Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH gemäß §§ 103, 109 AO wird durch eine der Gesellschaft nachträglich gewährte Stundung nicht berührt.
Die Haftung gemäß § 109 AO erstreckt sich nicht auf die Zuschläge nach dem StSäumG.
Zur Haftung gemäß § 109 AO für Lohnsummensteuer.
AO §§ 1, 103, 109; StSäumG vom 24. 12. 1934 (RGBl I S. 1271) i. d. F. vom 20. 4. 1949 (WiGBl S.
Normenkette
AO §§ 103, 109; StSäumG § 6/3; GewStG § 23
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) war Geschäftsführer der ... GmbH, über deren Vermögen am 19. Mai 1952 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Bei der Konkurseröffnung hatte die Firma folgende Rückstände:
Lohnsteuer November 1948 bis April 1952 ----- 7.611,17 DM, Kirchenlohnsteuer 1948 bis April 1952: -------- 372,45 DM, Währungsnotopfer Oktober 1949 bis April 1952: 2.088,51 DM, Lohnsummensteuer 1949 bis 1951: ------------- 6.320,40 DM, Säumniszuschläge bis Juni 1952: ------------- 3.643,20 DM.Das Betriebsfinanzamt nahm den Bg. auf Grund der §§ 103, 109 und 118 der Reichsabgabenordnung (AO) für diese Steuerrückstände durch Haftungsbescheid in Anspruch. Sein Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung führte zur teilweisen Aufhebung des Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung. Das FG ermäßigte die Haftung des Bf. auf folgende Beträge:
Lohnsteuer 785,17 DM, Säumniszuschläge hierzu 43,50 DM, Währungsnotopfer 299,83 DM zuzüglich Säumniszuschläge 15,40 DM, Kirchenlohnsteuer 62,84 DM. Zur Begründung führte es aus: Voraussetzung für die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers gemäß § 109 Abs. 1 AO sei, daß er es schuldhaft unterlassen habe, die rückständigen Steuern abzuführen. Hinsichtlich Lohnsteuer und Währungsnotopfer stelle die nicht rechtzeitige Abführung zwar im allgemeinen ohne weiteres ein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers dar, insbesondere dann, wenn die Nettolöhne ungekürzt an die Arbeitnehmer ausgezahlt würden. Da jedoch die Rückstände der Jahre 1949 bis 1950 vom Finanzamt bis 1. Februar 1952 gestundet worden seien, könne es nicht mehr als schuldhafte Unterlassung des Bg. angesehen werden, daß er diese Beträge nicht abgeführt habe. Der Umstand, daß diese am 1. Februar 1952 erneut fällig geworden seien, weil der Bg. die vom Finanzamt bei der Stundung gestellten Bedingungen nicht erfüllt habe, vermöge seine Haftung nicht erneut zu begründen. Der Bg. hafte demnach nur für Lohnsteuer, Währungsnotopfer, Kirchenlohnsteuer und die entsprechenden Säumniszuschläge, soweit die Steuern nicht gestundet worden seien. Die Haftung für die Lohnsummensteuer sei nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen. Ein Verschulden des Bg. könne bezüglich dieser Beträge nur angenommen werden, wenn er das Geld zur Steuerzahlung besessen und es für andere Zwecke verwendet habe. Da dies nach den angestellten Ermittlungen jedoch nicht anzunehmen sei, müsse hinsichtlich der Lohnsummensteuer der Haftungsbescheid in vollem Umfang aufgehoben werden.
Das Finanzamt bestreitet mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.), daß die Stundung der Steuerabzugsbeträge die Haftung des Bf. beseitigt habe. Durch die Nichtabführung der einbehaltenen Lohnabzugsbeträge sei die Haftung des Bg. gemäß § 109 AO ausgelöst worden. Sie sei nicht dadurch aufgehoben worden, daß das Finanzamt der wirtschaftlich schwachen Gesellschaft nachträglich eine Stundung gewährt habe, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich durch die Ausführung größerer Aufträge zu erholen. Vorsorglich werde geltend gemacht, daß das Verfahren vor dem FG an einem wesentlichen Verfahrensmangel leide. Die Lohnsteuer- und Arbeitgeberakten des Finanzamts enthielten keine Anhaltspunkte dafür, daß das Hinausziehen der Steuerzahlungen bis 1952 durch Stundungsverfügungen gedeckt gewesen sei. Die Stundungen seien erst nach Fälligkeit der Steuerschulden ausgesprochen worden. Da die Firma die Auflagen, unter denen die Stundungen gewährt worden seien, nicht erfüllt habe, seien diese gegenstandslos geworden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unzulässig, soweit sie die Kirchenlohnsteuer betrifft; im übrigen ist sie zum Teil begründet.
Nach dem Urteil des erkennenden Senats ..., ist der Bundesfinanzhof zur Entscheidung von Kirchensteuerangelegenheiten des Landes ... nicht zuständig. Da dies auch für die Haftung gemäß § 109 AO gilt, muß die Rb. insoweit als unzulässig verworfen werden.
Hinsichtlich der Haftung für Lohnsteuer und Währungsnotopfer ist davon auszugehen, daß es zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gehört, dafür zu sorgen, daß bei der Zahlung von Löhnen und Gehältern die darauf entfallenden Steuerabzüge richtig vorgenommen und die anfallenden Abzugsbeträge an das Finanzamt abgeführt werden. Geschäftsführer, die diese durch § 103 AO begründete Verpflichtung verletzen, haften gemäß § 109 AO persönlich für die nichtabgeführten Steuerabzugsbeträge, wenn sie die Verpflichtung schuldhaft verletzen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 319/52 U vom 19. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 412, BStBl 1953 III S. 161). Wie in dieser Entscheidung ausgeführt ist, kann die Nichteinbehaltung und Nichtabführung der Lohnsteuer, die auf den ausgezahlten Arbeitslohn entfällt, nicht damit entschuldigt werden, daß die Geldmittel des Arbeitgebers nicht ausgereicht hätten. Wenn die wirtschaftliche Lage eines Arbeitgebers nur die Zahlung von Vorschüssen oder Teilbeträgen zuläßt, muß bei jeder dieser Zahlungen die darauf entfallende Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden. Der Bg. hat dies nicht beachtet und daher im Zeitpunkt der Auszahlung der Arbeitslöhne die ihm nach § 103 AO obliegenden Verpflichtungen zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer schuldhaft verletzt. Die später vom Finanzamt ausgesprochene Stundung der Lohnsteuer änderte hieran nichts. Hierdurch wurde lediglich die Fälligkeit der Schuld gegenüber dem notleidenden Unternehmen hinausgeschoben. Die Stundung hatte aber nicht die Wirkung, daß der Bg. damit von der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen rückwirkend befreit wurde und die bereits gemäß § 109 AO eingetretenen Rechtsfolgen beseitigt wurden. Im übrigen hat die Firma die in der Stundungsverfügung aufgeführten Bedingungen nicht erfüllt, so daß die Stundung wirkungslos war und daher auch die vom FG angenommenen Rechtsfolgen zugunsten des Bg. nicht eintreten konnten. Der Bg. hat deshalb hinsichtlich der Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer und des Währungsnotopfers die ihm gemäß § 103 AO obliegenden Verpflichtungen schuldhaft verletzt und haftet auf Grund des § 109 AO für diese Beträge persönlich. Die Vorentscheidung, die dies nur für einen Teil der Rückstände an Lohnsteuer und Währungsnotopfer angenommen hat, ist insoweit aufzuheben.
Dagegen muß die Haftung des Bg. für die Säumniszuschläge, die infolge der Nichtabführung der Lohnsteuer und des Währungsnotopfers angefallen sind, verneint werden. Der V. Senat hat in dem Urteil V 90/55 S vom 8. November 1955 (BStBl 1955 III S. 399) entschieden, daß die Säumniszuschläge keine Steuern i. S. der AO sind, sondern in erster Linie die Eigenschaft eines Zwangsmittels haben; demgemäß erstrecke sich die Haftung nach § 116 AO nicht auf Säumniszuschläge. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei. Wenn auch die Haftung gemäß § 116 AO andere Voraussetzungen hat und einen anderen Zweck verfolgt als die nach § 109 AO, so ist doch beiden Vorschriften gemeinsam, daß sie die Haftung für Steueransprüche zum Gegenstand haben. Unter "Steuern" kann für den Anwendungsbereich der AO begrifflich nur dasselbe verstanden werden. Auch in den Fällen des § 109 AO kommt danach eine Haftung für Säumniszuschläge nicht in Betracht.
Bezüglich der Haftung für Lohnsummensteuer der GmbH kann die Rb. keinen Erfolg haben. Im Gegensatz zu den Steuerabzugsbeträgen handelt es sich hierbei um eine Steuer der GmbH (ß 23 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -). Der Bg. hatte als Geschäftsführer gemäß § 103 AO zwar auch für die rechtzeitige Zahlung dieser Steuer zu sorgen. Es ist jedoch zu beachten, daß seine Haftung gemäß § 109 AO nur bei einem Verschulden Platz greift, und daß hierbei die Grundsätze, die für die Steuerabzugsbeträge gelten, nicht ohne weiteres zur Anwendung kommen können. Das FG hat daher zutreffend besonders geprüft, ob der Bg. die Geldmittel zur Bezahlung der Lohnsummensteuer zur Verfügung hatte und ob er sie unter Zurücksetzung des Finanzamts gegenüber anderen Gläubigern für andere Zwecke verwendet hat. Nach den ohne Verstoß gegen die §§ 288, 296 AO getroffenen Feststellungen des FG, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Da damit eine Haftung für die Lohnsummensteuer ausscheidet, ist die Rb. in diesem Punkte unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 408362 |
BStBl III 1956, 66 |
BFHE 1956, 176 |
BFHE 62, 176 |