Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf ein anderes Urteil als ausreichende Urteilsbegründung; gewerblicher Grundstückshandel bei nur einem Verkaufsvertrag
Leitsatz (NV)
- Ein Urteil, das den Gewerbesteuermessbetrag einer Personengesellschaft betrifft und dessen alleiniger Streitgegenstand das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels ist und zu dessen ausschließlicher Begründung auf ein Urteil vom selben Tage Bezug genommen wird, das im Gewinnfeststellungsverfahren der Gesellschafter ergangen ist, ist i.S. des § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen, wenn die Personengesellschaft und ihre Gesellschafter durch dieselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden und wenn beide Urteile diesen am selben Tage zugestellt werden.
- Eine Personengesellschaft, deren erklärter Gesellschaftszweck die Verwaltung ihres Vermögens ist und die Eigentümerin von sechs Grundstücksparzellen ist, kann selbst dann gewerblich tätig werden, wenn sie diese Grundstücke durch nur einen Vertrag an eine Erwerberin veräußert. Dies ist dann der Fall, wenn sie ab dem Zeitpunkt des Veräußerungsentschlusses zahlreiche Einzelaktivitäten verschiedenster Art im Hinblick darauf entfaltet hat, dass auf dem zu veräußernden Grundbesitz von der Käuferin ein Einkaufszentrum errichtet werden soll, dessen Baupläne Gegenstand des Kaufvertrages sind.
Normenkette
FGO § 119 Nr. 6; GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2
Nachgehend
BVerfG (Beschluss vom 25.10.2006; Aktenzeichen 1 BvR 831/03) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine zwischenzeitlich aufgelöste Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: Klägerin oder GbR), die mit notariellem Vertrag vom … April 1982 gegründet wurde. Gesellschafter der GbR waren Eheleute, und zwar der Ehemann zu 90 v.H. und die Ehefrau zu 10 v.H. Der Ehemann war zur Vertretung der GbR allein berechtigt. Gegenstand der Gesellschaft waren der Erwerb und die Verwaltung von Grundeigentum und die damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.
Der Ehemann war in den Streitjahren 1985 bis 1988 außerdem Inhaber der Firma X und an der Y-GmbH & Co. KG und der Z-GmbH beteiligt. Alle diese Unternehmen befassten sich mit dem Kauf, der Bebauung und dem Verkauf von Grundstücken.
In den Jahren 1980 bis 1983 erwarben sowohl der Ehemann als auch die Klägerin eine Reihe von Grundstücken im Bereich der D-Straße in der Stadt A. Im August 1982 veräußerte der Ehemann Teilflächen zweier von ihm erworbener Grundstücke, um im Gegenzug von dem Erwerber ein anderes, ebenfalls im Bereich der D-Straße gelegenes Grundstück zu erwerben. Auf diesen Grundstücken sollte ein Geschäfts- und Freizeitzentrum errichtet werden. Der Erwerb dieser Grundstücke wurde mit Hypothekendarlehen finanziert.
Die Klägerin beantragte im Dezember 1982 eine Baugenehmigung für das geplante Geschäfts- und Freizeitzentrum. Da die Nachbarstadt Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben hatte, wurde die Baugenehmigung erst am 4. Oktober 1985 erteilt. Am 11. August 1986 beantragte die Klägerin aufgrund geänderter Planungen, die erteilte Baugenehmigung zu ändern. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 1. März 1988 entsprochen.
Während des Baugenehmigungsverfahrens hatte die Klägerin eine Reihe von Miet- oder Mietvorverträgen abgeschlossen, die zum Teil auch Grundlage für die Finanzierungszusagen verschiedener Banken waren.
Am 26. April 1985 gab die Klägerin eine Anzeige in einer überregionalen Zeitung auf und bot die Grundstücke, auf denen das geplante Geschäfts- und Freizeitzentrum errichtet werden sollte, zum Verkauf an.
Am 18. Dezember 1985 schloss die Klägerin mit der B-GmbH (im Folgenden: GmbH) einen die Grundstücke im Bereich der D-Straße betreffenden Vertrag, wonach die Parteien den Grundbesitz einer gemeinsamen Verwertung zuführen wollten, indem sie einen Investor suchten, der die Grundstücke kaufen und gleichzeitig durch einen Generalübernehmervertrag die GmbH mit der schlüsselfertigen Erstellung des vorgesehenen Einkaufszentrums beauftragen sollte. Die GmbH übernahm die Mithaftung für auf den Grundstücken ruhende Grundpfandrechte. Die Parteien vereinbarten, sich gemeinsam um die Beschaffung von Mietern zu möglichst hohen Mieten bemühen zu wollen. Wenn die Auftragssumme für den Generalübernehmervertrag zwischen der GmbH und dem künftigen Investor einen bestimmten Betrag überstieg, sollten die Klägerin und der Ehemann als die Grundstückseigentümer 50 v.H. dieses Betrages erhalten. Umgekehrt sollte die GmbH 50 v.H. des Betrages erhalten, um den der Grundstückskaufpreis den Betrag von 7,5 Mio. DM überstieg.
Mit Vertrag vom 19. April 1988 veräußerten die Klägerin und der Ehemann die Grundstücke in der D-Straße. Sie übernahmen die Gewähr dafür, dass die am 1. März 1988 erteilte Baugenehmigung für das geplante Einkaufszentrum bestandskräftig werde und von der Käuferin, der auch die Baupläne nebst Anlagen und Bauanträgen übergeben worden waren, verwendet werden könne; sie versicherten, dass die Grundstücksnachbarn dem Bauvorhaben zugestimmt hätten. Sie verpflichteten sich außerdem, der Käuferin das Eigentum an zwei weiteren Nachbargrundstücken für einen noch festzulegenden Kaufpreis innerhalb von 12 Monaten zu verschaffen und im Falle der Nichterfüllung als Schadensersatz einen Betrag in Höhe von 400 000 DM zu vergüten.
Anlässlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1989 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die Tätigkeit der Klägerin sei spätestens ab dem Jahre 1985 als gewerblicher Grundstückshandel zu beurteilen; die dem Ehemann allein gehörenden Grundstücke im Bereich der D-Straße seien als sein Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin, der GbR, zu qualifizieren.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) schloss sich dieser Auffassung an und erließ für das Streitjahr 1988 einen Gewerbesteuermessbescheid, in dem er für die Klägerin einen einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag von … DM festsetzte.
Die Klägerin wandte dagegen ein, sie sei nicht gewerblich tätig gewesen, da die Grundstücke erworben worden seien, um das zu errichtende Gebäude zu vermieten und eine Alterssicherung ihrer Gesellschafter zu erlangen. Die Veräußerung sei erforderlich geworden, weil ihren Gesellschaftern durch die Verzögerung der Baugenehmigung die finanziellen Mittel ausgegangen seien. Ein einziges Grundstücksveräußerungsgeschäft könne nicht nachhaltig sein. Es lägen auch keine Umstände vor, die den Schluss auf weitere geplante Grundstücksgeschäfte zugelassen hätten. Die in dem Kaufvertrag vom 19. April 1988 übernommene Verpflichtung, der Erwerberin zwei weitere Grundstücke zu verschaffen, habe nicht erfüllt werden können.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verwies zur Begründung seiner Entscheidung auf sein Urteil vom selben Tage in der Gewinnfeststellungssache der Gesellschafter der Klägerin (Az. 11 K 6361/99 F).
Die Klägerin rügt mit ihrer ―vom FG zugelassenen― Revision zunächst, dass das angefochtene Urteil nicht mit Gründen versehen sei. Sie macht außerdem eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 15 Abs. 2 EStG geltend.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr 1988 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 1996 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Das mit der Revision angefochtene Urteil ist entgegen der Rüge der Klägerin mit Gründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO versehen.
Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417; BFH-Beschluss vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46). Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass wegen der Begründung eines Urteils auf eine andere Entscheidung zwischen denselben Beteiligten Bezug genommen werden darf, wenn die in Bezug genommene Entscheidung entweder gleichzeitig mit der angefochtenen Entscheidung zugestellt wird oder wenn sie zwischen denselben Prozessbeteiligten ergangen und diesen schon zu einem früheren Zeitpunkt zugestellt worden ist (BFH-Urteil vom 10. April 1984 VIII R 229/83, BFHE 141, 113, BStBl II 1984, 591; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 23a).
Im Streitfall war der Klägerin die Möglichkeit, das vorliegende Urteil über den Gewerbesteuermessbetrag auf seine Richtigkeit zu überprüfen, nicht dadurch erschwert, dass das FG zur Begründung auf die Entscheidungsgründe seines Urteils im Gewinnfeststellungsverfahren verwiesen hat.
Zwar waren Kläger des Gewinnfeststellungsverfahrens die beiden Gesellschafter der Klägerin (vgl. zur Klagebefugnis bei der Gewinnfeststellung einer vollbeendeten Personengesellschaft z.B. BFH-Urteil vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692; BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483), während im vorliegenden Verfahren die GbR Klägerin ist (vgl. zur Klagebefugnis gegen einen Gewerbesteuermessbetragsbescheid nach der zivilrechtlichen Vollbeendigung der Gesellschaft z.B. das BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178). Der Umstand, dass in dem einen Verfahren Kläger die beiden Gesellschafter der Personengesellschaft sind und in dem anderen Verfahren die Personengesellschaft selbst die Klägerin ist, steht der Zulässigkeit der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des gegen die beiden Gesellschafter ergangenen Urteils jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Personengesellschaft und ihre Gesellschafter durch dieselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden und wenn diesen ―wie im Streitfall― beide Urteile am selben Tage (hier: 16. Oktober 2001) zugestellt werden. Denn bei diesem Sachverhalt ist die Gesellschaft durch die Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des anderen Urteils in ihrer Möglichkeit, das angefochtene Urteil auf seine Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beeinträchtigt.
2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit ihren Einkünften aus der Veräußerung ihrer Grundstücke der Gewerbesteuer unterliegt.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist außerdem, dass die Betätigung den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschreitet.
Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren
VIII R 40/01 entschieden, dass die Klägerin jedenfalls seit 1985 gewerblich tätig gewesen ist. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin unterliegt daher im Streitjahr 1988 mit ihren Erträgen, über deren Höhe zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, der Gewerbesteuer.
Fundstellen
Haufe-Index 916997 |
BFH/NV 2003, 604 |