Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung eines negativen Einheitswerts einer KG
Leitsatz (amtlich)
Ergibt sich für einen Kommanditisten, der seine vertraglich vereinbarte Einlage geleistet hat, bei voller Erfassung des Substanzwerts und des auf ihn entfallenden Anteils am Geschäftswert ein negatives "Kapitalkonto", so kann ihm ein Anteil an dem für das Betriebsvermögen der KG festgestellten negativen Einheitswert auch dann nicht zugerechnet werden, wenn der Komplementär keine Einlage geleistet hat und nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis (wertmäßig) am Vermögen sowie an den stillen Reserven der KG nicht beteiligt ist (Anschluß an BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2).
Normenkette
BewG 1974 §§ 3, 97 Abs. 1 Nr. 5; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
I. Streitig ist, wie der für eine Kommanditgesellschaft (KG) zum 1.Januar 1983 festgestellte Einheitswert des Betriebsvermögens in Höhe von ./. 4 045 000 DM auf die Gesellschafter aufzuteilen ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist alleiniger Kommanditist der im Jahre 1977 gegründeten GmbH & Co. KG (künftig: KG), der Beigeladenen zu 2.. Seine bar geleistete Festeinlage beträgt 10 000 DM. Komplementärin der KG ist die GmbH --Beigeladene zu 1.--, der allein die Geschäftsführung und Vertretung obliegen. Die GmbH, deren Stammkapital von 20 000 DM am Bewertungsstichtag mit 15 000 DM vom Kläger und mit 5 000 DM von dessen Ehefrau gehalten wurde, leistete keine Einlage (§ 3 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags). Geschäftsführerin der GmbH ist die Ehefrau des Klägers. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrags sind der GmbH die Aufwendungen, die ihr aus der Geschäftsführung der KG erwachsen, insbesondere die Gehälter und Zuführungen zur Pensionsrückstellung für Geschäftsführer, die für sie die Geschäftsführung der KG ausüben, am Ende eines jeden Geschäftsjahres zu erstatten. Nach § 10 des Gesellschaftsvertrags ist "abweichend von der steuerlichen Qualifizierung bestimmter Vergütungen für die Gesellschafter als steuerliche Vorweggewinne" zum Zwecke der Gewinnverteilung folgendes vorgesehen:
"(1) Vor Feststellung des Jahresertrags sind über Kosten als Aufwand die Auslagen der persönlich haftenden Gesellschafterin zu verbuchen.
(2) Danach sind über Kosten als Aufwand eine Risikoprämie für die Übernahme der persönlichen Haftung der GmbH zu buchen; ihre Höhe beträgt jeweils 5 v.H. des Stammkapitals der GmbH.
(3) Danach sind über Kosten als Aufwand die Zinsen zu verbuchen, die den Gesellschaftern auf Darlehenskonten zustehen.
(4) Der sich nach Berücksichtigung der Punkte 1 bis 3 ergebende Gewinn wird unter die Gesellschafter wie folgt verteilt:
Komplementärin (*= GmbH) 2 v.H., höchstens 2 000 DM, Kommanditist (*= Kläger) 98 v.H.
(5) Ergibt sich nach Berücksichtigung der Punkte 1 bis 3 ein Verlust, so wird dieser ausschließlich dem Kommanditisten (*= Kläger) zugerechnet.
(6) Da die GmbH keine Einlage leistet, ist sie weder am Vermögen noch an etwaigen stillen Reserven der KG beteiligt."
Die KG erzielte in den Jahren bis 1982 jeweils Verluste. Für das Wirtschaftsjahr 1982 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf ./. 1 273 498 DM fest. Davon entfielen auf die GmbH 1 000 DM und auf den Kläger ./. 1 274 498 DM. Auch die für die KG festgestellten Einheitswerte des Betriebsvermögens waren an den Stichtagen vor dem 1.Januar 1983 jeweils negativ und wurden antragsgemäß allein dem Kläger zugerechnet. In der für die KG eingereichten Vermögensaufstellung auf den 1.Januar 1983 zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs erklärte der Kläger als steuerlicher Vertreter der KG ein Betriebsvermögen von ./. 4 045 000 DM und beantragte, diesen Wert --wie in den Vorjahren-- allein ihm zuzurechnen.
Nach der Bilanz der KG belief sich am 1.Januar 1983 das Kapitalkonto der GmbH auf 4 168 DM, das des Klägers auf ./. 4 066 545 DM.
Mit Bescheid vom 24.September 1984 stellte das FA den Einheitswert für den Gewerbebetrieb der KG auf den 1.Januar 1983 --wie erklärt-- mit ./. 4 045 000 DM fest, rechnete aber den Einheitswert --abweichend von der Erklärung-- unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.Juni 1981 III R 49/78 (BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2) allein der GmbH als Komplementärin zu; der Anteil des Klägers am Einheitswert des Betriebsvermögens betrug danach 0 DM. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der die Aufteilung im Einheitswertbescheid des FA vom 24.September 1984 bestätigenden Einspruchsentscheidung den negativen Einheitswert der KG auf den 1.Januar 1983 ausschließlich ihm --dem Kläger-- zuzurechnen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, daß der vom FA auf den 1.Januar 1983 festgestellte und der Höhe nach unter den Beteiligten unstreitige (negative) Einheitswert in Höhe von ./. 4 045 000 DM für den Gewerbebetrieb der KG ausschließlich der GmbH als Komplementärin, und damit weder ganz noch teilweise dem Kläger als Kommanditisten zuzurechnen ist.
1. Steht ein Wirtschaftsgut mehreren Personen zu, so ist der Wert im ganzen zu ermitteln und auf die Beteiligten nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen, soweit nicht nach dem maßgebenden Steuergesetz die Gemeinschaft selbständig steuerpflichtig ist (§ 3 des Bewertungsgesetzes --BewG--). Nach § 39 Abs.2 Nr.2 AO 1977 wird Gesamthandsvermögen --soweit für steuerliche Zwecke (z.B. für die Vermögensteuer) eine getrennte Zurechnung erforderlich ist-- den Beteiligten so zugerechnet, als wären sie nach Bruchteilen beteiligt. Durch diese Regelung wird das privatrechtliche Institut der Gesamthand, das keine rechnerischen Quoten der einzelnen Beteiligten am Gesamthandsvermögen kennt, in einer Weise "wirtschaftlich ausgedeutet", die eine Zuordnung von rechnerischen Anteilen am Gesamthandsvermögen auf die einzelnen Gesamthandsberechtigten ermöglicht (Urteil in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2 unter Hinweis auf Riewald in Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9.Aufl., § 11 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG-- Anm.4 Abs.1).
Die Zurechnungsvorschrift des § 39 Abs.2 Nr.2 AO 1977 sieht allerdings keinen Maßstab für die Aufteilung des Gesamthandsvermögens bzw. des hierfür festgestellten Einheitswerts vor (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 39 AO 1977 Tz.38). Nach der Rechtsprechung des früher für die Einheitsbewertung zuständigen III.Senats ist "der für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft festgestellte Einheitswert auf die einzelnen Gesellschafter grundsätzlich nach dem Wertverhältnis der Mitgliedschaftsrechte der Beteiligten unter Berücksichtigung von deren Substanz- und Ertragswert aufzuteilen" (Urteil in BFHE 134, 157, 161, BStBl II 1982, 2, 5). Dabei ist es zum Zwecke einer hinreichend zutreffenden Ermittlung des Beteiligungsverhältnisses am Substanzwert vertretbar, von den Kapitalkonten der Gesellschafter in der Handelsbilanz auszugehen. Um einen brauchbaren Aufteilungsmaßstab zu erhalten, müssen die Kapitalkonten jedoch so verändert (berichtigt) werden, daß sie das nach gesellschaftsrechtlichen Regeln auf den einzelnen Gesellschafter entfallende tatsächliche Gesellschaftsvermögen hinreichend zutreffend wiedergeben (vgl. zu den erforderlichen Korrekturen im einzelnen BFHE 134, 157, 162, BStBl II 1982, 2, 5). Ergeben sich dabei trotz --gedachter-- Auflösung und Verteilung der stillen Reserven sowie des --gesondert ermittelten-- Geschäftswerts auf die Gesellschafter negative "berichtigte Kapitalkonten" einzelner Gesellschafter, so ist es nach dem Urteil des III.Senats in BFHE 134, 157, 163, BStBl II 1982, 2, 5 nicht zulässig, diesen Gesellschaftern, soweit es sich um Kommanditisten handelt, die --wie im Streitfall-- ihre vertraglich vereinbarte Einlage geleistet haben, einen Anteil am Einheitswert des Betriebsvermögens zuzurechnen. Denn die Verpflichtung eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto, etwaige Gewinne nachfolgender Wirtschaftsjahre zunächst zur Deckung des negativen Kapitalkontos zu verwenden, ist am jeweiligen Stichtag kein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut (BFH-Urteil vom 8.Oktober 1971 III R 121/70, BFHE 104, 145, BStBl II 1972, 165). Im übrigen kann der Kommanditist, der seine Einlage geleistet hat, weder von den Gläubigern der Gesellschaft noch von den Mitgesellschaftern in Anspruch genommen werden. Wie der III.Senat in BFHE 134, 157, 163, BStBl II 1982, 2, 6 zutreffend dargelegt hat, hat das negative Kapitalkonto des Kommanditisten daher "keine Relevanz für den Vermögensstand am Stichtag." Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, die ihren Niederschlag in Abschn.18 und 19 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) ab 1983 gefunden hat.
2. Einem Kommanditisten, der --wie im Streitfall-- seine vertraglich vereinbarte Einlage geleistet hat, und für den sich --bei voller Erfassung des Substanzwerts und bei Berücksichtigung des auf ihn entfallenden Anteils am Geschäftswert-- ein negatives "Kapitalkonto" ergibt, kann ein Anteil am negativen Einheitswert auch dann nicht zugerechnet werden, wenn der Komplementär keine Einlage geleistet hat und nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis (wertmäßig) am Vermögen sowie an den stillen Reserven der KG nicht beteiligt ist und sich sein Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks der KG im wesentlichen darauf beschränkt, daß er als Komplementär die alleinige Geschäftsführung und Vertretung der KG sowie die volle Haftung nach § 161 i.V.m. § 105 Abs.1 des Handelsgesetzbuches (HGB) übernimmt.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ändert dieser Umstand nichts daran, daß der Komplementär gleichwohl allein aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Personengesellschaft notwendigerweise am Gesamthandsvermögen (dinglich) beteiligt ist (vgl. hierzu Siebert, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1955/56, 300, 303 ff.; Huber, "Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts", 1970, S.304) und deshalb grundsätzlich der für das (Gesamthands-)Vermögen der KG festgestellte Einheitswert auf die Mitunternehmer gemäß § 97 Abs.1 Nr.5 BewG i.V.m. § 3 BewG sowie § 39 Abs.2 Nr.2 AO 1977 aufzuteilen ist. Lediglich der Maßstab der Aufteilung bestimmt sich nach den vermögensmäßigen Beziehungen der Gesellschafter zueinander, wie sie sich aus den gesellschaftsrechtlichen Regeln ergeben (vgl. hierzu im einzelnen Urteil in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2). Dabei kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats für die Zuordnung des auf den einzelnen Gesellschafter tatsächlich entfallenden Vermögens aber nicht nur auf die im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen, sondern auch auf die sich aus dem kodifizierten Gesellschaftsrecht ergebende Rechtslage an. So ändert die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, wonach die Komplementär-GmbH keine Einlage leistet und am Vermögen sowie an den stillen Reserven der KG nicht beteiligt ist --mit der Folge, daß nach dem Gesellschaftsvertrag das ganze Vermögen dem Kommanditisten zufällt--, nichts daran, daß dieser gemäß § 171 Abs.1 HGB, soweit die Einlage geleistet ist, weder von den Gläubigern der KG noch von Mitgesellschaftern in Anspruch genommen werden kann. Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn der Kommanditist wirtschaftlich gesehen der alleinige Inhaber des Handelsgeschäfts ist und der persönlich haftende Gesellschafter mittellos ist (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17.März 1966 II ZR 282/63, BGHZ 45, 204). Deshalb ist es auch im Streitfall, in dem --nach den den Senat bindenden und von den Beteiligten nicht angegriffenen Feststellungen des FG-- der Anteil des Kommanditisten am Unternehmenswert zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt negativ ist, nicht zulässig, dem Kläger als Kommanditisten einen Anteil am Einheitswert des Betriebsvermögens zuzurechnen. Denn das negative Kapitalkonto hat nur Auswirkungen auf die künftige Gewinnverteilung (§§ 167 ff. HGB); es hat jedoch keine Relevanz für den Vermögensstand am Stichtag. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Einheitswert des Betriebsvermögens vielmehr allein der voll haftenden Komplementär-GmbH zuzurechnen. Insoweit kann hier nichts anderes gelten als in dem vom III.Senat entschiedenen Fall in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2 (Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, Vermögensteuergesetz, 8.Aufl., § 97 BewG Anm.67.5; vgl. auch Abschn.19 Abs.1 Satz 3 VStR 1986 und 1989). Der Kläger wird deshalb durch die fehlende Zurechnung eines Anteils am Einheitswert des Betriebsvermögens der KG in seinen Rechten nicht verletzt.
Fundstellen
Haufe-Index 64098 |
BStBl II 1992, 543 |
BFHE 167, 174 |
BFHE 1992, 174 |
BB 1992, 1706 |
BB 1992, 1706-1707 (LT) |
DB 1992, 1812 (L) |
DStR 1992, 749 (KT) |
DStZ 1992, 410 (KT) |
HFR 1992, 444 (LT) |
StE 1992, 488 (K) |