Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit um den Umfang des Vorsteuerabzugs; Saldierung
Leitsatz (NV)
Hat das FA den geltend gemachten Vorsteuerabzug mit der Begründung zum Teil verweigert, insoweit seien die Vorbezüge nicht für das Unternehmen ausgeführt worden, so setzt die Klagestattgabe durch das FG voraus, daß nicht nur ein Vorbezug für den nichtunternehmerischen Bereich vollständig ausgeräumt wird, sondern daß auch ein bestehender Anhalt für abzugsschädliche Verwendung und für unerfaßt gebliebenen Eigenverbrauch entkräftet worden ist.
Normenkette
UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Nr. 12, § 15
Tatbestand
Der Kl. und Revisionsbekl. (Kl.), ein inzwischen im Vereinsregister gelöschter Verein, hatte in den Streitjahren (1974 bis 1977) das der . . . gehörende Eisstadion gepachtet. Laut Pachtvertrag flossen dem Kl. die Einnahmen aus dem Eisstadion zu; er war aber verpflichtet, sämtliche Reparatur- und Instandhaltungskosten zu tragen.
Bei einer Umsatzsteuerprüfung im Jahre 1978 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß der Kl. nicht nur steuerbare Leistungen erbringe (Sportveranstaltungen, Werbung, Vermietung des Stadions, Publikumslauf, Zulassung zum Start - Startgelder -, Faschingsbälle), sondern auch nichtsteuerbare Leistungen, derentwegen er Einnahmen erziele (Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie Zuschüsse der Kreisbehörde und der . . .). Demzufolge schlug der Prüfer vor, die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der steuerbaren zu den nichtsteuerbaren Leistungen zum Abzug zuzulassen bzw. nicht zuzulassen.
Der Bekl. und Revisionskl. (das FA) erließ daraufhin am 2. November 1978 entsprechende - zum Teil geänderte (betr. 1974 bis 1976) - Umsatzsteuerbescheide, in denen er die Steuer wie folgt festsetzte: für 1974 auf . . . DM, für 1975 auf . . . DM, für 1976 auf . . . DM und für 1977 auf . . . DM. Hiergegen legte der Kl. Einspruch ein.
In der Einspruchsentscheidung nahm das FA eine insgesamt neue Steuerberechnung vor. Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges ging das FA davon aus, daß die angefallenen Vorsteuerbeträge zu 80 v. H. auf das zu 75 v. H. im unternehmerischen Bereich des Kl. genutzte Eisstadion entfielen und daß von den restlichen 20 v. H. der angefallenen Vorsteuern, entsprechend dem Verhältnis von steuerbaren zu nichtsteuerbaren Leistungen, 47 v. H. den steuerbaren Leistungen zuzurechnen seien.
Der hierauf erhobenen Klage gab das FG im vollen Umfang statt und verminderte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre entsprechend; dadurch sind sämtliche angefallenen Vorsteuerbeträge zum Abzug zugelassen worden. Zur Begründung führte das FG aus, der Kl. könne die ihm gesondert in Rechnung gestellten, mit dem Betrieb des Eisstadions zusammenhängenden Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 UStG 1973). Die zugrundeliegenden Leistungen seien für das Unternehmen des Kl. ausgeführt worden. Dieses umfasse die gesamte Vereinstätigkeit, soweit sie darauf abziele, Einnahmen zu erlangen, oder hiermit in Zusammenhang stehe. Dieser Tätigkeit diene der Betrieb des Eisstadions.
An der Berechtigung zum Vorsteuerabzug ändere sich nichts dadurch, wenn ein solches Eisstadion auch zu Zwecken verwendet werde, die nicht im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen ständen. Insoweit komme jedoch Eigenverwendungsverbrauch in Betracht, der die äquivalente Korrektur für den vollen Vorsteuerabzug darstelle. Eigenverwendungsverbrauch liege vor, wenn ein Eissportverein das von ihm betriebene Eisstadion seinen Mitgliedern kostenlos dazu zur Verfügung stelle, daß diese, dem Vereinszweck entsprechend, dem Eislaufsport in seinen verschiedenen Formen abseits von Wettkampfveranstaltungen nachgehen. Eine solche Verwendung des Eisstadions stehe in keinem Zusammenhang mit den Leistungen des Vereins, die dieser zum Zwecke der Erzielung von Einnahmen erbringe, und sei daher als unternehmensfremd anzusehen.
Auf Grund der Beweisaufnahme werde verneint, daß im vorliegenden Fall eine Nutzung des Eisstadions für unternehmensfremde Zwecke vorgelegen habe. Die Vernehmung des Zeugen habe ergeben, daß die Vereinsmitglieder bei der Benutzung des Stadions grundsätzlich wie andere Besucher Eintrittsgeld hätten zahlen müssen. Dies gelte auch für die Benutzung des Stadions durch die Mitglieder der verschiedenen Vereinsabteilungen (Eiskunstlauf, Eistanz, Eisstockschießen) im Rahmen der Übungs- und Trainingszeiten. Lediglich den Wettkampfmannschaften der Eisstockschützen und den Eishockeymannschaften (in der Regel 1. Mannschaft, Jugend- und Schülermannschaft) hätten eintrittsgeldfreie Übungsstunden zugestanden (wöchentlich im allgemeinen zweimal eine Stunde).
Das unentgeltliche Training der Wettkampfmannschaften der Eisstockschützen stehe im Zusammenhang mit dem Betrieb des Eisstadions zum Zwecke der Einnahmeerzielung; denn - wie sich aus der Zeugenaussage ergebe - seien bei den im Eisstadion stattfindenden Wettkämpfen Entgelte erzielt worden, zwar nicht in Gestalt von Eintrittsgeldern, aber in der Form von Startgeldern.
Hinsichtlich des eintrittsgeldfreien Trainings der Eishockeymannschaften stehe außer Zweifel, daß das Training der 1. Mannschaft untrennbar mit dem Spielbetrieb verbunden sei, aus dem der Kl. durch die Wettkampfveranstaltungen Einnahmen erzielt habe. Aber auch das Training der Jugend- und Schülermannschaft sei wegen der vom Zeugen dargelegten Umstände als mit dem entgeltlichen Betrieb des Eisstadions verbunden zu betrachten und deshalb ebenso wie das Training der 1. Mannschaft dem Zwecke des Unternehmens des Kl. zuzuordnen. Auch wenn im Jugend- und Schülerbereich die sportliche Betätigung durch ideelle Ziele motiviert und dazu angetan sein möge, das Eigenleben des Vereins zu fördern, habe nicht unbeachtet gelassen werden können, daß auch bei den Spielen der Nachwuchsmannschaften ,,freiwillige Eintrittsgelder" - vom Zeugen als Spenden bezeichnet - gezahlt worden seien, die Entgeltscharakter hätten. Entscheidend für die Einbeziehung des Nachwuchsspiel- und Trainingsbetriebs in die unternehmerische Sphäre des Kl. falle ins Gewicht, daß die Nachwuchsbetreuung unentbehrlicher Bestandteil der Talentförderung für die 1. Mannschaft gewesen sei. Die Talentförderung sei in ihrem wesentlichen Ziel darauf ausgerichtet gewesen, den entgeltlichen Spielbetrieb der 1. Mannschaft dadurch aufrechtzuerhalten, daß laufend die notwendigen Nachwuchstalente hervorgebracht würden, so daß die 1. Mannschaft habe verstärkt werden können. In diesem Bereich überlagere die Ausrichtung auf den entgeltlichen Spielbetrieb die ideelle Motivation in einem solchen Maße, daß eine Zurechnung zum unternehmerischen Zweck gerechtfertigt erscheine.
Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FA rügt Verletzung des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973.
Der Kl. ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die vollständige Klagestattgabe wird durch die vom FG getroffenen Feststellungen nicht getragen.
1. Auf Grund der Ermäßigung der Steuerfestsetzungen für die Streitjahre durch die Einspruchsentscheidung ist zwischen den Beteiligten streitig, ob auch diejenigen Vorsteuerbeträge, welche das FA bei der Neuberechnung der Steuer nicht zum Abzug zugelassen hat, hätten zugelassen werden müssen, wie der Kl. meint. Hierauf ist das Rechtsschutzbegehren des Kl. gerichtet.
Das FA hat den teilweisen Ausschluß vom Vorsteuerabzug offenbar nicht mit abzugsschädlicher Verwendung der entsprechenden Vorbezüge (vgl. § 15 Abs. 2 UStG 1973) begründen, sondern darauf stützen wollen, daß die Vorbezüge nicht für das Unternehmen des Klägers ausgeführt worden seien (vgl. § 15 Abs. 1 UStG 1973). Das FA hat allerdings nicht die auf bestimmte Vorbezüge entfallenden Vorsteuerbeträge vom Abzug ausgeschlossen, wie es den im Urteil des BFH vom 18. Dezember 1986 V R 176/75 (BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, unter B I 1 a) dargestellten Grundsätzen entsprochen haben würde, sondern hat die umstrittenen Summen für die einzelnen Streitjahre jeweils pauschal ermittelt. Hierbei ließ sich das FA von dem Gedanken leiten, daß von den insgesamt angefallenen Vorsteuerbeträgen 80 v. H. auf den Betrieb des Eisstadions entfielen, so daß im Hinblick auf die 25 %ige Nutzung des Eisstadions für nicht unternehmerische Zwecke ein entsprechender Ausschluß vom Vorsteuerabzug geboten sei. Hinsichtlich der restlichen 20 v. H. der angefallenen - nicht auf den Betrieb des Eisstadions entfallenden - Vorsteuerbeträge nahm das FA an, daß diese zu 53 v. H. wegen entsprechenden nicht unternehmerischen Einsatzes nicht abgezogen werden dürften.
2. Das FG ist in der Vorentscheidung offenbar von der an sich zutreffenden Erwägung ausgegangen, daß die vom Kl. behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen als erwiesen angesehen werden könne, wenn sich ergebe, daß sämtliche vorsteuerbelasteten Vorbezüge für das Unternehmen des Kl. ausgeführt worden seien (vgl. Urteil in BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, unter B I 1 a), daß keine abzugsschädliche Verwendung vorliege (vgl. § 15 Abs. 2 bis 6 UStG 1980), und wenn außerdem ausgeschlossen werden könne, daß eine Saldierung (vgl. hierzu Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 65 Anm. 36 ff.) mit bisher unerfaßt gebliebenem, unter Einsatz der Vorbezüge bewirkten Eigenverbrauch (vgl. hierzu Urteil in BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, unter B I b und c) stattzufinden habe. Abgesehen davon, daß es erforderlich gewesen wäre, die Abzugsschädlichkeit der Verwendung vor allem im Hinblick auf § 4 Nr. 12 UStG 1980 zu prüfen (vgl. auch Abschn. 86 Abs. 1 Nr. 9 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1985 und 1988), hätte das FG weiter bedenken müssen, daß hinsichtlich der beiden anderen Fragen (Bezug für unternehmerische Zwecke: Saldierung mit bisher unerfaßt gebliebenem Eigenverbrauch) nicht auf die vom FG allein untersuchte und bejahte ausschließlich unternehmerische Verwendung des Eisstadions durch den Kl. abgestellt werden durfte, solange nicht der Anhalt dafür ausgeräumt war, daß ein Teil der umstrittenen Vorsteuerbeträge vom Kl. für andere Betätigungen als den Betrieb des Eisstadions eingesetzt worden ist.
Derartiger Anhalt bestand im Hinblick auf die Ausführungen des FA in der Einspruchsentscheidung, nach denen 20 v. H. der angefallenen Vorsteuerbeträge anderen Zwecken gedient haben als dem Betrieb des Eisstadions. Diesen Anhalt hat das FG weder ausdrücklich noch sinngemäß ausgeräumt. Demzufolge kann der Senat nicht bestätigen, daß das FG zu Recht der Klage stattgegeben hat, oder selbst über den Klageantrag entscheiden. Mithin mußte die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 416872 |
BFH/NV 1990, 739 |