. Man könne nicht § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 KStG isoliert für sich betrachten. Die Körperschaftsteuer sei vielmehr bereits am Schluß des Veranlagungszeitraums nur in der Höhe entstanden, wie sie sich aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG als einheitliche Tarifvorschrift, also auch unter Berücksichtigung ihres Satzes 2 ergebe. Satz 2 enthalte keine auflösende oder aufschiebende Bedingung. An dieser Auffassung hält der Senat trotz der Einwendungen der Klägerin auch im Streitfall fest.
Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, daß am Bewertungsstichtag der Tatbestand für das Entstehen einer Körperschaftsteuer in Höhe von 51 v. H. verwirklicht worden sei, während die Ermäßigung der danach entstandenen Körperschaftsteuerschuld auf 15 v. H. ein weiteres Besteuerungsmerkmal, nämlich eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung, voraussetze, das aber erst nach dem Stichtag aufgrund eines entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorliege. Es ist zwar richtig, daß die Höhe der Körperschaftsteuerschuld erst dann feststeht, wenn der Gewinnverteilungsbeschluß gefaßt ist und daß dieser Beschluß erst nach dem Bewertungsstichtag vorliegt. Es ist dies aber nicht der einzige Fall, in dem die Höhe der Steuerschuld von Erklärungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen abhängt, die erst nach dem Bewertungsstichtag abgegeben oder ausgeführt werden. Das kommt z. B. bei der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG oder der erhöhten Abzüge für Wohngebäude nach § 7b EStG in Betracht. Wenn sich in diesen Fällen die Höhe der Steuer auch erst nach dem Stichtag konkretisiert, so muß doch davon ausgegangen werden, daß der Steuerpflichtige am Stichtag willens war, in der später konkretisierten Weise zu entscheiden (so das Urteil des Senats III 94/61 U vom 30. April 1965, BFH 82, 425, BStBl III 1965, 402). Das gleiche muß auch bei der Körperschaftsteuer hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen gelten, und zwar auch dann, wenn in den Vorjahren trotz erzielter Gewinne keine Ausschüttungen vorgenommen wurden. Das von der Klägerin angeführte Beispiel steht dieser Auffassung nicht entgegen. Es kommt überhaupt nicht darauf an, wann die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens durchgeführt wird. Wird sie zu einem Zeitpunkt vorgenommen, an dem der Gewinnverteilungsbeschluß noch nicht vorliegt, so ist die Höhe der Körperschaftsteuer noch ungewiß. In einem solchen, wohl nur theoretisch denkbaren Fall müßte, soweit nicht eine vorläufige Einheitswertfeststellung nach § 100 Abs. 1 oder 2 AO in Betracht kommt, die Einheitswertfeststellung bis zum Ergehen des Gewinnverteilungsbeschlusses zurückgestellt werden. Die Klägerin beruft sich auch zu Unrecht auf den Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Wenn es dort in Satz 2 heißt, daß sich die Körperschaftsteuer auf 15 v. H. des Einkommens "ermäßigt", so bezieht sich das Wort "ermäßigt" unmittelbar nur auf die Höhe des Steuersatzes. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, daß zunächst eine Körperschaftsteuerschuld nach Satz 1 der Vorschrift entsteht. Die Körperschaftsteuer entsteht vielmehr von vornherein nur in der Höhe, in der sie sich nach Sätzen 1 und 2 der Vorschrift ergibt. Es ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht widersprüchlich, daß der Senat in dem Urteil III 340/61 U (a. a. O.) entschieden hat, daß sich die Dividende nicht bereits auf den Stichtag vermögensmindernd auswirke. Dieser angebliche Widerspruch erklärt sich daraus, daß die Körperschaftsteuerschuld am Stichtag dem Grunde nach auf jeden Fall besteht und nur noch in ihrer Höhe ungewiß ist, während eine rechtliche Verpflichtung zur Gewinnnausschüttung vor dem Zeitpunkt der Beschlußfassung nicht besteht (so auch Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., Bd. II, Anm. 5 zu § 105 BewG).
Es besteht auch kein Widerspruch zu den Entscheidungen des Senats zur Bewertung von Ansprüchen, die von einem Gewinnverteilungsbeschluß abhängig sind. Wenn der Senat in dem BFH-Urteil III R 112/67 vom 10. Mai 1968 (BFH 93, 11, BStBl II 1968, 703) einen Tantiemeanspruch, der nicht nur gewinnabhängig ist, sondern auch davon abhängt, daß der Gewinn ganz oder teilweise oder in bestimmter Mindesthöhe ausgeschüttet wird, am Bewertungsstichtag, an dem der Gewinnverteilungsbeschluß noch nicht ergangen ist, als aufschiebend bedingt behandelt, so beruht das darauf, daß nach den vertraglichen Vereinbarungen der Anspruch erst mit dem Gewinnverteilungsbeschluß entstehen sollte. Gerade daran fehlt es aber nach den obigen Darlegungen. Die Körperschaftsteuerschuld entsteht nicht auflösend bedingt in Höhe von 51 v. H., sondern sie entsteht von vornherein nur in der Höhe, die sich aus der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG in ihrer Gesamtheit ergibt. Schließlich liegt auch entgegen der Auffassung der Klägerin keine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Abgesehen davon, daß der Gleichheitssatz nur verbietet, Gleiches ungleich zu behandeln, wird durch die Rechtsprechung des Senats gerade eine gleichmäßige Behandlung aller unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften dadurch erreicht, daß die Körperschaftsteuer in gleicher Weise zum Abzug zugelassen wird ohne Rücksicht darauf, zu welchem Zeitpunkt die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen vorgenommen oder beschlossen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 69594 |
BStBl II 1971, 795 |
BFHE 1972, 217 |