Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG, die für beschränkt einkommensteuerpflichtige Personen den Abzug der Vermögensteuer als Sonderausgabe ausschließt, ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 50 Abs. 1; GG Art. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der im Streitjahr 1961 in den USA lebte, hatte schon seit Jahren im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Er ist Kommanditist einer im Inland betriebenen Kommanditgesellschaft (KG). Aus seiner Kommanditbeteiligung hatte er im Streitjahr Einkünfte bezogen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ließ bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer die auf seinen Gesellschaftsanteil entfallende Vermögensteuer nicht als Sonderausgabe zum Abzug zu. Der Kläger ist indes der Ansicht, die den Abzug ausschließende Vorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG sei verfassungswidrig.
Die unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1971, 488 veröffentlicht ist, hält die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Sätze 2 und 5 EStG für verfassungsgemäß.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, das Urteil des FG verletze Bundesrecht (Art. 3 GG). Für die Benachteiligung beschränkt Steuerpflichtiger durch das Abzugsverbot des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG lasse sich kein sachlich einleuchtender Grund finden. Die Systemunterschiede zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht seien für den Abzug der Vermögensteuer als Sonderausgabe nicht wesentlich. Die Vermögensteuer erweise sich systematisch als Vorbelastung des Einkommens. Mit Rücksicht darauf gestehe § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1960 den Vermögensteuerabzug bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zu. Dabei sei es indes ohne jeden Belang, ob die Vermögensteuer beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtige treffe. Auch bei der Ausgestaltung des Vermögensteuerabzugs spiele der Systemunterschied zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht keine Rolle. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG lasse den Abzug auch nicht etwa nur unter der Voraussetzung des Vorliegens bestimmter persönlicher Umstände zu. Auf die mögliche Schwierigkeit, solche Umstände bei beschränkt Steuerpflichtigen zu ermitteln, komme es daher nicht an.
Der Kläger beantragt, in Abänderung des finanzgerichtlichen Urteils den berichtigten Einkommensteuerbescheid für 1961 vom 4. Januar 1968 insoweit aufzuheben, als die im Jahre 1961 vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland gezahlte Vermögensteuer nicht als Sonderausgabe berücksichtigt worden ist.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Vorinstanz ist bei der Prüfung, ob die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG gegen Art. 3 GG verstoße, von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.
Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet, daß bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß - d. h. nach Gesichtspunkten, die sich aus der Art der zu behandelnden Lebensverhältnisse ergeben - und somit nicht willkürlich verfahren wird. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen und Gleichstellungen erlaubt, hängt wesentlich von der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs ab (Beschluß des BVerfG vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559/70 u. a. , BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39; Urteil des BFH vom 19. Juli 1972 I R 164/68, BFHE 106, 441, BStBl II 1972, 858, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der so verstandene Gleichheitssatz des Art. 3 GG gilt auch für die Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen (BFH-Urtell vom 16. August 1963 VI 96/62 U, BFHE 77, 456, BStBl III 1963, 486).
2. Die Vorinstanz ist auch - ausgehend von diesen Grundsätzen - zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG verstoße nicht gegen Art. 3 GG.
a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG bedeutet nicht, daß beschränkt steuerpflichtige Personen steuerlich in jeder Hinsicht ebenso behandelt werden müßten wie unbeschränkt Steuerpflichtige. Zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen bestehen wesentliche Unterschiede. Sie beruhen insbesondere darauf, daß bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht alle Einkünfte im Bundesgebiet erfaßt werden können, daß wegen des Fehlens der persönlichen Bindungen an das Bundesgebiet aus dem Familienstand nicht so weitgehende Folgerungen zu ziehen sind wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, und daß die Durchführung der Besteuerung verfahrensmäßige Besonderheiten erfordert (BFH-Urteil VI 96/62 U).
b) Die Besonderheiten in der Besteuerung von unbeschränkt steuerpflichtigen Personen rechtfertigen es, einen Abzug von Sonderausgaben bei den beschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich auszuschließen. Dies gilt auch für den nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1960 für unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige vorgesehenen Abzug der Vermögensteuer als Sonderausgabe. Die Vermögensteuer ist ihrem Wesen nach keine echte Substanzsteuer; sie bezweckt vielmehr eine Ergänzung der Einkommensbesteuerung (BFH-Beschluß vom 25. Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274; BFH-Urteil vom 21. November 1967 I R 115/66, BFHE 91, 33, BStBl II 1968, 189). Sie gehörte ursprünglich zu den nach § 12 EStG nicht abzugsfähigen Personensteuern. Ihre Abzugsfähigkeit wurde nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 i. d. Fassung des Art. XI Nr. 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 12 (Steuer- und Zollblatt 1946 S. 2) ab 1. Januar 1946 erstmals zugelassen. Durch das Gesetz Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22. Juni 1948 (Steuer- und Zollblatt 1948 S. 123) wurde die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer für den Veranlagungszeitraum II/1948 wieder beseitigt, jedoch durch das Zweite Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1949 S. 69) vom 1. Januar 1949 ab wieder eingeführt. Der Abzug war als Ausgleich für die damals überhöhten Steuersätze gedacht und sollte verhindern, daß die steuerliche Belastung eines Steuerpflichtigen mit Einkommensteuer und Vermögensteuer über 100 v. H. des Einkommens hinausging (Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht, Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen Heft 7 S. 147). Dabei kann es für die im Streitfall zu beurteilende Frage dahingestellt bleiben, ob der Grund, der ursprünglich zur Einführung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer als Sonderausgabe geführt hat, inzwischen weggefallen und damit die Streichung dieser Vergünstigung rechtspolitisch wünschenswert ist (so Untersuchung zum Einkommensteuerrecht, a. a. O.; Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen Heft 17, II Tz. 445 und VII Tz. 97). Nach geltendem Recht bleibt jedenfalls festzuhalten, daß die Vermögensteuer bei der Besteuerung des Einkommens als ein die Leistungsfähigkeit mindernder Faktor angesehen und einkommensmindernd behandelt wird.
c) Bei dieser Betrachtungsweise besteht ein einleuchtender Grund, warum die Vermögensteuer bei der Besteuerung des beschränkt Einkommensteuerpflichtigen nicht abgesetzt wird. Denn für die Besteuerung des beschränkt Steuerpflichtigen ist Anknüpfungspunkt nicht dessen volle Leistungsfähigkeit. Zwar bemißt sich die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen, die veranlagt werden, nach § 32a Abs. 1 EStG. Das heißt, daß die Einkommensteuertabelle auch in diesem Falle zur Anwendung kommt. Jedoch sind in der Bemessungsgrundlage (dem zu versteuernden Einkommen des beschränkt Steuerpflichtigen) nur die inländischen Einkünfte i. S. des § 1 Abs. 2, § 49 EStG enthalten. Demgegenüber erstreckt sich die Einkommensteuerpflicht des unbeschränkt Steuerpflichtigen auf sämtliche Einkünfte (§ 1 Abs. 1 EStG). Knüpft die Besteuerung beim beschränkt Steuerpflichtigen indes nicht an dessen volle Leistungsfähigkeit an und besteht damit im Vergleich zum unbeschränkt Steuerpflichtigen eine wesentliche Ungleichheit, so kann es unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG nicht verboten sein, daß Abzüge, die dem unbeschränkt Steuerpflichtigen gerade im Hinblick auf die Minderung seiner Leistungsfähigkeit zustatten kommen, dem beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt werden (vgl. hierzu auch die Ausführungen des BVerfG im Beschluß vom 24. September 1965 1 BvR 228/65, HFR 1965, 572, 573 r. Sp.).
Fundstellen
Haufe-Index 70693 |
BStBl II 1974, 30 |
BFHE 1974, 414 |