Leitsatz (amtlich)
1. Die Beteiligung an einer GmbH kann auch bei einem Freiberufler zum notwendigen Betriebsvermögen gehören.
2. Berücksichtigung von Darlehensverlusten als Betriebsausgaben bei einem Freiberufler mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3-4
Tatbestand
Streitig ist, ob Darlehnsverluste als Betriebsausgaben oder als private Vermögensverluste zu behandeln sind.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als beratender Ingenieur für Baustatik ein Ingenieurbüro. Seinen Gewinn aus dieser freiberuflichen Tätigkeit ermittelt er durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Am 1. Dezember 1959 gründete er zusammen mit anderen Ingenieuren, und zwar Fachingenieuren der Fachrichtung Heizungstechnik, Elektrotechnik und Luftreinigungswesen, die Ingenieurberatung X-GmbH (GmbH), von deren Stammkapital von 20 000 DM er 12 000 DM übernahm. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war nach § 3 des Gesellschaftsvertrages die Ingenieurberatung und die Planung von Industrieanlagen, Verkehrs- und Straßenanlagen, Wasserbau, Industrieentstaubung, Geruchs- und Lärmbekämpfung, Abwasserreinigung und Wasseraufbereitung, Statik für Hoch- und Tiefbau, Heizung, Lüftung, Klimatisation, sanitäre Anlagen, Kältetechnik, Energie- und Wärmewirtschaft, Hoch-, Niederspannungs- und Schwachstromanlagen sowie Akustik und Schutzbauten.
Der Kläger gewährte der GmbH im Jahre 1960 ein Darlehen von 31 264,87 DM, dem im Jahre 1961 wegen der angespannten finanziellen Lage der GmbH ein weiteres von 9 338,26 DM folgte. Nachdem der Kläger 1961 auf Darlehnsrückzahlungen verzichtet hatte, wurde im September 1962 die Liquidation der GmbH beim Amtsgericht angemeldet.
In der Einkommensteuererklärung 1959/60 machte der Kläger bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit neben seinem Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit einen Verlust von 40 284 DM aus der Beteiligung an der GmbH geltend, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zwar in diesem Veranlagungszeitraum nicht anerkannte, dessen spätere Berücksichtigung er aber für zulässig hielt. Diese Auffassung kommt im folgenden, in die Erläuterungsspalte des Einkommensteuerbescheides 1959/60 aufgenommenen Vermerk zum Ausdruck:
"Verlust aus ... GmbH. Das Darlehen u. die Einzahlung auf das Stammkapital werden als betrieblich veranlaßt angesehen. Jedoch kann der Verlust erst in 1961 berücksichtigt werden, da erst zu diesem Zeitpunkt auf das Darlehen verzichtet werden mußte."
Das FA erkannte demnach auch zunächst bei der vorläufigen Einkommensteuerveranlagung 1961 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit eine Gewinnminderung durch "verlorene Beteiligung und Darlehen" in Höhe von 52 603,13 DM an. Nachdem diese Sachbehandlung jedoch vom Landesrechnungshof beanstandet worden war, führte das FA im Anschluß an eine im Jahre 1967 durchgeführte Betriebsprüfung eine endgültige Veranlagung für das Streitjahr 1961 durch, wobei es die Verluste aus Beteiligung und Darlehen nicht als Betriebsausgaben anerkannte.
Der Einspruch hatte für das Streitjahr keinen Erfolg. Das FA sah zwar die Beteiligung des Klägers an der GmbH nunmehr als dessen notwendiges Betriebsvermögen an. Der Aufwand für diese Beteiligung - so meinte es - sei aber nicht im Streitjahr, sondern (wegen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG) im Jahre des Abflusses zu berücksichtigen, weshalb die Einkommensteuerveranlagung 1959/60 zu berichtigen sei. Die Darlehen könnten jedoch nicht wie die Beteiligung behandelt werden. Nach der Entscheidung des BFH vom 8. Oktober 1964 IV 88/62 (HFR 1965, 23) seien auch betrieblich veranlaßte Darlehnsverluste bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht zu berücksichtigen. Das FA verneinte auch eine vom Kläger im Hinblick auf den Vermerk im Einkommensteuerbescheid 1959/60 angenommene Bindung oder eine hierdurch eingetretene Verwirkung.
Die Klage, mit der der Kläger beantragte, die Darlehnsverluste als Betriebsausgaben des Streitjahres 1961 anzuerkennen, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FG aus, die Beteiligung des Klägers an der GmbH könne - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers und des FA - nicht als dessen notwendiges Betriebsvermögen angesehen werden, weil die Beteiligung an einer GmbH und somit an einem Gewerbebetrieb kraft Rechtsform dem Wesen der vom Kläger ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit widerspreche. Eine an sich mögliche Zurechnung zum gewillkürten Betriebsvermögen scheitere im Streitfalle daran, daß der Kläger wegen seiner Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG kein gewillkürtes Betriebsvermögen haben könne. Sei dem aber so, dann könne hinsichtlich der Darlehnsverluste, die nach dem vorgetragenen Sachverhalt allein durch die Beteiligung verursacht worden seien, nichts anderes gelten. Die Darlehnsforderungen müßten steuerrechtlich das Schicksal der Beteiligungen teilen. - Darüber hinaus sei nach dem BFH-Urteil IV 88/62 der Verlust eines Darlehens selbst dann, wenn dessen Hingabe betrieblich veranlaßt gewesen sei, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen. Auch hieraus ergebe sich die Unbegründetheit der Klage. Denn Gesichtspunkte der Verwirkung oder der Bindung nach Treu und Glauben könnten der Klage entgegen der Auffassung des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen.
Der Kläger beantragt mit der Revision Herabsetzung der Einkommensteuer 1961 auf 9 147 DM. Er wendet sich insbesondere gegen die Argumentation des FG, daß die Beteiligung eines Freiberuflers an einer Kapitalgesellschaft nicht zu dessen notwendigen Betriebsvermögen gehören könne.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO.
1. Da der Kläger seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, ist Gewinn der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 7 EStG über die AfA. Als Betriebsausgaben sind Aufwendungen zu berücksichtigen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Die Entscheidung des Streitfalles hängt davon ab, ob die vom Kläger der GmbH gewährten und dann verlorengegangenen Darlehen derartige Aufwendungen sind.
2. Die Vorinstanz hat diese Frage mit einer Doppelbegründung verneint. Beide Begründungen tragen jedoch das Ergebnis nicht.
2.1. Soweit das FG meinte, die Darlehensverluste könnten selbst dann, wenn sie durch den Betrieb des Klägers veranlaßt gewesen seien, nach der Rechtsprechung des Senats im Urteil IV 88/62 nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Der Senat hat vielmehr unter ausdrücklicher Aufgabe dieses Urteils in seiner Entscheidung vom 2. September 1971 IV 342/65 (BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334), auf die verwiesen wird, die Berücksichtigung von Darlehnsverlusten als Betriebsausgaben auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für möglich gehalten. Voraussetzung ist, daß die Darlehnshingabe betrieblich veranlaßt war. Die Berücksichtigung hat in dem Veranlagungszeitraum zu erfolgen, in dem der Darlehnsverlust eingetreten ist (vgl. auch das Urteil des Senats vom 6. Dezember 1972 IV R 4-5/72, BFHE 108, 162, BStBl II 1973, 293).
2.2 Auch die andere Begründung des FG für die Nichtberücksichtigung der streitigen Darlehnsverluste, daß auch die Darlehnsverluste außerhalb des betrieblichen Bereiches liegen müßten, weil die GmbH-Beteiligung selbst nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehören könne, tragen die angefochtene Entscheidung nicht.
2.2.1. Der Senat vermag der Vorinstanz zunächst schon nicht in dem Ausgangspunkt zu folgen, daß die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht zum Betriebsvermögen eines den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Freiberuflers gehören könne. Einen Rechtssatz, daß dies zwingend aus der Eigenschaft der Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform folge, gibt es nicht. Die Tatsache, daß Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unbestritten gewillkürtes Betriebsvermögen eines Freiberuflers sein können, bei dem aufgrund der Gewinnermittlungsart eine Willkürung möglich ist, beweist, daß der Gesichtspunkt "Gewerbebetrieb kraft Rechtsform" begrifflich einer Zurechnung zum Betriebsvermögen nicht entgegensteht. Ob nun eine Zurechnung zum notwendigen Betriebsvermögen möglich ist, bemißt sich dann aber nach anderen Kriterien, z. B. danach, ob die Beteiligung für die Betriebsführung notwendig ist. Verständlicherweise wurde das bei den von einem Rechtsanwalt zur Anlage von Betriebsmitteln in Form von Aktien angeschafften Beteiligungen an einer AG verneint (vgl. das BFH-Urteil vom 14. November 1972 VIII R 100/69, BFHE 108, 304, BStBl II 1973, 289). In anderen Fällen ist aber die Zurechnung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, insbesondere an einer GmbH, zum notwendigen Betriebsvermögen durchaus denkbar, z. B. im Falle einer Beteiligung von Wirtschaftsprüfern an einer in Form einer GmbH betriebenen Treuhandgesellschaft. Voraussetzung ist, daß der Betrieb der GmbH der freiberuflichen Tätigkeit nicht wesensfremd ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1964 IV 12/61, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 729). Im Streitfall kann jedoch von einer wesensfremden Tätigkeit der GmbH offensichtlich nicht die Rede sein. Vielmehr spricht eine Reihe von Umständen für die Qualifizierung der Beteiligung des Klägers an der GmbH als notwendiges Betriebsvermögen. Hieraus erklärt sich auch, daß der Beklagte selbst hiervon ausgegangen ist. Allein aus der Tatsache einer Beteiligung des Klägers an einem "Gewerbebetrieb kraft Rechtsform" hätte das FG jedenfalls nicht den Schluß auf die fehlende Betriebsvermögenseigenschaft der Beteiligung und hiervon abgeleitet den weiteren, wie gleich darzulegen sein wird, ebenfalls nicht zwingenden Schluß auf die fehlende betriebliche Veranlassung der Darlehnshingabe ziehen dürfen.
2.2.2. Auch die vom FG angenommene Zwangsläufigkeit, daß die Frage der betrieblichen Veranlassung der Darlehen an die GmbH zwingend von der Beurteilung der GmbH-Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen abhängig sei, trifft nicht zu, wie der Senat im Urteil vom 12. März 1964 IV 376/62 U (BFHE 79, 524, BStBl III 1964, 424), auf dessen Gründe im einzelnen verwiesen wird, entschieden hat. Zwar liegt bei einer Zugehörigkeit der Beteiligung zum Betriebsvermögen eine betriebliche Veranlassung auch der Darlehnshingabe nahe. Aber selbst wenn die Beteiligung des Klägers an der GmbH nicht zu seinem notwendigen Betriebsvermögen zählen sollte, wozu die entsprechenden Feststellungen des FG - wie betont - noch fehlen, so müßte das FG weiterhin in tatsächlicher Hinsicht aufklären, ob nicht gleichwohl die Darlehnshingabe als betrieblich veranlaßt angesehen werden muß, wie im übrigen umgekehrt die etwaige Zugehörigkeit der Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen noch nicht ohne weiteres die betriebliche Veranlassung der Darlehen beweist (vgl. das Urteil IV 376/62 U). Entscheidend sind allein die tatsächlichen Verhältnisse, die das FG nun noch feststellen muß.
3. Bei seiner erneuten Entscheidung kann das FG allerdings davon ausgehen, daß, sollten sich die Darlehnsverluste materiell-rechtlich nicht als Betriebsausgaben darstellen, die entsprechenden rechtlichen Folgerungen auch gezogen werden können. Grundsätze von Treu und Glauben oder das Institut der Verwirkung von Steueransprüchen stehen dann einer Abweisung der Klage nicht entgegen, weil, wie das FG zutreffend begründet hat, weder der Kläger aufgrund des Verhaltens des FA disponiert noch das FA im Kläger die Überzeugung geweckt hat, es werde an der (doch nur vorläufig durchgeführten) Veranlagung nichts mehr ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 71820 |
BStBl II 1976, 380 |
BFHE 1976, 353 |
NJW 1976, 1286 |