Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag unter Angehörigen nach Grundstücksübertragung gegen Versorgungsleistungen kein Gestaltungsmissbrauch
Leitsatz (NV)
- Der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen stellt nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 dar, weil der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat (Anschluss an BFH-Urteil vom 10. Dezember 2003 IX R 12/01, BFH/NV 2004, 680).
- Wird zunächst ein unentgeltliches Wohnrecht an bestimmten Räumen zugunsten des früheren Eigentümers vereinbart und mit diesem später ein Mietvertrag über ein auf dem Grundstück errichtetes neues Gebäude abgeschlossen, so stellt die Erhöhung der wiederkehrenden Leistungen und den jeweils geschuldeten Mietzins eine ‐ auch steuerrechtlich ‐ anzuerkennende Anpassung der Versorgungsleistungen i.S. des § 323 ZPO dar, wenn die vorher überlassenen Räume für die Wohnzwecke des Nutzungsberechtigten z.B. aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr hinreichend geeignet sind; sie lässt das Recht der Vertragsbeteiligten unberührt, miteinander steuerrechtlich wirksam einen Mietvertrag über das Gebäude abzuschließen.
Normenkette
EStG §§ 9, 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 21; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit Juli 1988 den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb aufgrund eines Hofüberlassungsvertrages. Danach sollte das Eigentum nach dem 30. Dezember 1999, spätestens aber mit dem Tod seines Vaters erfolgen; der Besitz ist zum 1. Juli 1988 übergegangen. Nach dem Überlassungsvertrag wurden als Altenteilsrechte bestellt:
1. Monatliche Barleistung in Höhe von 1 000 DM, abänderbar nach § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO),
2. Unentgeltliches Wohnungsrecht an dem Hausgrundstück mit dem Recht der Eltern des Klägers, vier Wohnräume im Erdgeschoss des Hauses zu nutzen.
Im Jahre 1994 errichtete der Kläger auf dem Grundstück ein Altenteilwohnhaus, das er mit Mietvertrag vom 27. November 1994 zu einem monatlichen Mietzins von 750 DM an seine Eltern vermietete. Gleichzeitig wurde die im Hofüberlassungsvertrag vereinbarte Barleistung auf 1 750 DM erhöht.
In den Streitjahren 1994 und 1995 erklärte der Kläger Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung (1994: 34 768 DM; 1995: 25 996 DM), die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ebenso wie die für die Streitjahre 1995 bis 1997 als Sonderausgabe geltend gemachte dauernde Last (9 000 DM) zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte.
Aufgrund einer Außenprüfung erkannte das FA die Werbungskostenüberschüsse wie die dauernde Last wegen Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mehr an. Der gegen die entsprechenden Einkommensteueränderungsbescheide eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Der abgeschlossene Mietvertrag sei ―auch nach Auffassung der Beteiligten― nach den Maßstäben des Fremdvergleichs wirksam vereinbart und tatsächlich durchgeführt worden. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor, weil Eltern und Kinder frei über die wechselseitige Nutzungsüberlassung von Räumen und deren Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit entscheiden dürften. Die Zahlung der dauernden Last und der zeitgleich vereinbarten Miete beträfen zwei unterschiedliche Vorgänge, die auch steuerrechtlich zu trennen seien.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 42 AO 1977. Ein Gestaltungsmissbrauch sei im Streitfall anzunehmen, weil es den Beteiligten ersichtlich darauf angekommen sei, den Eltern weiterhin ein unentgeltliches Wohnen zu erhalten; hilfsweise sei das Mietverhältnis wegen fehlender Überschusserzielungsabsicht unberücksichtigt zu lassen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung sowie der dauernden Last in den Streitjahren gegeben sind oder ihnen wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen ist.
1. Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Januar 1996 IX R 13/92, BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom 14. Januar 2003 IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.).
a) Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen wurde.
Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf das Urteil des Senats vom 10. Dezember 2003 IX R 12/01 Bezug.
c) Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus (im Rahmen des sog. Fremdvergleichs) sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
2. In Anwendung dieser Grundsätze kann nicht abschließend beurteilt werden, ob das FG im Streitfall zu Recht einen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 verneint hat; seine tatsächlichen Feststellungen reichen insoweit nicht aus.
a) Das FG hat allerdings ―unangefochten durch das FA und damit nach § 118 FGO bindend für den Senat― festgestellt, dass der abgeschlossene Mietvertrag fremdüblich vereinbart und tatsächlich durchgeführt worden ist. Entgegen der Auffassung des FA begegnet auch die Prognose zur Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger auf der Grundlage des BFH-Urteils vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) keinen rechtlichen Bedenken, zumal nach dieser Rechtsprechung schon aufgrund der bindend festgestellten Fremdüblichkeit des Mietvertrages von einer solchen Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen ist.
b) Ein Gestaltungsmissbrauch durch die gleichzeitige Vereinbarung von Mietzahlungen der Eltern an den Kläger und ―um den Betrag der Mietzahlungen erhöhter― wiederkehrender Leistungen des Klägers an die Eltern (dauernde Last) ist im Streitfall aber nicht schon mit der Begründung zu verneinen, dass die wiederkehrenden Leistungen im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung grundsätzlich die Ebene der Vermögensübertragung betreffen, die Mietzahlungen des Übertragenden für das auf dem Grundstück befindliche Mietobjekt dagegen ausschließlich das Nutzungsrechtsverhältnis berühren. Denn im Streitfall hatten die Eltern des Klägers aufgrund des notariellen Vertrages ein unentgeltliches Wohnungsrecht an vier Räumen des auf dem übertragenen Grundstück befindlichen Hauses.
Wirtschaftlich hat sich an dieser Möglichkeit unentgeltlichen Wohnens auf dem übertragenen Grundstück durch die Anmietung des neu errichteten Altenteilwohnhauses weder für den Vater noch für den Kläger etwas geändert, weil sich die jeweils vom Vater zu zahlende Miete und die anlässlich dieser Mietzahlungsverpflichtung vereinbarte Erhöhung der dauernden Last betragsmäßig ausgleichen.
Ob diese wechselseitige Ausgleichung der Zahlungspflichten dem Ziel dient, dem Kläger die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das Altenteilwohnhaus bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu verschaffen, ohne dass tatsächlich Einnahmen durch die Überlassung des Hauses an den Vater erzielt werden, und deshalb ein Gestaltungsmissbrauch anzunehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 IX R 66/93, BFH/NV 1996, 123, sowie das Urteil des Senats vom 17. Dezember 2003 in dem Verfahren IX R 56/03), kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden.
Das FG hat nämlich keine Feststellungen zu den Gründen getroffen, die den Kläger zur Errichtung des Altenteilhauses veranlasst haben.
Waren die bisher überlassenen Räume aus Alters- oder Gesundheitsgründen für den Vater des Klägers zu Wohnzwecken nicht mehr hinreichend geeignet, so stellt sich die Bereitstellung der Mittel für die Anmietung einer geeigneten Wohnung als ―auch steuerrechtlich anzuerkennende― Anpassung der wiederkehrenden Leistungen nach Maßgabe des § 323 ZPO dar (vgl. zur Zulässigkeit des Austauschs einer bereitzustellenden Wohnung FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2000 14 K 173/97, Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1066); diese lässt das Recht der Beteiligten unberührt, eine solche Wohnung auch von einem Angehörigen ―wie hier dem Kläger― anzumieten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.).
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat die erforderlichen Feststellungen dazu, ob die Erhöhung der dauernden Last durch geänderte ―und in den bisher genutzten Räumen nicht mehr erfüllbare― Wohnbedürfnisse der Eltern i.S. des § 323 ZPO veranlasst war, nachzuholen. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, ob die als dauernde Last geltend gemachten streitigen Aufwendungen dann, wenn die bisher von den Eltern benutzten Räume zu eigenen Wohnzwecken des Klägers und seiner Familie benötigt wurden und nur deshalb das Altenteilwohnhaus gebaut wurde, ggf. als weiterer notwendiger (nachträglicher) Aufwand für den Erwerb des Grundstücks zu erfassen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47, zur dauernden Last als Anschaffungskosten); in diesem Fall könnte dem zwischen dem Kläger und seinen Eltern vereinbarten Mietverhältnis die Anerkennung ebenfalls nicht versagt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1169420 |
BFH/NV 2004, 1268 |