Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Gründet sich ein Schuldverhältnis wirtschaftlich auf eine Valuta, die teils vor dem 8. Mai 1945 hingegeben ist und teils nach diesem Zeitpunkt, so ist die Vergünstigung des § 101 LAG nur auf den Teil der Verbindlichkeit anzuwenden, der nach dem 8. Mai 1945 valutiert worden ist.

Für Zwecke der HGA-Ermittlung sind in diesen Fällen die Tilgungsleistungen des Darlehnsschuldners nach dem 8. Mai 1945 aufzuteilen nach dem Verhältnis der alt- und spätvalutierten Teile der Verbindlichkeit zueinander.

 

Normenkette

LAG § 101 Abs. 1, § 105 Abs. 1, § 119

 

Tatbestand

Die Bfin. und ihr 1947 verstorbener Ehemann waren seit 1939 Darlehnsschuldner einer Kreissparkasse. Während des Krieges wurde die Darlehnsschuld, die 1939 noch 5.789 RM betragen hatte, wiederholt "aufgestockt" und zwar zuletzt 1942 auf 10.000 RM. Zur Sicherung dieser Darlehen wurden zugunsten der Gläubigerin Briefgrundschulden von zusammen 10.000 RM bestellt. Durch Tilgungsleistungen wurde das Darlehen bis Oktober 1945 auf 5.429,15 RM zurückgeführt. Am 27. Dezember 1945 wurde mit der Gläubigerin ein Darlehnsvertrag geschlossen, in dem u. a. vereinbart war: "Der Gläubiger gewährt dem Schuldner ein Darlehen im Betrag von 6.930 RM. Davon sind 5.429,15 RM bereits empfangen." Weiterhin heißt es in dem Vertrag: "Gegenwärtiger Vertrag tritt an die Stelle des früher mit den Schuldnern abgeschlossenen Darlehnsvertrages über 8.500 RM."

Ausbezahlt wurden hiernach nur 1.500 RM. Nach dem Vertrag war eine Tilgung des Darlehens in vierteljährlichen Raten in Höhe von 1 % der ursprünglichen Schuldsumme vorgesehen (vgl. Ziff. 4 des Vertrages). Das Darlehen wurde aber hauptsächlich durch Sondertilgungen zurückbezahlt und betrug am 20. Juni 1948 noch 2.540 RM.

Bei der Veranlagung zur HGA ging das Finanzamt entsprechend dem Entwurf des Abgabenbescheides durch die beauftragte Stelle von zwei Verbindlichkeiten aus, nämlich einer altvalutierten in Höhe von 5.429,15 RM und einer spätvalutierten in Höhe von 1.500 RM. Die ab 1946 geleisteten Tilgungen von 4.389,15 RM wurden vollständig auf die altvalutierte Schuld angerechnet, so daß sich auf den 20. Juni 1948 noch eine Restschuld von (5.429,15 RM ./. 4.389,15 RM =) 1.040 RM ergab. Die Abgabeschuld hieraus wurde auf 936 DM festgesetzt. Die Abgabeschuld für die spätvalutierte Schuld von 1.500 RM setzte das Finanzamt auf 1.350 DM fest, für die gemäß §§ 101 Abs. 1 in Verbindung mit 105 Abs. 1 LAG für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis 31. März 1952 Zinsleistungen von 202,50 DM zu erbringen waren. Die Veranlagung wurde unanfechtbar.

Im Anschluß an eine Vorprüfung der Verwaltung der HGA bei der Kreissparkasse durch die Oberfinanzdirektion wies diese das Finanzamt an, die Hypothekengewinnabgabe-Veranlagung zu berichtigen. Zur Begründung wurde von der Oberfinanzdirektion angegeben: Alt- und Neuvalutierung bildeten nach dem Darlehnsvertrag vom 27. Dezember 1945 eine einheitliche Verbindlichkeit. § 366 Abs. 2 BGB könne deshalb nicht angewandt werden, weshalb auch die Anrechnung der gesamten Tilgungsleistungen seit 1946 nur auf einen Teil der Darlehnsschuld entfalle. Da zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 20. Juni 1948 stets ein Schuldsaldo von 2.540 RM durchgehalten worden sei, stelle dieser Betrag keine Verbindlichkeit aus der letzten Reichsmarkzeit dar und sei voll als altvalutiert anzusehen und abgabepflichtig. Das Finanzamt setzte dementsprechend durch Berichtigungsbescheid die restliche Abgabeschuld auf 2.269,50 DM fest.

Die Bfin. wandte dagegen ein, das alt- und neuvalutierte Darlehen stelle zwar eine Einheit dar, allerdings nur bis zum Inkrafttreten des LAG. Die Neubeleihung sei nach dem LAG eine Verbindlichkeit aus der letzten Reichsmarkzeit. Durch Einführung der Begriffe "Alt-" und "Neuvalutierung" durch das LAG müsse kraft Gesetzes die früher einheitliche Verbindlichkeit nunmehr als Forderungsmehrheit angesehen werden. § 366 BGB sei daher anzuwenden. Es sei insoweit auch gleichgültig, ob diese neue Verbindlichkeit der alten gleichrangig hinzugefügt, oder ob sie auf einem besonderen Darlehnskonto geführt worden sei.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Die Vorinstanz führte im wesentlichen aus: Aus dem Vertrag vom 27. Dezember 1945 ergebe sich, daß die ganze Verbindlichkeit in diesem Vertrag als Einheit behandelt und alle Vertragsbestimmungen ohne Unterscheidung der Begründung der Verbindlichkeit gleicherweise auf die am 27. Dezember 1945 bestehende Verbindlichkeit angewendet werden sollten. Diese einheitliche Schuld könne aber nach dem LAG nicht einheitlich behandelt werden; für den nach dem 8. Mai 1945 gegründeten Schuldanteil sei vielmehr die Sonderregelung des § 101 LAG anzuwenden. Das LAG anerkenne alle Tilgungen bis zum 20. Juni 1948 als voll wirksam. Es mache nur einen Unterschied zwischen den vor dem 8. Mai 1945 und den nachher begründeten Schuldverpflichtungen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Schuldverpflichtungen zu einer Einheit zusammengefaßt worden seien. Dieser Maßstab sei auch für die Anrechnung geleisteter Tilgungen auf eine einheitliche Schuldverpflichtung anzuwenden. Die Tilgung von 4.389,15 RM sei daher nach dem Verhältnis der vor dem 8. Mai 1945 bestehenden Schuldverpflichtung mit 5.429,15 RM und der spätvalutierten mit 1.500 RM aufzuteilen. Hiernach entfielen 948,70 RM der Tilgung auf die spätvalutierte Schuld und 3.440,45 RM auf die altvalutierte. Die altvalutierte Schuld habe hiernach am 20. Juni 1948 noch 1.988,70 RM betragen, so daß sich eine Abgabeschuld hierfür von 1.789,83 DM ergebe, während die spätvalutierte Schuld noch 551,30 RM betragen habe, woraus eine Abgabeschuld von 496,17 DM festzusetzen sei.

Mit der Rb. wird vorgetragen, nur die vertraglich vereinbarten Tilgungsleistungen könnten anteilsmäßig auf die spätvalutierte Schuld als fällige Leistungen angerechnet werden. Die Sondertilgungen seien aber nur auf den altvalutierten Schuldteil anzurechnen, denn Sondertilgungen führten im Zweifel immer auf Grund von § 366 Abs. 2 BGB zu einer Ermäßigung der dem Schuldner lästigeren Schuldverpflichtung. Die Bfin. beantragt, die Abgabeschuld aus der altvalutierten Schuld auf 1.071 DM und aus der spätvalutierten Schuld auf 1.215 DM festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Nach § 101 Abs. 1 LAG werden abgabenrechtlich Verbindlichkeiten begünstigt, die nach dem 8. Mai 1945 entstanden sind. Zur Auslegung des Begriffes einer Verbindlichkeit, die "nach dem 8. Mai 1945 entstanden" ist (sogenannte spätvalutierte Verbindlichkeit), hat der Senat schon wiederholt Stellung genommen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es Sinn und Zweck der Vorschrift von § 101 LAG, diejenigen Schuldner bei der HGA zu begünstigen, denen die Valuta in bereits entwertetem Gelde ausgezahlt worden ist. Diese Betrachtung schließt den Begriff einer "spätvalutierten Verbindlichkeit" in allen Fällen aus, in denen dem Schuldner nach dem 8. Mai 1945 keine neue Valuta zugeflossen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist sonach für die Anwendung von § 101 LAG entscheidend, ob nach dem 8. Mai 1945 eine Geldbewegung tatsächlich stattgefunden hat oder nicht (Hinweis auf das Urteil III 122/57 U vom 23. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 74, Slg. Bd. 70 S. 203). Basiert ein Schuldverhältnis im Hinblick auf die Identität von Schuldner und Gläubiger wirtschaftlich nach wie vor auf der vor dem 8. Mai 1945 hingegebenen Valuta, so ist keine spätvalutierte Verbindlichkeit und damit auch kein Anwendungsfall von § 101 LAG gegeben. Die Frage, ob ein nach dem 8. Mai 1945 eingegangenes Schuldverhältnis zivilrechtlich im Wege der Novation begründet worden ist, tritt hiernach in den Hintergrund (Hinweis auf das Urteil III 147/60 U vom 7. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 390, Slg. Bd. 73 S. 340). Die noch in der Rb. vertretene Auffassung der Bfin. (Hinweis auf den Schriftsatz vom 19. Oktober 1961), die der Abgabe unterliegende Schuld sei als solche spätvalutiert, weil nach dem 8. Mai 1945 als Einheit begründet, ist deshalb unzutreffend.

Aus dieser Auslegung von § 101 LAG, an der der Senat festhält, folgt: Basiert ein Schuldverhältnis - wie im Streitfall - wirtschaftlich auf Valuta, die z. T. vor dem 8. Mai 1945 hingegeben worden ist und z. T. nach diesem Zeitpunkt, so ist die Vergünstigung des § 101 LAG nur auf den Teil der Verbindlichkeit anzuwenden, der nach dem 8. Mai 1945 valutiert worden ist. Das einheitliche bürgerlich-rechtliche Schuldverhältnis wird in diesen Fällen zum Zwecke der Begünstigung der nach dem 8. Mai 1945 gegebenen Valuta (ß 101 LAG) für die Festsetzung der Abgabenschuld aufgespalten. Die Eigenschaft einer nach dem 8. Mai 1945 entstandenen Verbindlichkeit ist sonach auch für nur einen Teil einer bürgerlich-rechtlich einheitlichen Verbindlichkeit zu bejahen (vgl. Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, Anm. 5 zu § 101 LAG).

Die abgabenrechtliche Aufteilung des bürgerlich-rechtlich einheitlichen Schuldverhältnisses zum Zwecke der HGA-Ermittlung führt auch zu einer Aufteilung der Tilgungsleistungen der Bfin. in der Zeit zwischen dem 27. Dezember 1945 und dem 20. Juni 1948. Das hatte das Finanzamt bei der ursprünglichen HGA-Veranlagung verkannt. Diese Veranlagung war deshalb fehlerhaft. Sie konnte deshalb gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO berichtigt werden. Der Senat hat die Möglichkeit einer solchen Berichtigung schon wiederholt bejaht (Hinweis auf das zur Vermögensabgabe ergangene Urteil III 142/60 S vom 2. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 250, Slg. Bd. 74 S. 677). Nach Kenntnis des Senats ist die Frage Gegenstand eines beim Bundesverfassungsgerichts anhängigen Verfahrens. Der Senat sieht aber keine Veranlassung, das Verfahren über die vorliegende Rb. auszusetzen, weil er bei seiner Rechtsauffassung verbleibt.

Die von der Vorinstanz vorgenommene Aufteilung der Tilgungsleistungen der Bfin. nach dem Verhältnis der alt- und spätvalutierten Teile der Verbindlichkeit zueinander ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Vorentscheidung § 366 BGB nicht angewandt. § 366 BGB setzt eine Mehrheit von Forderungen voraus. Das ist im Streitfalle nicht gegeben. Es wird hier nur das an sich einheitliche bürgerlich-rechtliche Schuldverhältnis für die HGA-Ermittlung aufgeteilt und dann teilweise verschieden behandelt, je nachdem, wann die Valuta ausbezahlt worden ist. Das ändert aber nichts daran, daß zur Zeit der Tilgungsleistungen es sich um eine einheitliche Schuld gehandelt hat, die die Bfin. auch einheitlich tilgen wollte. Spaltet man nun für die Anwendung von § 101 LAG die Verbindlichkeit in einen alt- und einen spätvalutierten Teil und geht man hierbei auf die Zeit des Vertragsschlusses (27. Dezember 1945) zurück, so muß auch für die erst später erfolgten Tilgungsleistungen mangels einer ausdrücklichen anderweitigen Vereinbarung unter den Vertragspartnern das gleiche Aufteilungsverhältnis angewandt werden. Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch eine verschiedene Behandlung der Tilgungsleistungen dahin aus, ob es sich um Sondertilgungen oder um vertraglich vorgesehene Tilgungsleistungen handelte, denn sämtliche Tilgungsleistungen bezweckten die Minderung der bürgerlich- rechtlich einheitlichen Darlehnsschuld.

Hinsichtlich der Abgabenschuld aus dem spätvalutierten Teil der Darlehnsverbindlichkeit ist noch zu bemerken: Bei spätvalutierten Hypotheken (Grundschulden) im Sinne des § 101 Abs. 1 LAG ist eine Abgabenschuld zur HGA nur in den Fällen und in der Höhe entstanden, in denen nach den Vorschriften des Hypothekensicherungsgesetzes (HypSichG) vom 2. September 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 87) und seiner Durchführungsverordnungen Tilgungsleistungen auf die Umstellungsgrundschuld zu erbringen waren (ß 105 Abs. 1 LAG). Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 HypSichG galten für diese Grundschulden, insbesondere hinsichtlich der Zinsen und Tilgungsbeträge, die gleichen Bedingungen wie für die umgestellten Rechte. Nach § 119 Abs. 1 Satz 2 LAG besteht die Abgabeschuld als Verpflichtung aus der nach dem HypSichG entstandenen Umstellungsgrundschuld weiter, jedoch vorbehaltlich des § 119 Abs. 2 LAG nur solange, bis die in § 105 LAG vorgeschriebenen Leistungen erbracht sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411219

BStBl III 1964, 388

BFHE 1964, 431

BFHE 79, 431

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