Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Veräußerung oder Verpachtung eines gewerblichen Betriebs an einen Flüchtling wird der Teil der Soforthilfeabgabe nicht erhoben, der auf den Betrieb im Sinne des Bewertungsgesetzes entfällt, gegebenenfalls unter Hinzurechnung eines Anteils am Grundstück des Abgabepflichtigen, das dem Betrieb dient und nur wegen Nichterreichung der Wertgrenzen des § 57 BewG nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Grundvermögen gehört.
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist mit einem abgabepflichtigen Vermögen von 21 900 DM, das sich aus Grundvermögen mit 17 920 DM und Betriebsvermögen mit 4 078 DM zusammensetzt, zur Soforthilfeabgabe herangezogen worden. Zum Grundvermögen gehört ein gemischt genutztes Grundstück. Dieses enthält Räume, die dem seit 1948 verpachteten Schlachtereibetrieb dienen. Die Voraussetzungen des § 57 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind nicht gegeben, das gemischt genutzte Grundstück ist daher dem Grundvermögen zugerechnet worden. Über die Höhe der Soforthilfeabgabe besteht kein Streit.
Die Bfin. hat, gestützt auf § 7 der Zweiten Durchführungsverordnung zum ersten Teil des Soforthilfegesetzes (2.StDVO--SHG), den Antrag gestellt, den auf den Betrieb entfallenden Anteil der Soforthilfeabgabe nicht zu erheben unter Berufung darauf, daß sie diesen Betrieb seit dem 1. Oktober 1949 auf die Dauer von 10 Jahren an einen Flüchtling verpachtet habe. Den der Schlachterei dienenden Teil des gemischten Grundstücks schätzt sie auf 25 % des Einheitswerts, so daß sie die Befreiung von der Abgabe insoweit in Anspruch nimmt, als sie das Betriebsvermögen von 4 078,07 DM zuzüglich 25 % von 17 200 DM belastet.
Das Finanzamt hat die Voraussetzungen des § 7 als vorliegend anerkannt, die Befreiung aber auf den Teil der Abgabe beschränkt, der auf das Betriebsvermögen im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes (4 078,07 DM) entfällt.
Entscheidungsgründe
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 2. StDVO-SHG lautet:
"Wird ein gewerblicher Betrieb im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes mit einem der Soforthilfeabgabe unterliegenden Vermögen von nicht mehr als 20 000 DM an Flüchtlinge (§ 31 Ziff. 1 des Gesetzes) veräußert oder auf mindestens sieben Jahre verpachtet, so bleibt die auf den Betrieb entfallende allgemeine Soforthilfeabgabe unerhoben."
Danach ist Voraussetzung der Vergünstigung, daß der Abgabepflichtige einen Betrieb besitzt und diesen veräußert oder verpachtet. Hinsichtlich dieser Voraussetzung ist ausgesprochen, daß es sich um Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes handeln muß. Nicht erhoben wird der Teil der Soforthilfeabgabe, der auf den Betrieb entfällt. Hier handelt es sich um die Bemessungsgrundlage. Es liegt nahe anzunehmen, daß auch insoweit der Begriff "Betrieb" im gleichen Sinn -- nämlich als Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes -- verstanden werden soll. Die Vorinstanzen sind dieser Meinung, während die Bfin. darauf verweist, daß eine solche Betrachtungsweise dazu führe, die Befreiungsvorschrift weitgehend um ihre Wirkung zu bringen.
Das Lastenausgleichsgesetz gibt für die Lösung der Streitfrage keinen Hinweis. § 202 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) sieht lediglich vor, daß durch Rechtsverordnung besondere Vergünstigungen gewährt werden können.
Die Prüfung ergibt folgendes:
Das Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes stimmt mit dem Betriebsvermögen des Soforthilfegesetzes nicht völlig überein. Wohl sagt § 3 Abs. 1 Ziff. 3 des Soforthilfegesetzes (SHG), daß als Betriebsvermögen das Betriebsvermögen des Bewertungsgesetzes gelte. Dieses Betriebsvermögen (Bewertungsgesetz) ist aber für die Zwecke der Soforthilfeabgabe um die Wirtschaftsgüter vergrößert, die als nichtgewerbliches Vorratsvermögen bezeichnet werden. Geht man davon aus, daß der Umfang des Betriebsvermögens des Soforthilfegesetzes und des Bewertungsgesetzes sich nicht deckt, dann ist auch die Möglichkeit gegeben, daß der Begriff "Betrieb" unterschiedlich ausgelegt werden muß je nach dem, ob es sich um die Voraussetzung der Befreiung oder um die Bemessungsgrundlage handelt.
Will man zu einer zutreffenden Auslegung der Vorschrift gelangen, dann ist es notwendig, sich klar zu machen, was der Gesetzgeber mit der Befreiungsvorschrift bezweckt hat. Es soll ein Anreiz gegeben werden, unter Verzicht auf die eigene Führung eines Gewerbebetriebs durch Veräußerung und Verpachtung desselben einem Flüchtling eine Existenzgrundlage zu schaffen. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn bei der Übergabe alle die Wirtschaftsgüter überlassen werden, die zur Fortführung des Betriebs durch den an die Stelle des Abgabepflichtigen tretenden Flüchtling erforderlich sind. Ob das Bewertungsgesetz aus Gründen, die auf dem Gebiete der Bewertung liegen, ein Grundstück oder einen Grundstücksteil je nach dem Umfang seiner Verwendung dem Betriebsvermögen oder dem Grundvermögen zuweist, kann hierbei keine Rolle spielen. Entscheidend kann nur sein, welche Wirtschaftsgüter den lebenden Betrieb bilden. Dazu gehört in einer Vielheit der Fälle notwendig der mitverpachtete Geschäftsraum. Besonders trifft dies zu, wo, wie hier, das von dem Flüchtling gepachtete Unternehmen eine Schlachterei ist, die seit langer Zeit besteht (sie war bereits 1948 verpachtet). Hier hängt der Betrieb an den gewerblich genutzten Räumen, die die Grundlage der Kundschaft bilden. Ähnlich liegen die Dinge bei einer Unzahl von Kleinbetrieben. So kann eine Gastwirtschaft kleineren Umfangs nur in den für sie bestimmten Räumen durch einen den Betrieb übernehmenden Flüchtling weitergeführt werden. Es wäre wirtschaftlich unverständlich, wenn man nur das vielfach wertmäßig unbedeutende Geschäftsinventar als Betrieb anerkennen, die das Fundament des Geschäfts bildenden Räume aber von der Zugehörigkeit zum Betrieb im Sinne des § 7 ausschließen wollte, lediglich, weil das Grundstück bewertungsrechtlich dem Grundvermögen zugerechnet wird.
Das Problem besteht fast regelmäßig bei kleineren und mittleren Betrieben. Dies ist gerade der Kreis, der zur Verschaffung einer Existenz für einen mittellosen und auf Finanzierung durch die öffentliche Hand angewiesenen Flüchtling besonders in Frage kommt. Hierauf hat der Senat -- ohne damals genötigt zu sein, eine Entscheidung zu treffen -- in dem Urteil III 63/52 U vom 16. Mai 1952, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1952 III S. 185 bereits hingewiesen. Wollte man die Vorschrift (§ 7 Abs. 1 Satz 1) so eng auslegen, wie dies die Vorinstanzen getan haben, dann würde dies bedeuten, daß in einer Vielheit der Fälle die Vergünstigung -- beschränkt auf das Geschäftsinventar -- praktisch gegenstandslos würde. Daß der Gesetzgeber lediglich an kleinere und mittlere Verhältnisse gedacht hat, beweist die Beschränkung der Vergünstigung auf Betriebe, die wertmäßig 20 000 DM nicht übersteigen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht einzusehen, daß der Behandlung eines Grundstücksteils bei der Feststellung des Einheitswerts entscheidende Bedeutung für die Vergünstigung des § 7 a. a. O. beizumessen ist.
Der Senat legt die Vorschrift mithin folgendermaßen aus:
Voraussetzung ist, daß der Abgabepflichtige mit Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes herangezogen wird. Bemessungsgrundlage der nicht zur Erhebung gelangenden Abgabe ist aber die Summe der Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb im Zeitpunkt der Veräußerung oder Verpachtung dienen, deren der Flüchtling bedarf, um den Betrieb selbst fortzuführen, und die nur deswegen nicht zum Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes gerechnet werden, weil die Wertgrenzen des Bewertungsgesetzes -- § 57 -- nicht erreicht sind. Der Begriff "Betrieb" im § 7 Abs. 1 Satz 1 muß also einmal bewertungsrechtlich, das andere Mal wirtschaftlich verstanden werden.
Es ist richtig, daß die Ermittlung des nicht zur Erhebung gelangenden Teils der Soforthilfeabgabe bei dieser Auslegung eine besondere Feststellung erforderlich macht. Denn es muß nachträglich aus dem Grundvermögen der dem Betrieb dienende Anteil ausgesondert werden. Es ist auch weiter richtig, daß das Soforthilfegesetz mit Anknüpfen an bestehende Werte -- die Einheitswerte -- Sonderverfahren in der Regel vermeiden will und es vorzieht, Ungleichheiten in Kauf zu nehmen. Dies kann jedoch nicht dazu führen, eine Vergünstigungsvorschrift im Widerspruch zu der wirtschaftlich gebotenen Überlegung so eng auszulegen, daß der vom Gesetzgeber erstrebte Erfolg weitgehend vereitelt wird. Im übrigen hat der Gesetzgeber in § 7 selbst zum Ausdruck gebracht, daß starres Festhalten an den bewertungsmäßigen Grundlagen des Bewertungsgesetzes nicht zur Versagung der beabsichtigten Vergünstigung führen soll, denn er stellt in Abs. 3 die Veräußerung eines Betriebsteils der Veräußerung des Betriebs gleich, obwohl auch in diesem Fall die Aufspaltung des Betriebs eine besondere Ermittlung erforderlich macht.
Die Bfin. hat darauf hingewiesen, daß im Rahmen einer Betriebsprüfung der dem Betrieb dienende Grundstücksteil auf 25 % ermittelt worden sei. Aufgabe des Finanzamts, an das die Sache zurückgeht, wird es nunmehr sein zu untersuchen, wie groß der nach § 7 entfallende Teil der Soforthilfeabgabe bemessen ist, wenn man den Wert des festgestellten Betriebsvermögens um die dem Betrieb dienenden Räume erhöht.
Fundstellen
Haufe-Index 407724 |
BStBl III 1953, 253 |