Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Unterhalt und Pflege als Nachlaßverbindlichkeit
Leitsatz (NV)
1. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 greift nur ein, soweit der Erbe dem Erblasser unentgeltlich Pflege oder Unterhalt geleistet hat. Der Abzug von Ansprüchen des Erben aufgrund derartiger Leistungen als Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 wird durch § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht ausgeschlossen.
2. Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 sind alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod als nicht erloschen gelten. Ein Abzug von Aufwendungen des Erben für dem Erblasser erbrachte Pfleg- und Unterhalts leistungen als Nachlaßverbindlichkeiten kommt nur in Betracht, wenn zwischen dem Erblasser und dem Erben ein Schuldverhältnis bestanden hatte, aufgrund dessen der Erblasser berechtigt war, vom (späteren) Erben Pflege und Unterhaltsleistungen zu fordern und der Erbe berechtigt war, die vereinbarte Vergütung geltend zu machen oder wenn ihm aus anderen Gründen ein Anspruch auf Vergütung gegen den Erblasser zustand.
3. Zur Annahme eines Dienstverhältnisses zwischen Erblasser und Erbe.
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 Nrn. 1, 3, § 13 Abs. 1 Nr. 9; BGB §§ 611, 612 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat aufgrund privatschriftlichen Testaments vom 2. Juli 1976 ihre in 1987 verstorbene Tante A alleine beerbt. Zum Nachlaß gehörten insbesondere drei bebaute Grundstücke. In dem Testament wird unter Aufzählung der einzelnen Leistungen erwähnt, daß die Klägerin der Erblasserin seit dem Tod ihres Mannes in 1973 unentgeltlich Pflege und Hilfe geleistet habe. Die Klägerin hatte zwar gewußt, daß ein Testament bestand, den Inhalt des Testaments hatte sie jedoch nicht gekannt.
In der Erbschaftsteuererklärung machte die Klägerin u. a. als Schulden der Erblasserin an die Klägerin "Lohn für Wartung, Arbeiten und Ersatz für Verpflegung" geltend, die sie wie folgt berechnete:
Arbeitsvertrag 400 DM ×
12 Monate × 14 Jahre 67 200 DM Verpflegung 300 DM ×
12 Monate × 14 Jahre 50 400 DM Insgesamt 117 600 DM Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ließ bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die Klägerin durch den Bescheid vom 21. November 1988 von dem steuerpflichtigen Erwerb von ... DM lediglich 2 000 DM gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 für unentgeltliche Pflege und Unterhalt von der Steuer frei. In dem sich anschließenden, für die Klägerin erfolglosen Einspruchsverfahren, vertrat das FA die Auffassung, daß der Abzug einer Nachlaßverbindlichkeit nicht in Frage komme, weil ein Arbeitsverhältnis nicht konkret nachgewiesen sei. Aus dem Testament gehe nicht hervor, ob ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Unklarheiten, die daraus entstünden, daß kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliege, gingen zu Lasten der Beteiligten. Es entspreche auch nicht der Lebenserfahrung, daß Arbeitsleistungen durch eine privatschriftliche Erbeinsetzung abgegolten würden. Es sei nicht auszuschließen gewesen, daß die Erblasserin anderweit testiere oder ohne Hinterlassenschaft versterbe. In beiden Fällen wäre die Klägerin ohne Arbeitsentgelt geblieben. Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß die Erblasserin mit ihrem Testament eine Dankesschuld habe abtragen und die Klägerin für die Pflegeleistungen nachträglich habe belohnen wollen. Hätte sie sich ernsthaft verpflichten wollen, hätte sie sich schriftlich festgelegt.
Die Klage, mit der die Klägerin einen Betrag von 117 600 DM als Erblasserschulden geltend gemacht hatte, hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die von der Klägerin der Erblasserin erbrachten Unterhalts- und Pflegeleistungen den steuerpflichtigen Erwerb der Klägerin insoweit mindern, als hierfür von der Erblasserin aufgrund eines Dienstverhältnisses ein Entgelt geschuldet gewesen sei. Dies nahm das FG ab 1. August 1981 in Höhe von 700 DM monatlich, insgesamt mit 49 000 DM an. Dies begründete das FG im wesentlichen wie folgt: Zu Unrecht habe das FA den Abzug von Pflege- und Unterhaltskosten auf den Betrag von 2 000 DM gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 beschränkt. Die genannte Vorschrift sei im Ergebnis weitgehend gegenstandslos geworden, weil sie nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (BFH-Urteil vom 13. Juli 1983 II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37) gegenüber § 10 ErbStG 1974 logisch nachrangig zu prüfen sei. Das bedeute, daß im Hinblick auf das Bereicherungsprinzip ein voller Abzug erbrachter Pflege- und Unterhaltsleistungen auf zwei Wegen möglich sei, nämlich einmal als Erblasserschulden (z. B. aufgrund eines nachgewiesenen Dienstverhältnisses) i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 und zum anderen als sog. Vorkosten des Erwerbs (z. B. aufgrund eines Erbvertrages erbrachte Vorleistungen) i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974. Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 lägen im Streitfall nicht vor, weil weder schriftliche noch mündliche Vereinbarungen ersichtlich seien, daß die Erblasserin sich die Leistungen dafür habe erbringen lassen, daß sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt hat. Zu bejahen seien jedoch Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 (Erblasserschulden). Die Klägerin gehe -- ebenso wie ihr als Zeuge vernommener Ehemann -- von einem seit 1973 bestehenden Dienst- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis mit entsprechender Vergütung bzw. Aufwendungsersatz aus, weil die Erblasserin ihr damals gesagt habe, sie solle sie pflegen und dafür ihr Geschäft aufgeben, und zwar für einen Betrag von 700 DM. Der Senat halte diese Angaben für glaubhaft. Insbesondere gehe aus dem Testament der Erblasserin hervor, daß die Klägerin dementsprechend auch umfangreiche Pflege- und Unterhaltsleistungen erbracht habe. Andererseits sei aber nicht hinreichend klar erkennbar, ob die Erblasserin und die Klägerin bereits von einem rechtlich verpflichtenden Austauschverhältnis ausgegangen seien. So habe die Klägerin eine Vergütung weder ausbezahlt erhalten noch seien abgrenzbare Beträge auf ein Darlehenskonto geflossen. Offenbar habe auch die Klägerin damals auf rein familiärer Grundlage tätig werden wollen, weil sie aus nicht mehr klar erkennbaren Gründen ihr 1975 übergebene und überschriebene Sparbücher der Erblasserin wieder zurückgegeben habe. Möglicherweise habe insoweit auch eine Rolle gespielt, daß die damalige Rente der Erblasserin von 800 DM durch eine Vergütung von 700 DM weitgehend aufgezehrt worden wäre. Schließlich habe die Erblasserin selbst in ihrem Testament aus dem Jahr 1976 sämtliche Leistungen der Klägerin als "unentgeltlich" bezeichnet und auch nicht andeutungsweise erwähnt, daß sie insoweit eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung noch ausstehender Vergütungen treffen würde. Diese Unklarheiten gingen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin, die sich auf das Bestehen einer die Bereicherung mindernden Nachlaßverbindlichkeit berufe.
Das Gericht sei jedoch der Auffassung, daß das ursprünglich nur ins Auge gefaßte Dienstverhältnis konkludent in dem Moment (1. August 1981) ernsthaft in Kraft gesetzt worden sei, in dem aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Erblasserin sich nicht nur der Umfang der Pflege leistungen erhöhte habe, sondern die Erblasserin zusätzlich auch ein Pflegegeld nach dem Zivilblindenpflegegesetz erhalten habe. In einem solchen Fall sei es weder unter Familienangehörigen noch unter fremden Dritten vorstellbar, daß die Pflegeleistungen, für die das Pflegegeld gezahlt werde, nicht entgolten würden. Daß die Erblasserin auch ab diesem Zeitpunkt die Beträge nicht ausbezahlt habe, sehe der Senat in Fällen der vorliegenden Art nicht als entscheidend an, weil hier vielfach -- wie nach den Angaben der Klägerin auch im Streitfall -- die Pflegepersonen auf die Vergütung für ihren laufenden Lebensunterhalt nicht angewiesen seien und deshalb das Auflaufen rückständiger Lohnansprüche etc. bis zum Eintritt des Erbfalls ihren Interessen entsprechen könne. Die aufgelaufenen Lohn- bzw. Aufwendungsersatzansprüche minderten erbschaftsteuerrechtlich als Nachlaßverbindlichkeit die Bereicherung.
Gegen das Urteil des FG hat -- lediglich -- das FA Revision eingelegt und als fehlerhaft gerügt, daß das FG eine Nachlaßverbindlichkeit i. S. von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 angenommen habe, denn eine nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu beurteilende rechtliche Verpflichtung der Erblasserin zur Abgeltung der erbrachten Pflege und Unterhaltsleistungen habe nicht bestanden. Zu Unrecht habe das FG ab dem 1. August 1981 unterstellt, daß ein Dienstverhältnis durch schlüssiges Verhalten zustandegekommen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts -- BAG -- (Urteil vom 19. Juli 1973 5 AZR 46/73, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1974, 380), der sich der BFH in seinem Urteil vom 15. Juni 1988 II R 165/85 (BFHE 154, 380, BStBl II 1988, 1006) angeschlossen habe, setze die Annahme eines durch schlüssiges Verhalten zustandegekommenen Dienstverhältnisses voraus, daß der Dienstberechtigte die erbrachte Leistung des Dienstverpflichteten als eine ihm geschuldete Dienstleistung entgegengenommen habe. Zu Recht habe das FG dies für den Zeitraum vor dem 1. August 1981 verneint, weil einerseits ein rechtlich verpflichtendes Austauschverhältnis zwischen der Erblasserin und der Klägerin nicht hinreichend klar erkennbar sei und sich die Erblasserin andererseits keiner rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung ausstehender Vergütungen bewußt gewesen sei. Letzteres ergebe sich aus dem Testament, in dem die Erblasserin ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß die ihr von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen unentgeltlich erfolgt seien. Dadurch habe die Erblasserin zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß ein rechtlich verpflichtendes Austauschverhältnis in Form eines Dienstvertrages nicht vorgelegen habe. Die Auffassung des FG, daß ab dem 1. August 1981 ein Dienstverhältnis rechtswirksam begründet worden sei, sei nicht schlüssig belegt. Es lägen keine Anhaltspunkte im Verhalten der Erblasserin und der Klägerin vor, aus denen sich erkennen lasse, daß sie nunmehr von einem rechtlich verpflichtenden Austauschverhältnis ausgegangen wären. Insbesondere seien auch weiterhin keine Vergütungen ausgezahlt worden oder auf ein Darlehenskonto geflossen. Allein der Um stand, daß ab dem 1. August 1981 der Erblasserin Blindengeld gezahlt worden sei, welches sie für sich behalten habe, begründe nicht konkludent ein solches Dienstverhältnis. Wenn, wie das FG ausführt, mit dem vollständigen Eintritt der Erblindung der Erblasserin der Umfang der Pflegeleistungen sich erhöht habe, wäre auch -- das Vorliegen eines Dienstverhältnisses unterstellt -- die Vergütung entsprechend erhöht worden; dies sei aber im Streitfall nicht erfolgt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG der Klage stattgegeben hat und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Sie läßt ausführen, das FA übersehe, daß sie glaubhaft -- nämlich durch eine eidesstatt liche Versicherung ihre Ehemanns -- nachgewiesen habe, daß sie tatsächlich ein Arbeitsverhältnis mit der Erblasserin begründet habe. Ohne Belang sei, daß die nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen erforderliche Form für Verträge zwischen nahen Angehörigen nicht eingehalten worden sei. Dies habe das FG auch bestätigt und es als ausreichend angesehen, daß ein nur mündlich geschlossener Arbeitsvertrag zwischen dem Erblasser und einem Dritten anzuerkennen sei, wenn die vereinbarten Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden seien; daß die Leistungen wirklich erbracht worden seien, stehe zwischen den Beteiligten außer Zweifel. Weshalb sich die Klägerin ihren Arbeitslohn trotz Aufforderung durch die Erblasserin nicht abgeholt habe, könne an ihrer Mentalität liegen. Sie habe gewußt, daß das Geld "gut liege" und von ihr ja jederzeit hätte abgeholt werden können. Sie habe sich in sehr geordneten Verhältnissen befunden und lebe problemlos von den Mieteinnahmen, der eigenen Rente und der des Ehemanns. Sie sei zu keiner Zeit auf den Verdienst, den sie bei der Erblasserin erzielt habe, angewiesen gewesen. Nach der Beweisaufnahme sei es auch nicht etwa so gewesen, daß die Arbeitsleistungen von der Klägerin deshalb er bracht worden seien, weil sie zur Alleinerbin eingesetzt worden sei; davon habe sie nichts gewußt. Die Klägerin habe zwar damit ge rechnet, daß sie von der Erblasserin nicht unberücksichtigt bleiben werde, in welchem Umfang sei ihr jedoch völlig unbekannt gewesen. Wäre sie überhaupt nicht bedacht worden, so hätte sie ihren rückständigen bzw. nicht abgeholten Arbeitslohn gegenüber dem Nachlaßempfänger aber sicher rechtlich geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben worden ist und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.
1. Zutreffend ist zwar der erbschaftsteuerrechtliche Ausgangspunkt der Vorentscheidung, daß die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 der Anerkennung von Nachlaßverbindlichkeiten, die auf Pflegeleistungen des Erben beruhen, nicht entgegensteht. Diese Vorschrift greift nur ein, soweit der Erbe dem Erblasser unentgeltlich Pflege oder Unterhalt ge währt hat, so daß die Berücksichtigung von Ansprüchen des Erben aufgrund derartiger Leistungen als Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 durch § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 auch dann nicht ausgeschlossen wird, wenn es sich um Leistungen der in dieser Vorschrift genannten Art handelt, denn der Abzug als Nachlaßverbindlichkeit geht der Berücksichtigung als steuerfreier Erwerb vor (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974; BFH-Urteil in BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37).
2. Dem FG ist im Ergebnis auch darin zuzustimmen, daß die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Kosten, die mit der Erlangung des Erwerbs entstanden sind, berücksichtigt werden können. Das gilt schon deshalb, weil keine Vereinbarungen über die Erbeinsetzung getroffen worden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37), vielmehr davon auszugehen ist, daß die Erbeinsetzung ohne irgendwelche vertraglichen Absprachen (lediglich) zur Belohnung der Klägerin für "unentgeltlich" erbrachte Dienste erfolgt ist. Auf die vom FG in diesem Zusammenhang erörterte Frage, ob mündliche Vereinbarungen ausreichen, kommt es danach im Streitfall nicht an.
3. Aufzuheben ist die Vorentscheidung jedoch, weil die Ausführungen des FG nicht den von ihm gezogenen Schluß rechtfertigen, daß die geltend gemachten Pflege- und Unterhaltsleistungen ab 1. August 1981 zu Erblasserschulden geführt hätten, die gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974 als Nachlaßverbindlichkeiten von dem Erwerb der Klägerin abzuziehen seien.
a) Nach der genannten Vorschrift sind die vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlaßverbindlichkeiten abzugsfähig; das sind die aus Rechtsgründen bestehenden Erblasserschulden (BFH-Urteil in BFHE 154, 380, BStBl II 1988, 1006). Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind bzw. kraft § 10 Abs. 3 ErbStG 1974 als nicht erloschen gelten. Ein Abzug als Nachlaßverbindlichkeit kommt im Streitfall danach nur in Be tracht, wenn festgestellt werden kann, daß zwischen der Erblasserin und der Klägerin ein Schuldverhältnis bestanden hatte aufgrund dessen die Erblasserin berechtigt war von der Klägerin Pflege und Unterhaltsleistungen zu fordern (§ 241 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) und die Klägerin berechtigt war, die vereinbarte Vergütung geltend zu machen (vgl. § 611 BGB) oder wenn ihr aus anderen Gründen (z. B. aus § 612 Abs. 1 BGB) ein Anspruch auf Vergütung gegen die Erblasserin zustand.
b) Das FG geht im Grundsatz hiervon aus und hat zu Recht den Abzug von Nachlaßverbindlichkeiten für den Zeitraum bis zum 1. August 1981 deshalb verneint, weil die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses nicht vorgelegen hatten; die Klägerin hat hiergegen auch keine Revision eingelegt. Nicht gefolgt werden kann dem FG jedoch insoweit, als es angenommen hat, daß ab dem genannten Zeitpunkt ein Dienstverhältnis zustandegekommen sei, als aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Erblasserin sich nicht nur der Umfang der Pflegeleistungen erhöht habe, sondern die Erblasserin zusätzlich ein Pflegegeld nach dem Zivilblindenpflegegeldgesetz erhalten habe, weil es in einem solchen Fall weder unter Familienangehörigen noch unter fremden Dritten vorstellbar sei, daß Pflegeleistungen, für die das Pflegegeld bezahlt werde, nicht entgolten würden. Die vom FG zur Begründung herangezogenen Tatsachen lassen weder den Schluß zu, daß sich die Klägerin gegenüber der Erblasserin rechtlich gebunden hatte (s. dazu unten zu c), noch wird damit die Verpflichtung der Erblasserin zur Zahlung einer Vergütung belegt. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, aus dem sich ergäbe, daß immer dann ein Rechtsanspruch des Leistenden auf Vergütung begründet sei, wenn dem Empfänger der Leistung Mittel zur Verfügung gestanden haben, mit denen er die Leistung hätte bezahlen können oder sollen. Auch aus den vom FG herangezogenen Umständen läßt sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht ableiten, denn der Mittelzufluß bei der Erblasserin läßt für sich weder den Schluß zu, daß sich die Erblasserin (nunmehr) zu einer Vergütung habe verpflichten wollen, noch, daß die Klägerin (nunmehr) eine Vergütung erwartet habe oder habe erwarten können.
c) Die Sache ist spruchreif; die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als das FG ihr stattgegeben hat.
Dem vom FG aufgrund der Vernehmung der Klägerin als Beteiligte und ihres Ehemanns als Zeugen festgestellten Sachverhalt lassen sich keine Umstände entnehmen, die einen Anspruch der Klägerin gegen die Erblasserin begründet haben. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte für das von der Klägerin behauptete Dienstverhältnis mit der Erblasserin, aus dem sich ein Anspruch auf Vergütung entweder gemäß § 611 BGB in der von der Klägerin behaupteten Höhe von monatlich 700 DM oder gemäß § 612 Abs. 1, 2 BGB in "üblicher Höhe" ergäbe (s. hierzu BAG- Urteil vom 15. März 1960 5 AZR 409/58, BAG AP § 612 Nr. 13 mit Anm. von Hueck; Schaub in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch -- MünchKomm --, 2. Aufl., § 612 Rz. 4; Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl., § 612 Rz. 1). Die Annahme eines die Klägerin verpflichtenden Dienstverhältnisses würde voraussetzen, daß diese Tätigkeiten für die Erblasserin geleistet hat, die über ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis hinausgingen (BAG-Urteil in NJW 1974, 380). Umstände die dies belegen würden, sind vom FG nicht festgestellt; die Klägerin hat sich auch selbst in dieser Weise nicht eingelassen. Die tatsächlich von ihr erbrachten Leistungen genügen nicht, ein durch schlüssiges Verhalten zustandegekommenes Vertragsverhältnis anzunehmen (BAG in NJW 1974, 380; BFH-Urteil in BFHE 154, 380, BStBl II 1988, 1006); unbehelflich ist insbesondere auch die Erwägung des FG, daß unter den gegebenen Umständen ab 1. August 1981 auszuschließen sei, daß kein Dienstvertrag abgeschlossen worden sei, weil damit keine der Tatbestandsvoraussetzungen belegt wird, aus denen sich ein schuldrechtlicher Vertrag ergeben würde. Auch daß sich die Erblasserin, wie die Klägerin ausgeführt hat, für berechtigt hielt, Ansprüche an sie zu stellen, besagt nicht, daß die Erblasserin von einer rechtlichen Verpflichtung der Klägerin ausgegangen ist; eine (bloß) sitt liche oder moralische Verpflichtung, die durch diese Aussage ebenfalls gedeckt ist, reicht nicht aus (BFH-Urteil in BFHE 157, 380, BStBl II 1980, 1006). Eine die Erbin rechtlich bindende Verpflichtung wird auch nicht durch ihre Aussage belegt, die Erblasserin habe der Erbin schon im Jahre 1973 gesagt, sie solle sie pflegen und dafür ihr Geschäft aufgeben; sie wolle der Klägerin von ihrer Rente von rd. 800 DM monatlich 700 DM geben. Denn daraus geht allenfalls das Interesse der Erblasserin an einer Regelung hervor, nicht aber, daß eine solche Regelung getroffen worden ist, insbesondere, daß die Klägerin sich der Erblasserin gegenüber verpflichtet habe, entsprechende Leistungen zu erbringen; dies wird auch daran deutlich, daß die Klägerin ihr Geschäft erst im Jahr 1977 aufgegeben hat.
Fundstellen
Haufe-Index 420370 |
BFH/NV 1995, 598 |